Kürzungen von Hartz-IV-Leistungen um 60 oder sogar 100 Prozent sind mit dem Grundgesetz nicht vereinbar. Um maximal 30 Prozent können Leistungen des SGB II weiterhin gekürzt werden, wenn ein über 25-jähriger Langzeitarbeitsloser die Mitwirkung bei der Jobsuche verweigert. Zu diesem Urteil kam der große Senat des Bundesverfassungsgerichts am Dienstag, 5. November, in Karlsruhe.
Der Caritasverband im Bistum Essen begrüßt die Zielrichtung des lange erwarteten Urteils. „Hartz IV ist das Minimum“, sagt Diözesan-Caritasdirektorin Sabine Depew in Essen, „statt Leistungsempfänger und ihre Familien unangemessen hart zu sanktionieren, indem man ihnen das Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen Leben verwehrt, sollte entschiedener in die Qualität der Beratung und Vermittlung investiert werden.“
Die Rechte und Pflichten der Leistungsberechtigten und die Pflichten des Staates müssten in ein angemessenes und faires Verhältnis gesetzt werden, so Depew: „Außerdem müssen dringend auch die wesentlich strengeren Sanktionsmöglichkeiten für Jugendliche im Blick auf ein menschenwürdiges Existenzminimum überprüft werden, die allerdings nicht Gegenstand des aktuellen gerichtlichen Verfahrens waren.“
Das höchste deutsche Gericht hatte Mitte Januar in einer mündlichen Verhandlung geprüft, ob Hartz IV-Leistungen zunächst um 30 Prozent, dann um 60 Prozent und schließlich ganz gekürzt werden können, wenn Leistungsberechtigte ihre Mitwirkungspflichten bei der Arbeitsmarktintegration verletzen, also eine Weiterbildung abbrechen oder ein Jobangebot ablehnen. Das Gericht hatte zu klären, ob die Betonung der Eigenverantwortung des Einzelnen für die Arbeitssuche in Form der Sanktionsregelungen des SGB II mit dem Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums vereinbar ist. Derzeit erhält ein Alleinstehender 424 Euro (ab 1. Januar 432 Euro) an Hartz-IV-Leistungen monatlich.