Rekordverdächtig: 102 Ministranten zwischen 8 und 26 Jahren in Alstaden

102 Messdiener in einer Gemeinde? Was sich nach einer Fernseh-Wette anhört, wurde jetzt in Oberhausen-Alstaden gefeiert. Die Gemeinde St. Antonius begrüßte die neun Neuen. Pastor Marko Bralic hatte Grund zu großer Freude.

(Foto: Dierichs)

Als wären über 100 Ministranten nicht genug, war die Kirche auch noch voll bis auf den letzten Platz. Wie ist das möglich, wird sich mancher fragen. „So viele waren wir 2003 noch nicht“, erinnert sich Stefan Lohschelde. Mit 24 Jahren ist er der Zweitälteste in der munteren Dienerschar von St. Antonius. „Und hat einen Sonderstatus“, scherzen die Jüngeren nach der Einführung im Gottesdienst. Beim anschließenden Kaffeetrinken im Bernardushaus hinter der Backsteinkirche am Antoniusplatz erzählen sie, warum sie zu den „Minis“ wollten und wie sie es schaffen, so viele Gleichaltrige fürs Ehrenamt zu begeistern.

Pastor Bralic strahlt mir den Neuen um die Wette, als er ihnen in der Kirche die zuvor gesegneten Plaketten umhängt. Er pflegt gute Kontakte zum Nachwuchs. „Da muss man im Kindergarten anfangen“, betont er. Wichtig: Schon die Kleinsten sollen keine Angst vor dem Pastor haben. Bei Besuchen in den beiden Kitas bringt der gebürtige Kroate seine Gitarre mit, spielt und singt mit den Mädchen und Jungen. „Später sehe ich sie in der Grundschule wieder, dann zur Kommunion.“ Dass sie Messdiener werden möchten, wüssten viele Kinder da bereits.

Nicht nur Dienst in der Kirche

Bralic kann das gut nachvollziehen und war selbst Messdiener. „In Kroatien dürfen schon jüngere Kinder am Altar helfen. Eine Ausbildung wie hier gibt es nicht!“ Früher sei er eher klein gewesen, berichtet der hochgewachsene Priester weiter. Und in einem viel zu langen Gewand als jüngster Ministrant mehrfach beim Dienst gestolpert. „Einmal hat mich der Pastor gar nicht mehr gesehen, weil ich hinter dem Altar auf dem Boden lag. Er musste nach mir rufen.“ Die Leute in der Kirche hätten gelacht. „Das war aber nicht schlimm, beim Gottesdienst ging es ohnehin lockerer zu!“ Herzlichkeit und fröhliche Stimmung hat der Geistliche nach Alstaden importiert. Den Gläubigen gefällt es.

Die Gemeinde entstand 2007 durch Fusion der Pfarreien St. Antonius (mit St. Hildegard) und St. Peter. Heute gehört man zur Großpfarrei Herz Jesu. 2017 wurden sogar 16 Kinder nach einjährigem Unterricht und „Probezeit“ bei den Ministranten aufgenommen. „Sehr aufgeregt!“, verrät Jonas Stankewitz, sei er morgens vor der Messe gewesen. Vor der Einführung steht der Zehnjährige am Eingang zur Sakristei. Wie die anderen acht – ein Mädchen fehlt – trägt er da noch einen schwarzen Talar.

Die weißen Gewänder (Rochetts) und Kragen dürfen die Kinder erst später überziehen. „Neben dem Dienst in der Kirche finden wöchentlich Gruppenstunden, Aktionen und Monatsveranstaltungen statt. Einmal im Jahr, jeweils in den Herbstferien, geht’s auf Messdienerfahrt“, erklärt Messdie-nerleiter Lohschelder weiter. Bralic weiß den zeitlichen Aufwand, den Mädchen und Jungen für das Amt opfern, sehr zu schätzen: „Neben der Schule bleibt wenig Freizeit!“

Kommen wir zu Pleiten, Pech und Pannen. Wie geht man damit um? „Klar, Fehler passieren immer mal! Einer läutet bei der Wandlung zu früh, der andere zu schnell, zu langsam oder gar zu spät“, so Lohschelder. Was die Kleinen noch nicht dürfen, bereitet ihm keine Probleme: das Schwenken des Weihrauchfasses. „Einmal ist ein Messdiener vom Rauch umgefallen. Wir haben ihn schnell in die Sakristei gebracht!“ Locker aus dem Handgelenk müsse man das Turibulum, so der Fachausdruck für den Behälter mit dem heiligen Räucherwerk, gleichmäßig schwenken.

„Der Zusammenhalt hier ist toll!“

Nach dem Theologiestudium in Münster will der Ministrant in „Markos“ Fußstapfen treten. Denn den Geistlichen dürfen die Kinder und Jugendlichen freundschaftlich beim Vornamen nennen.
Der älteste Messdiener im grünen Oberhauser Süden ist gerade 26. Bis dahin hat Timm Biesgen (15) noch ein paar Jahre. Auch er ist am vorvergangenen Sonntag in St. Antonius begrüßt worden. „Vorher war ich schon in St. Joseph in Styrum“, sagt er und zeigt uns den frischgedruckten Messdienerausweis, scheckkartengroß mit Bistumslogo. Mit achteinhalb sei er eingestiegen. „Der Zusammenhalt hier ist toll!“, lobt er.

Ein besonderes Erlebnis seien die Fahrten im Herbst, zuletzt ging es in Extertal (Lippe). Tradition im Sommer: In den Schulferien reist der Pastor mit 22 Jugendlichen für zwei Wochen in sein Heimatdorf an der Adria. „Das Haus meiner Familie liegt direkt am Strand“. Ausflüge, Wanderungen oder Fußball – Bralic macht alles mit. „Ein cooler Typ eben“, findet Timm.

Die Hälfte sind Mädchen

Der Anteil der Mädchen in der Gemeinschaft beträgt rund 50 Prozent. Helene Serve (14) gehört zu den „alten Hasen“, hat bereits in St. Joseph ministriert. „Den einjährigen Kurs brauchte ich nicht mehr zu absolvieren.“ Die anderen hatten sich zur Vorbereitung einmal in der Woche 90 Minuten getroffen. Das Taschenlexikon mit den Fachausdrücken für den Dienst am Altar und den Kuli mit der Aufschrift „Mit Volldampf in den Tag“ hat ihr Bralic trotzdem überreicht. Auch die Bronze-Plakette an der Stoffkordel, mit den Motiven Brotvermehrung und Pfingsten. Auf die ist der zehnjährige Jonas besonders stolz.

Das Wort „Ministrant“ kommt vom lateinischen Begriff „ministrare“, was auf deutsch „dienen“ bedeutet. „Aber zu dienen heißt auch lieben!“, führt Pastor Bralic aus. Seine Augen leuchten. Am vergangenen Samstag konnte er keine 100, aber 50 Kommunionkinder begrüßen. Der Gottesdienst fand in einer Alstadener Schreinerei statt. Die meisten Mädchen und Jungen sind ihm seit Jahren bekannt, viele von den Taufen. Die finden bei ihm immer einzeln statt und nicht mit mehreren Kindern. „Das ist für die Familien schöner und sorgt für eine bessere Bindung.“ So schließt sich der Kreis, und die Zahl der Messdiener wächst weiter.

Asgard Dierichs