Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, fordert „empfindliche und schnelle Folgen“ für Personen, die sich antisemitisch betätigen.
Frankfurt – Der Antisemitismus-Beauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, fordert „empfindliche und schnelle Folgen“ für Personen, die sich antisemitisch betätigen. „Die Staatsanwaltschaft und die Polizei müssen in die Lage versetzt werden, Antisemitismus schnell und besser zu erkennen und zu ahnden“, sagte er im Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag). Zudem brauche man einen „europäischen Standard“ für die Identifizierung und Bestrafung von Antisemitismus.
Es sei „entsetzlich, wie offensichtlich hier Juden in Deutschland für Handlungen der israelischen Regierung verantwortlich gemacht werden, an denen sie ganz und gar unbeteiligt sind. Solidarität mit Palästinensern oder Kritik an der israelischen Regierung sind keine Rechtfertigung für Gewalt“, sagte Klein.
Man habe viel erreicht, um Menschen jüdischen Glaubens in Deutschland besser zu schützen. Nun komme es „darauf an, den Schutz jüdischer Einrichtungen während der angespannten Lage in Nahost hierzulande adäquat anzupassen. Zudem ist es wichtig, mutmaßliche antisemitische Straftäter schnell vor Gericht zu bringen.“
Polizei und Justiz seien „besser vorbereitet als noch vor einigen Jahren“, um mit antisemitischen Straftaten umzugehen. „Das Verbrennen von Staatsflaggen steht unter Strafe. Antisemitische Tatmotive können sich nun ausdrücklich strafverschärfend auswirken.“
Er sei dabei, eine nationale Strategie für den Kampf gegen Antisemitismus vorzulegen, sagte Klein. Er bereite dazu gerade „eine Anhörung der Zivilgesellschaft“ vor. Die Strategie setze auf Repression und Prävention und müsse von der kommenden Bundesregierung umgesetzt werden.
Kriminalbeamte fordern Überwachung antisemitischer Gruppen
Angesichts antisemitischer Vorfälle bei pro-palästinensischen Demonstrationen in Deutschland hat der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) eine stärkere Überwachung der Szene durch Polizei und Verfassungsschutz gefordert. „Entscheidend ist: Die deutschen Sicherheitsbehörden müssen ein noch genaueres Bild vom Gefahrenpotenzial gewaltbereiter antisemitischer Gruppen bekommen“, sagte der Vorsitzende Sebastian Fiedler den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag).
Fälle wie in Gelsenkirchen zeigten, „dass die Polizei vor Ort von der Militanz und der Anzahl der Teilnehmer überrascht war“. Fiedler hob hervor: „Da hilft nur eine Stärkung der Nachrichtendienste und eine ad-hoc-Schwerpunktsetzung beim Polizeilichen Staatsschutz. Die Sicherheitsbehörden müssen angesichts der Eskalation in Nahost die Szenen in Deutschland genauer ins Visier nehmen.“
Zugleich zeigte sich der Chef der Kripo-Gewerkschaft skeptisch gegenüber härteren Strafen bei Fällen von Antisemitismus auf Protestmärschen. „Wir erleben derzeit eine Mobilisierung der pro-palästinensischen und anti-israelischer Gruppen, die Einsatzkräfte vor Ort vor eine enorme Belastung stellen. Höhere Strafen etwa gegen antisemitische Parolen sind nur sinnvoll, wenn die Beamten vor Ort die Straftäter auch stellen können“, sagte Fiedler. „Das gelingt aber in Tumulten und Ausschreitungen auf Protestmärschen leider noch zu selten. Zudem wurde das Strafrecht gerade erst angepasst.“
Schäuble fordert harte Strafen für antisemitische Gewalttäter
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) zeigt sich entsetzt über antisemitische Ausschreitungen bei pro-palästinensischen Demonstrationen am Wochenende und verlangt harte Strafen. Der „Bild“ (Montag) sagte Schäuble: „Die Bilder sind unerträglich.“ Der Konflikt werde nicht in Deutschland gelöst „und wir lassen nicht zu, ihn hier auszutragen – auf Kosten jüdischer Deutscher“.
Der Staat schütze das Recht auf Meinungsfreiheit, „und natürlich darf man die Politik Israels scharf kritisieren und dagegen laut protestieren – aber für Antisemitismus, Hass und Gewalt gibt es keine Begründung“, sagte er. Deshalb brauche es „die ganze rechtsstaatliche Härte gegen Gewalttäter, und es braucht den größtmöglichen Schutz für die jüdischen Gemeinden und Einrichtungen.“
Dennoch seien nicht nur die Gewalttäter für den Antisemitismus auf den Demonstrationen verantwortlich: „Wer sich in seinem Protest nicht eindeutig davon abgrenzt, wenn das Existenzrecht Israels angegriffen wird, macht sich mitschuldig“, sagte Schäuble. Der Bundestagspräsident forderte zugleich mehr Anstrengungen in der Integrationsarbeit. Deutschland müsse muslimischen Migranten klarmachen, sie seien „in ein Land eingewandert, in dem die besondere Verantwortung für Israel Teil unseres Selbstverständnisses ist“.
Gregor Gysi verurteilt Antisemitismus bei Protesten
Der außenpolitische Sprecher der Linken-Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, verurteilt Antisemitismus bei propalästinensischen Protesten am Wochenende. „Wer antisemitische Sprüche ruft oder Israelflaggen anzündet, ist nicht links und kämpft nicht für die Zweistaatenlösung, sondern verhindert sie eher“, sagte Gysi im „Spiegel“-Interview. Er habe zwar Verständnis für Demonstrationen, bei denen Menschen sagen, sie seien es leid und wollten endlich ihren eigenen Staat, aber: „Steine auf Synagogen zu werfen, ist inakzeptabel.“
Weiter sagte Gysi: „Wir haben auch ein Problem mit islamischem Antisemitismus in Deutschland. Was ich immer den Vernünftigen sage, sie müssen schärfer dagegen protestieren, dass ihre Religion missbraucht wird.“ Die Islamisten seien ein „wachsendes Problem“, wofür es aber auch Gründe gebe, die in der Politik der westlichen Staaten liege.
Gysi bekräftigte die Forderung der Linken, dass Deutschland an kein Land Waffen verkaufen sollte, auch nicht an Israel. „Deutschland sollte im Nahostkonflikt endlich eine Vermittlerrolle übernehmen. Das wäre auch die angemessenere Schlussfolgerung aus der deutschen Geschichte.“
Er verurteilt die Angriffe der Hamas, sagt aber, auch Israel begehe Völkerrechtsbruch, wenn ein Bürogebäude mit internationalen Journalisten und Familien bombardiert werde. Die Erklärung der israelischen Armee, in dem Gebäude befänden sich militärische Ressourcen, sieht Gysi kritisch, auch wenn Israel zuvor die Menschen in dem Gebäude gewarnt hat: „Die Bombardierung eines solchen Bürogebäudes ist trotzdem nicht akzeptabel, und man kann auch bezweifeln, dass bei internationalen Journalisten militärische Ressourcen der Hamas lagern“, so Gysi.
Israelischer Botschafter besorgt über judenfeindliche Proteste
Der israelische Botschafter in Deutschland, Jeremy Issacharoff, hat sich tief besorgt über antisemitische Kundgebungen und judenfeindliche Proteste in vielen deutschen Städten Tage geäußert. Issacharoff sagte am Sonntagabend im „Bild“-Politiktalk „Die richtigen Fragen: „Es ist verstörend, diese Bilder zu sehen.“ Er verwies darauf, dass dabei „auch unglaubliche antisemitische Äußerungen gebrüllt wurden“.
Der Botschafter berichtete, dass er darüber mit Verantwortlichen für die Sicherheit auf deutscher Seite gesprochen habe und dass man ihm versichert habe, dass man „alles tun werde, solche Demonstrationen zu unterbinden, bei denen zum Beispiel israelische Flaggen verbrennt werden“. Der Botschafter fügte hinzu: „Ich nehme sie beim Wort.“ Er ließ zugleich Zweifel erkennen, ob solche Vorfälle in jedem Fall verhindert werden können.
Der Botschafter lobte zugleich die klare Haltung der politischen Führung in Deutschland. Seit Beginn der Raketenangriffe der Hamas „haben wir ganz außergewöhnliche Botschaften der Unterstützung von Politikern in Deutschland bekommen“. Namentlich erwähnte er Bundeskanzlerin Angela Merkel, Außenminister Heiko Maas, Innenminister Horst Seehofer sowie die drei Kanzlerkandidaten Armin Laschet, Annalena Baerbock und Olaf Scholz. Außerdem habe es auch Solidaritäts-Demonstrationen für Israel in Frankfurt oder Leipzig gegeben.
Unterdessen machte der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan mitverantwortlich für die antisemitischen Proteste und Straftaten in Deutschland. „Was wir jetzt erleben, sind ganz überwiegend nicht Rechtsextremisten, sondern es sind ganz überwiegend Menschen mit muslimischem Hintergrund, die aufgestachelt zum Teil auch von brutalen Reden von Präsident Erdogan in der Türkei und anderen meinen, diese Auseinandersetzungen jetzt auf deutschen Straßen austragen zu müssen“, sagte er der „Bild“.
Man dürfe nicht zulassen, dass in Deutschland Menschen „mit fanatischer Intoleranz unterwegs“ seien. „Wir müssen auch einfordern: Wer auf Dauer in unserem Land leben will, der muss die Grundsätze von Meinungsfreiheit, von Religionsfreiheit, von Toleranz gegenüber Andersdenkenden auch leben. Wer sich derart intolerant aufführt, dem müssen die Grenzen aufgezeigt werden.“
Gelsenkirchen: Polizei stoppt antisemitischen Marsch zur Synagoge