„Die Kirche muss die Distanz zu den Menschen überwinden“

Damit die Kirche auch in Deutschland und Europa eine Zukunft hat, muss sich nach Einschätzung von Margret Dieckmann-Nardmann, Entscheidendes ändern. „Die Amtskirche muss die Distanz zu den Menschen überwinden“, fordert die Präsidentin des Päpstlichen Missionswerkes der Frauen – Frauenmissionswerk, im ausführlichen Interview mit der Wochenzeitung „Neues Ruhr-Wort“ (Samstagsausgabe vom 1. September). Offene Gemeinden und eine einladende Kirche, die auf die Menschen zugehe, seien notwendig.

(Foto: Frauenmissionswerk)

„Ich wünsche mir, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene die Chance bekommen, Kontakt zu engagierten Christen zu bekommen“, sagt die Präsidentin des Frauenmissionswerks, das am 9. September in Koblenz sein 125-jähriges Juiläum feiert. „Doch besonders im Kindergarten und in den Schulen fehlen sie. Es gilt, die Kirche vor Ort lebendig zu gestalten, nicht alles in weit entfernten Kirchengebäuden zu zentrieren. Und nicht alles von der Anwesenheit eines Priesters abhängig zu machen.“ Im Gegensatz zu Gemeinden und Laien etwa in Afrika stelle sie bei Laien in deutschen Gemeinden oft eine große Unsicherheit und abwartende Haltung fest. Viele Ehrenamtliche seien verunsichert, „ob sie alles richtig machen, ob es den Ansprüchen der Hauptamtlichen und Mitchristen genügt“, so Dieckmann-Nardmann. „Vielleicht gab es zu lange die ,Hauptamtlichen’, die zuständig waren und sind.“ In Afrika etwa seien Laien selbstverständlich und selbstverantwortlich in vielen Bereichen des Gemeindelebens tätig, ein Priester komme oft nur alle paar Wochen zum Gottesdienst feiern, berichtet sie von ihren Besuchen in Partnerländern des Frauenmissionswerkes.

In vielen Ländern gelte es allerdings weiterhin, Mädchen und Frauen zu stärken und über ihre Rechte aufzuklären, erklärt Dieckmann-Nardmann. „Empowerment und Gleichberechtigung bleiben weiterhin wichtige Themen, besonders auf dem Land, wo die Menschen noch stark nach den Sitten und Gebräuchen ihrer Kulturen leben“, so die Präsidentin. „Für Mädchen und Frauen, die die Schule besucht und studiert haben, ist es heute selbstverständlich zu arbeiten, wenn genügend Jobs zur Verfügung stehen. Die Situation der Frau wandelt sich durch Bildung und Schulbildung – darum sind diese so wichtig.“

Oft sei es in Projekten aber erst notwendig, die Männer davon zu überzeugen, dass die Frauen an Programmen und Projekten teilnehmen können. Wichtig sei es, den Männern die eigenen Vorteile aufzuzeigen, die sie durch das Projekt erlangen können. „Es ist unerträglich für mich wahrzunehmen, dass die Frau nicht frei entscheiden kann, ob sie an einem Projekt teilnehmen möchte, sondern dass sie von der Zustimmung des Mannes abhängig ist“, sagt Dieckmann-Nardmann. Mit Blick auf die notwendigen Veränderungen in der deutschen katholischen Kirche bekräftigt die Präsidentin des Frauenmissionswerkes, dass „die Gemeinschaft der Gläubigen ihre Fenster und Türen öffnen“ müsse. Sie müsse die Menschen einladen, vor Ort ansprechen und besuchen, ansprechende Angebote machen sowie Gastfreundschaft pflegen. Außerdem gelte es, ein authentisches, lebendiges Christentum zu verkörpern. „Wünschenswert wäre eine lebendige christliche Gemeinschaft, nicht grau und verstaubt, die mit den Menschen lebt, ihnen beisteht, die christliche Hoffnung lebt.“

So werde eine Gemeinde und die Kirche auch attraktiv für Jugendliche und junge Erwachsene. „In dieser Gemeinde werden junge Menschen ernst genommen, ihnen wird zugehört, ihre Ideen finden Umsetzung – da gibt es keine ,klugen Sprüche’, die sprachlos und tatenlos machen“, weil man sie den jungen Menschen überstülpe.

 

Stimme der Stimmlosen

Interview mit Margret Dieckmann-Nardmann

(Foto: Frauenmissionswerk)

An vielen Orten der Welt sind es die Frauen, die das familiäre, soziale und auch das kirchliche Leben prägen. Dennoch müssen sie noch immer um Gleichberechtigung und Anerkennung kämpfen. Vor 125 Jahren gründete die Lehrerin Katharina Schynse aus Wallhausen bei Bad Kreuznach den „Verein katholischer Frauen und Jungfrauen zur Unterstützung der zentralafrikanischen Mission“, um Frauen aus der Sklaverei freizukaufen. Daraus entwi­ckelte sich das Päpstliche Missionswerk der Frauen, das heute Frauen und Mädchen weltweit unterstützt und fördert. Dessen Präsidentin, Margret Dieckmann-Nardmann, spricht im Interview mit dem „Neuen Ruhr-Wort“ über Mission heute, Kirche auf Dis­tanz und die Ermächtigung von Mädchen und Frauen.

125 Jahre Frauenmissionswerk – wofür sind Sie besonders dankbar?
Dieckmann-Nardmann: Besonders dankbar bin ich für die unendlich zahlreichen, wunderbaren Begegnungen in den unterschiedlichen Lebenskontexten, die mir das Leben und die Situation von Mädchen und Frauen unmittelbar vor Augen geführt haben. Dabei stellte sich mir auch die Frage, wie ein Mensch das Leben unter extrem schweren Bedingungen aushalten, überhaupt leben kann. Auch die Kraft von Frauen, die sie trotz allem entwi­ckeln, die zeigt, was möglich ist, wenn man zusammen etwas erreichen möchte. Außerdem bin ich sehr dankbar für das große, teilweise jahrzehntelange ehrenamtliche Engagement von Frauen im Frauenmissionswerk hier in Deutschland bis ins hohe Alter. Und für die immer wieder neuen ermutigenden Begegnungen: Begegnungen mit Bewohnerinnen von Lehmhütten, Frauen auf den Feldern, in Gefängnissen. Mit reichen wie armen Menschen, mit Politikern, Bischöfen, Päpst­en, Künstlern. Mit Männern und Frauen, die ich in den Dörfern, Städten, Diözesen, kennengelernt habe. Die mit mir unterwegs sind, die einfach da sind, sich auf ihre Weise einbringen und dadurch sagen „Hey, mir ist die Sache, mir ist das Anliegen des Frauenmissionswerkes wichtig“. Da sind Frauen – berufstätig, wie nahezu alle, die aktuell aktiv tätig sind –, die die Homepage aktualisieren, die am Abend und am Wochenende die Jahresschrift zusammenbasteln. Da sind Ordensschwestern, die aus Brasilien, Paraguay, Sambia oder Nigeria von ihren Erfahrungen und der Bedeutung von Frauen für die Gesellschaft und Kirche berichten.

Was heißt das denn heute überhaupt: Mission?
Dieckmann-Nardmann: Für mich heißt Mission, das Evangelium leben, da, wo ich bin. Es ist gelebte Nächstenliebe, mit den Seligpreisungen als Richtschnur. Und es geht darum, auf Nachfrage hin zu sagen, woran ich mich orientiere, was mir wichtig ist. Das Ziel ist: Leben in Freude und Fülle für jeden Menschen. Das Leben als Geschenk annehmen, meine Fähigkeiten und Möglichkeiten erkennen. Und mich für die Menschen – besonders die Benachteiligten – einsetzen. Es heißt auch, aufzustehen, sich solidarisch zu erklären und sich mit ihnen zu zeigen.

Dass Mission keine Einbahnstraße ist und Europa in vielerlei Hinsicht selbst ein Missionskontinent, ist eine Tatsache. Was können wir von den sogenannten jungen Kirchen und Ländern des Südens lernen?
Dieckmann-Nardmann: Bei den Besuchen in verschiedenen Ländern Afrikas und in Indonesien in Asien ist mir aufgefallen, wie selbstverständlich es für die Menschen dort ist, Gott ins Spiel, ins Wort zu bringen. Gott gehört selbstverständlich zum Leben dazu. Ein Besuch bei den Witwen in Ruanda beginnt mit einem Gebet, einem Dankgebet. Dann folgen eine Situationsbeschreibung, der Tanz und das Gebet zum Abschluss. Mich haben die kleinen christlichen Gemeinschaften beeindruckt, die in den Außenstationen der Gemeinden sind und die Lebensbereiche und -phasen der Menschen begleiten. Selbstverständlich und selbstverantwortlich wirken dort Laien in den Kirchen mit, häufiger als bei uns. Laien sind für die Jugend, die Familie, die Caritas verantwortlich. Der Priester kommt nach Wochen hinzu, sie feiern die Eucharistie und tauschen sich aus. Ohne Beteiligung der Laien geht es nicht. In Deutschland, in den Gemeinden, stelle ich teilweise eine große Unsicherheit bei den Laien fest. Eine abwartende Haltung, ob sie alles richtig machen, ob es den Ansprüchen der Hauptamtlichen und Mitchristen genügt… Vielleicht gab es zu lange die „Hauptamtlichen“, die zuständig waren und sind. Ich nehme bei den Gottesdiens­ten, zum Beispiel in Afrika, ein großes Interesse an der Liturgie wahr. Ein möglichst kurzer Gottesdienst ist dort nicht gefragt. Das wäre dann eher ein Zeichen für ein nicht Ernstnehmen der Gläubigen, die sich auf den teilweise langen Weg zur Mitfeier der Messe gemacht haben. Die Predigt, der Glaube muss einen Bezug zum Alltag, zum Leben haben, sonst hat die Kirche als Verkünderin der Frohen Botschaft keine Relevanz für den Menschen – hier wie dort.

Wir haben mit Franziskus einen Papst aus Lateinamerika und in vielen Bistümern arbeiten Priester und Ordensleute aus Ländern des Südens. Liegt die Zukunft der Kirche im Süden – und werden wir dem mit unserem Missionsverständnis gerecht?
Dieckmann-Nardmann: Was heißt Zukunft der Kirche? Liegt die Zukunft der Kirche dort, wo am meisten Christen leben? Ja, dann ist es wohl in Afrika und Lateinamerika. Die lebendige Gemeinde wird bei uns bestehen bleiben, aber kleiner, vielleicht authentischer. Wo es nicht um Macht oder Belehrung geht, sondern um die Macht der Liebe, um Begleitung, Verkündigung der christlichen Hoffnung, wird die Kirche anerkannt und gefragt sein. Es gibt auch Unterschiede bei den Besucherzahlen der Gottesdiens­te in Afrika. Ich kann es nur von Ruanda sagen und dem Kongo. Das hängt davon ab, ob der Gemeindeleiter, der Priester akzeptiert wird und wie er sich den Menschen gegenüber verhält. Vielleicht lässt sich sagen: Je mehr Fortschritt, desto weniger Gottesdienstbesucher? Grundsätzlich gehört Kirche, gehört Gott in Afrika zum Leben eines Menschen. Ob hier oder dort mehr Menschen den christlichen Glauben leben, ist nicht das Entscheidende. Jedem stellt sich die Frage irgendwann: Welche Bedeutung hat Gott für mich? Zu versuchen, darauf eine Antwort zu finden, kann in der Auseinandersetzung mit einer offenen Gemeinde gelingen. Die Kirche sollte eine einladende Kirche sein und nahe bei den Menschen.

Wie kann das gelingen?
Dieckmann-Nardmann: Menschen in Kirche, in Gemeinde sollten einander wertschätzen, zuhören, Leben leben helfen und dieses in einer ansprechenden Liturgie zum Ausdruck bringen. Die Amtskirche muss die Dis­tanz zu den Menschen überwinden. Ich wünsche mir, dass Kinder, Jugendliche und Erwachsene die Chance bekommen, Kontakt zu engagierten Christen zu bekommen. Doch besonders im Kindergarten und in den Schulen fehlen sie. Es gilt, die Kirche vor Ort lebendig zu gestalten, nicht alles in weit entfernten Kirchengebäuden zu zentrieren. Und nicht alles von der Anwesenheit eines Priesters abhängig zu machen.

Der Schwerpunkt der Tätigkeit des Frauenmissionswerkes ist die Förderung und Unterstützung von Frauen. Doch ohne eine gelebte Partnerschaft der Geschlechter hat die Welt keine Zukunft. Spiegelt sich das in der Arbeit des Frauenmissionswerkes wider? Aktuell leben wir offenbar in einer Zeit, in der es nötiger ist denn je, Frauen zu fördern, Stichwort Empowerment und Gleichberechtigung.
Dieckmann-Nardmann: Mädchen und Frauen müssen unbedingt gestärkt und über ihre Rechte aufgeklärt werden. Wertvoll ist es, das christliche Menschenbild – Mann und Frau als Abbild, als Ebenbild Gottes – in seiner Eindeutigkeit kennenzulernen. Witwen haben zum Beispiel in den verschiedenen Kulturkreisen teilweise keine Rechte. Wir haben Witwen aus Ruanda zum Katholikentag eingeladen. Es war uns nicht bewusst, wie wichtig dieses für die vielen Tausend anderen Witwen Ruandas war, die nicht mitfliegen konnten. Es war ein wirksames Zeichen, drei Witwen dieses zu ermöglichen, um das Ansehen der Witwen allgemein zu steigern.

In vielen Gesellschaften sind es doch gerade die Frauen, die das familiäre und soziale Leben – und auch das Leben in der Kirchengemeinde – prägen, vorantreiben und lebendig halten. Warum ist es für sie oft trotzdem so schwer? Und was lässt sich dagegen tun?
Dieckmann-Nardmann: Frauen werden oftmals immer noch nicht ernst genommen. Ihr Wort zählt nicht. Es hat in vielen Gesellschaften nicht den Stellenwert wie das eines Mannes. Tätig sein für Familie und das soziale Leben haben nicht die Bedeutung wie die Arbeit in der Bank, in der Autobranche bei uns. Diese Bewertung spiegelt sich auch deutlich in der Bezahlung wieder. Mädchen und Frauen werden in vielen Gesellschaften durch die Erziehung nach wie vor auf die Rolle als Mutter und Hausfrau, Ehefrau reduziert. Sie sprechen teilweise leise oder gar nicht in Anwesenheit von Männern. Dass das mit dem christlichen Menschenbild nicht übereinstimmt, muss deutlich gesagt werden. Unsere Projekte werden mit den Pries­tern und Bischöfen abgestimmt. Bei einer guten Zusammenarbeit mit ihnen kann in Gesprächen die Möglichkeit aufgezeigt werden, dass die Priester dieses Problem der Ungleichheit in einer Predigt thematisieren. Wichtig ist es, wenn ein Frauenprojekt auch die Familie betrifft, die Männer mit ins Boot zu nehmen, deren eigene Vorteile durch ein Projekt aufzuzeigen. Hilfreich ist es, wenn diese Projekte zum Beispiel in Anwesenheit der Priester und des Bischofs – selber ja auch Männer – vorgestellt werden, ihre Bedeutung dargelegt und durch die Anwesenheit dieser Personen unterstrichen wird. Ich erinnere mich an ein Projekt für Frauen in Indonesien, das die Stärkung des Selbstbewusstseins der Frau zum Ziel hatte. Die Nonne, die das Projekt initiiert hatte, lud erst die Frauen zu sich ein, nachdem die jeweilige Schwiegermutter und der Ehemann dem zugestimmt hatten. Ansonsten war es, wie ich von anderen Frauenprojekten weiß, für die Frau in vielen Fällen sehr schwer, das Haus zu verlassen. Sie wurde geschlagen und an der Teilnahme gehindert. Weil sie als vermeintlich letztes Glied in der Gesellschaftskette durch das Projekt plötzlich eine Sonderstellung einnahm, was der Mann nicht ertrug… Erst als der Mann erkannte, auch er hat etwas davon, wenn die Frau neue Kenntnisse durch das Projekt erlangt, ließ er die Frau gehen, durfte sie teilnehmen. Es ist unerträglich für mich, wahrzunehmen, dass die Frau nicht frei entscheiden kann, ob sie teilnehmen möchte, sondern von der Zustimmung des Mannes abhängig ist. Die Nonne beteiligte die Männer dann am Bau des Treffpunktes für die Frauen. Empowerment und Gleichberechtigung bleiben weiterhin wichtige Themen, besonders auf dem Land, wo die Menschen noch stark nach den Sitten und Gebräuchen ihrer Kulturen leben. Für Mädchen und Frauen, die die Schule besucht und studiert haben, ist es heute selbstverständlich zu arbeiten, wenn genügend Jobs zur Verfügung stehen. Die Situation der Frau wandelt sich durch Bildung und Schulbildung – darum sind diese so wichtig.

Wie ist es aus Ihrer Sicht um die Solidarität unter den Menschen bestellt?
Dieckmann-Nardmann: Die Frage ist nicht einfach und pauschal zu beantworten. Mir begegnet beides: Zum einen sind Zeichen der Solidarität durchaus wahrnehmbar, zum anderen aber ein Desinteresse am Leben anderer. Es überwiegt wohl eher eine Reserviertheit, und die Begründung, „Ich mache schon so viel, ich habe wenig Zeit!“ wird oft als Argument vorgebracht. Ich erlebe eine kritische Grundhaltung gegenüber Anfragen. Es wird alles sehr stark hinterfragt. bis ein Handeln nicht mehr sinnvoll und nötig ist. Im größeren Kontext ist Solidarität vielleicht nicht so einfach wie im kleinen Familienkreis und im Freundeskreis oder in der Nachbarschaft. Im Letzteren begegnet mir oft und selbstverständlich ein solidarisches Handeln. Es wird aber heute ein großes Zeitproblem beklagt, das Solidarität nicht erlaubt. Ein selbstverständliches Ja zu einer Hilfsaktion ist nicht so einfach zu erhalten, wie es vielleicht mal war, es gibt zu viele „Aber“. Vielleicht ist es bei den Jüngeren leichter als bei den eher skeptischen Älteren? Ich bin aber auch immer wieder beeindruckt, auf welch große Resonanz die Spendenaktionen im Fernsehen stoßen – also Solidarität mit Bedürftigen durch finanzielle Unterstützung.

Was sind aktuell die drei größten Herausforderungen für Ihre Arbeit?
Dieckmann-Nardmann: Die drei größten Herausforderungen für das Wirken des Frauenmissionswerkes sind die Finanzierung der Sachkosten und die der Besetzung der Zentrale mit drei Stellen für die Bereiche Sekretariat, Projekt- und Öffentlichkeitsarbeit. Dazu die Gewinnung von engagierten, für das Anliegen brennenden Frauen und die Solidarität von Frauenverbänden und –organisationen, die Mädchen und Frauen weltweit fördern, um gemeinsam stärker die Stimme für Stimmlose – Mädchen und Frauen – zu erheben.

Welche spezifisch weiblichen Qualitäten bringen Frauen denn in die Missionsarbeit ein?
Dieckmann-Nardmann: Frauen verfügen über ein gutes Einfühlungsvermögen, ein feines Gespür. Das genaue Hinhören und Hinsehen ist hilfreich, wie auch die Empathie, die sie Menschen entgegenbringen, das Vermögen des Aushaltens und langen Atems. Sie sind kommunikativ und kreativ, finden leicht Zugang zu verschiedenen Personenkreisen. Frauen sind eher Verbindende als Ausschließende. Sie sind das Leben Schützende, Lebensträgerin, gute Brückenbauerinnen, Netzwerkerinnen. Sie zeichnen sich durch Entschlussfreudigkeit aus, durch einen guten Blick für das Kleine und Unscheinbare.

Mission ist ein Auftrag für alle Christen, wir alle sind „ad gentes – zu den Völkern“ gesandt. Trotz aller Aufbrüche haben viele Christen dennoch den Eindruck, die Kirche pflegt in weiten Teilen weiter ihre Wagenburgmentalität. Wie lässt sich Jesu Auftrag „Geht hinaus in alle Welt und verkündet das Evangelium der ganzen Schöpfung“ heute zeitgemäß umsetzen? Und wie lassen sich auch junge Menschen dafür begeistern?
Dieckmann-Nardmann: Indem die Gemeinschaft der Gläubigen ihre Fenster und Türen öffnet. Indem sie einlädt, die Menschen vor Ort anspricht, sie besucht, ansprechende Angebote macht und Gastfreundschaft pflegt. Indem sie das christliche Attribut lebt, authentisch ist, den Menschen beisteht. „Werde, was du isst“, lebendiges Brot. Wünschenswert wäre eine lebendige christliche Gemeinschaft, nicht grau und verstaubt, die mit den Menschen lebt, ihnen beisteht, die christliche Hoffnung lebt. Sie kann mit den Menschen zu bestimmten Anlässen Gottesdienste und Segensfeiern gestalten sowie Gesprächsräume in guter Atmosphäre schaffen. In dieser Gemeinde werden junge Menschen ernst genommen, ihnen wird zugehört, ihre Ideen finden Umsetzung – da gibt es keine „klugen Sprüche“, die sprachlos und tatenlos machen.

Interview: Hildegard Mathies

Nuntius Eterović feiert die Festmesse

Sein 125-jähriges Jubiläum feiert das Päpst­liche Missionswerk der Frauen – Frauenmissionswerk – am nächsten Sonn­tag, 9. September, in der Citykirche in Koblenz, Jesuitenplatz 4. Interessierte sind zur Mitfeier eingeladen. Den Jubiläumsgottesdienst um 11 Uhr feiert als Hauptzelebrant der Apostolische Nuntius in Deutschland, Dr. Nikola Eterović. Konzelebranten sind Bischof Jean Pierre Kwambamba Masi aus dem Bistum Kenge in der Demokratischen Republik Kongo, Pater Michael Heinz, Hauptgeschäfts­führer der Bischöflichen Aktion Adveniat mit Sitz in Essen, Pater Hans-Michael Hürter von den Afrikamissionaren/Weiße Väter und Frater Jean Paul Rutakisha aus Ruanda sowie weitere Geistliche. Nach dem Gottesdienst (etwa 12 Uhr) wird zu Empfang und Im­biss eingeladen. Ab 13 Uhr folgen Grußworte und Ehrungen. Um 14.45 Uhr wird das Projekt „Liberata Ayingeneye“ von Laetitia Umulisa und Frater Jean Paul Rutakisha vorgestellt.

Um 15.45 Uhr findet ein Podiumsgespräch statt zum Thema: „Die Kirche ist weiblich“. Auf dem Podi­um: Schwester Christeta Hess vom Orden der Armen Dienstmägde Jesu Christi, die Geistliche Beirätin des Frauenmissionswerkes, Koblenz, und Professorin Dr. Dorothea Sattler, Direktorin des Ökumenischen Instituts an der Katholisch-Theologischer Fakultät der Universität Münster. Zum Aus­klang des Jubiläumstages wird für 17 Uhr zum Taizé-Gebet in die Citykirche ein­geladen. Die musi­kalische Begleitung übernehmen die ruandische Trommel- und Tanzgruppe „Izere“ aus Kaiserslautern und der Frauenchor Koblenz-Pfaffendorf. Das Jubiläum steht unter dem Leitwort „Gebt einander Anteil am Besten was ihr habt“.

Stichwort: Frauenmissionswerk

Gegründet wurde das Werk von der Lehrerin Katharina Schynse aus Wallhause als „Verein katholischer Frauen und Jungfrauen zur Unterstützung der zentralafrikanischen Mission“. Durch ihren Bruder, Pater August Schynse, hatte die Gründerin Zugang zum Missionsauftrag und den Nöten der Weltkirche gefunden. Es ging ihr um zwei Ziele: den Dienst für die Eucharistie – durch die Spende von Pa­ramenten – und darum, Frauen aus der Sklaverei freizukaufen. 1942 wurde die Vereinigung zum Päpstlichen Werk erhoben. Heute sind die Ziele und Aufgaben des Frauenmissionswerkes noch weiter gefasst: Es geht um Hilfe zur Selbsthilfe, von Frauen für Mädchen und Frauen – konkret und weltweit.

Das Frauenmissionswerk setzt sich mit seiner Projektarbeit, vor allem in Afrika, Asien, Lateinamerika und Osteuropa, für Mädchen und Frauen ein, die unter Menschenrechtsverletzungen und Benachteiligungen leiden. Das Werk ver­bessert die Lebenssituation der Menschen, fördert die Bewusstseinsbildung und stärkt das Selbstbewusstsein von Mädchen und Frauen. Eine wichtige Rolle spielt die Förderung und Unterstützung von Bildung und Ausbildung. Darüber hinaus engagiert sich das Werk für die Eindämmung der Gewalt gegen Frauen. Es verwirklicht außerdem Geschlechtergerechtigkeit. Das Werk ist in elf deutschen Diözesen durch eine Diözesanleiterin vertreten; Mitglieder aus aktuell 18 Diözesen unter­stützen durch ihren Mitgliedsbeitrag das Anliegen des Frauenmissionswerkes. Die Zentrale des Päpstlichen Missionswerkes der Frauen hat seit 1908 ihren Sitz in Koblenz-Pfaffendorf.