
(Foto: Beckmann)
2013 sterben in Indien hunderte Menschen infolge einer schweren Dürre. Aufgrund der aussichtslosen Lage ohne Wasser nehmen sich allein im Bundesstaat Maharashtra fast 10000 Bauern das Leben. Denn obwohl die Regierung Wassertanks in die betroffenen Gebiete schickt, reicht die Menge längst nicht für alle Dörfer aus. Drei Jahre später schaffen es viele der Menschen, sich aus ihrer Situation zu befreien – nicht zuletzt mit der Unterstützung der Caritas Indien und dem Bischöflichen Hilfswerk Misereor.
Beim 12. Dialogforum der Ordensleute im Bistum Essen erfuhren die etwa 30 Teilnehmerinnen und Teilnehmer mehr über das Projekt. Denn im Mittelpunkt des Treffens bei den Franziskusschwestern der Familienpflege in Bedingrade stand die gemeinsame Fastenaktion von Misereor mit dem Partnerland Indien. Ganz konkret ging es in Beantwortung des Leitwortes „Heute schon die Welt verändert?“ nicht nur um die Situation in Indien, sondern auch um die Möglichkeit sowie die Notwendigkeit, einen eigenen Beitrag zur Verbesserung der Lebensqualität zu leisten.
„Wir sind ein wenig die Bistumsbrücke nach Indien“, erklärte Schwester Judith Schmidt, Generaloberin der Franziskusschwestern, zu Beginn des Dialogforum. Denn im Mutterhaus an der Laarmannstraße leben auch mehrere Ordensfrauen aus dem mit 1,3 Milliarden Einwohnern zweitbevölkerungsreichsten Land der Erde. Nicht nur diese Erklärung, sondern auch die Anwesenheit vieler indischer Schwestern beim Dialogforum, das eben auch dem Austausch untereinander dienen soll, ließ das weit entfernte Land gedanklich ein wenig näher rücken.
„Wir wollen nicht das Elend und Scheitern in der Welt zeigen, sondern dass es möglich ist, die Welt gemeinsam zum Guten hin zu verändern“, erläuterte Pfarrer Andreas Paul das Ziel der gemeinsamen Fastenaktion. „Wir wollen kein Mitleid erzeugen, sondern Mitleidenschaft“, so der Pfarrer aus Hillesheim in der Eifel, der auch in der Abteilung Bildung und Pastoral bei Misereor tätig ist.
Auf Augenhöhe
Wichtig sei dabei, dem Partner auf Augenhöhe zu begegnen, Projekte zusammen zu entwickeln und Hilfe für andere Länder nicht nur von Aachen aus, dem Sitz des Hilfswerks, zu entscheiden und zu steuern. Abgesehen von der Fastenaktion unterstützt Misereor zurzeit 3890 Projekte in 89 Ländern. Mit dem Leitwort habe Misereor die Dringlichkeit bewusst machen wollen, etwas für eine Veränderung in der Welt zu unternehmen. „Alle Menschen sind dazu fähig“, betonte Pfarrer Paul. Und auch: „Es gibt nicht nur den einen Weg. Jeder kann seinen individuellen Beitrag leisten.“
Eindrucksvoll schilderte im Anschluss die Sozialarbeiterin Schwester Kesary Fernandez, die in der Fastenzeit als einer der Gäste des Hilfswerks die Lage vor Ort vorstellt, wie Caritas und Misereor Menschen im Bundesstaat Maharashtra helfen – und zwar im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe. Als Mitarbeiterin der Caritas ist sie regelmäßig in 15 Dörfern des westindischen Bundesstaates unterwegs, um die Bewohner über ihre Möglichkeiten aufzuklären und vor allem auch Frauen zu ermutigen, aktiv zu werden und ihre Stimme zu erheben.
Ganz konkret musste in Maharashtra eine Lösung gefunden werden, die Menschen zuverlässig mit Wasser zu versorgen. Vor allem Frauen und auch Kinder, die deswegen nicht die Schule besuchen konnten, mussten oft stundenlang laufen, um Wasser für die Familie zu besorgen. An den Tankern der Regierung, die alle drei bis vier Tage Wasser bringen, mussten sie in langen Schlangen anstehen. „Viele klettern auch in sehr tiefe Brunnen, um noch das letzte Wasser zu schöpfen“, sagte Schwester Kesary. Es sei ein wahrer Kampf um Wasser entbrandet. Im Rahmen des Projekts „Jeevan-People-Led Empowerment“ („Jeevan“ (Hindi) = „Leben“, People-Led Empowerment heißt übersetzt: „Die Bürger ermächtigen sich selbst“), das dabei helfen soll, Probleme möglichst eigenständig zu lösen, hoben die Dorfbewohner Gräben aus, um in den Regenmonaten Wasser zu sammeln und somit die Brunnen wieder zu füllen.
Ein enormer Gewinn vor allem auch für die Landwirte, die jetzt wieder ihre Felder bestellen können. Anfänglich sei es schwierig gewesen, das in Indien zwar offiziell abgeschaffte, in der Gesellschaft aber immer noch verankerte Kastensystem zu überwinden und das Problem gemeinsam anzugehen, erklärte Schwester Kesary auf Anfrage. Doch schließlich sei den Menschen klar geworden, dass sie das Problem nur zusammen lösen können.
Teil dieser Welt
In Kleingruppen beschäftigten sich die Ordensleute mit den Fragen, wo sie Veränderungen umsetzen möchten in ihrem Umfeld und mit wem. Auf Puzzleteilen notierten sie Stichpunkte, die sie am Ende zu einem großen Ganzen zusammensetzten. Während die einen auf „trockene Brunnen“ auch bei ihrer Arbeit vor Ort stießen, die sie zum Beispiel mit mehr „Verbindlichkeit“ wieder füllen möchten, schrieben andere „Zeit schenken“, „zuhören“, die „Zeichen der Zeit wahrnehmen und Lösungen suchen“ oder „einander vergeben“ nieder. Einige der Ordensleute notierten einfach ihren Namen auf ihrem Puzzleteil, als Reaktion darauf, dass sie mit ihrer ganzen Person auf die Frage „Was kann ich für euch tun“ antworten. „Wir müssen nicht auf die großen Dinge warten“, fasste es Pfarrer Paul in diesem Sinne zusammen. „Jeder ist ein Teil dieser Welt und niemals unbedeutend.“
Ulrike Beckmann
Info Das 13. Dialogforum am 10. November findet bei den Elisabethschwestern an der Bonnemannstraße in Essen statt.