Katholische und evangelische Bischöfe haben sich nach den Ereignissen von Halle/Saale bestürzt geäußert und ihre Solidarität mit den Juden in Deutschland bekundet. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, erklärte: „Ich bin entsetzt und erschüttert über den feigen Anschlag“. Die Täter hätten offensichtlich gezielt die Synagoge von Halle ausgesucht, um am höchsten jüdischen Feiertag Blut zu vergießen.
„Wir stehen solidarisch an der Seite der jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger. Antisemitismus oder gar blinde Gewalt dürfen keinen Platz in unserer Gesellschaft haben“, sagte der Erzbischof von München und Freising. „Wir sind den Juden in unserem Land, unseren Schwestern und Brüdern, gerade in diesen Stunden eng im Gebet verbunden.“
Ein Bewaffneter hatte am Mittwoch nach Augenzeugenberichten die Synagoge in Halle/Saale angegriffen. Er habe vergeblich versucht, in das jüdische Gotteshaus einzudringen, in dem sich bis zu 80 Menschen aufgehalten hätten, sagte der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde in Halle, Max Privorozki, den Medien. Nach Angaben der Polizei starben bei dem Angriff am Mittag mindestens zwei Passanten; ein Tatverdächtiger wurde demnach bislang festgenommen. Die Bundesanwaltschaft übernahm die Ermittlungen. Gegenüber Medien erklärte sie, es gebe Anhaltspunkte für einen rechtsextremistischen Hintergrund. Nach Informationen des MDR geht die Polizei inzwischen davon aus, dass es sich um einen Einzeltäter handelt.
„Wir haben über die Kamera unserer Synagoge gesehen, dass ein schwer bewaffneter Täter mit Stahlhelm und Gewehr versucht hat, unsere Türen aufzuschießen“, erklärte Privorozki. „Der Mann sah aus wie von einer Spezialeinheit“, berichtete er. „Aber unsere Türen haben gehalten.“ Vor der Tür habe ein Todesopfer des Angreifers gelegen. „Wir haben die Türen von innen verbarrikadiert und auf die Polizei gewartet“, so Privorozki. Der Täter habe außerdem versucht, das Tor des danebenliegenden jüdischen Friedhofs aufzuschießen, so der Vorsitzende weiter. In der Synagoge feierte die Gemeinde zu diesem Zeitpunkt den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur.
Spitzenvertreter von Staat und Gesellschaft äußerten sich bestürzt über die Tat. „Dass am Versöhnungsfest Jom Kippur auf eine Synagoge geschossen wird, trifft uns ins Herz“, schrieb Außenminister Heiko Maas (SPD) auf Twitter. „Wir alle müssen gegen den Antisemitismus in unserem Land vorgehen.“ Die CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer sagte dem Berliner „Tagesspiegel“ (Donnerstag), der Angriff sei „ein Alarmzeichen, das niemanden in Deutschland unberührt lassen kann“.
Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Donnerstag), der Vorfall zeige, wie wichtig die Sicherheitsmaßnahmen für jüdische Einrichtungen in Deutschland seien. Er betonte, Staat und Gesellschaft müssten „den jüdischen Gemeinden jetzt durch entschlossenes Handeln Solidarität demonstrieren. Es muss klar sein: Das ist ein Anschlag auf uns alle. Und das jüdische Leben gehört zu Deutschland.“
Der Exekutiv-Vizepräsident des Internationalen Auschwitz Komitees, Christoph Heubner, erklärte: „Dass am höchsten Feiertag des Judentums in Deutschland ein Anschlag gegenüber jüdischen Menschen erfolgen kann, ist für Überlebende ein tiefer Schmerz, der sie an die dunkelsten und mörderischten Zeiten des Antisemitismus in Deutschland erinnert.“ Das Auschwitz Komitee erwarte „umgehende Maßnahmen eines wehrhaften Staates, der vor allem die Bewaffnung der rechtsextremen Szene in den Blick nehmen muss“.
UN-Generalsekretär Antonio Guterres äußerte sich ebenfalls zu der Tat. Er bewerte den Vorfall als „eine weitere tragische Demonstration von Antisemitismus“, teilte ein UN-Sprecher am Mittwoch in New York mit. Den Familien der Opfer, der deutschen Regierung und den Menschen in Deutschland sprach Guterres sein „tiefstes Beileid“ aus.
Auch der Berliner katholische Erzbischof Heiner Koch äußerte sich über den Kurznachrichtendienst Twitter: „Es lässt mich verzweifeln, dass immer noch Juden bei uns nicht in Frieden und ohne Angst leben können. Ich stehe an der Seite unserer jüdischen Nachbarn und trauere mit ihnen.“ Darüber hinaus schrieb Koch: „Wir werden nicht zulassen, dass Hass gleich welcher Art, insbesondere aber der Hass auf das Judentum, sein Ziel erreicht, unsere Gesellschaft zu spalten!“
Auch der katholische Magdeburger Bischof Gerhard Feige und der evangelische mitteldeutsche Landesbischof Friedrich Kramer äußerten ihre Erschütterung. Der aus Halle stammende Feige nannte es „eine menschliche Katastrophe, dass Juden in Deutschland nicht in Frieden leben und den Versöhnungstag Jom Kippur feiern können“. Er äußerte die Hoffnung, „dass diese abscheuliche Tat konsequent aufgeklärt wird“. Kramer nannte die Tat „abscheulich und unerträglich“. Alle Menschen guten und friedlichen Willens seien aufgerufen, „einem Klima des Hasses und jeglicher Gewalt entgegenzutreten“, so der evangelische Bischof.