Historikerin: Lange nicht alles bekannt zu Schönstatt-Gründer Kentenich

Das Bistum Trier setzt in Absprache mit dem Vatikan das 1975 eröffnete Verfahren zur Seligsprechung von Pater Josef Kentenich (1885-1968) aus. Im Interview sagt die Historikerin Alexandra von Teuffenbach, warum ihr dieser Schritt nicht weit genug geht.
Das Bistum Trier setzt in Absprache mit dem Vatikan das 1975 eröffnete Verfahren zur Seligsprechung von Pater Josef Kentenich (1885-1968) aus. Im Interview sagt die Historikerin Alexandra von Teuffenbach, warum ihr dieser Schritt nicht weit genug geht.

Blick auf das Schönstatt-Heiligtum in Belmonte, Rom –Foto: fischernetz/pixelio.de

Im Sommer 2020 hat die Historikerin Alexandra von Teuffenbach eine Debatte über den bis heute populären Pater Josef Kentenich (1885-1968) angestoßen: In ihrem Buch „Vater darf das!“ wirft sie dem Gründer der weltweiten Schönstatt-Bewegung systematische Manipulation, Machtmissbrauch sowie sexuelle Übergriffe vor und stützt sich dabei auf umfangreiches Archivmaterial. Nun hat der Trierer Bischof Stephan Ackermann in Absprache mit dem Vatikan das Seligsprechungsverfahren ausgesetzt. Im Interview sagt von Teuffenbach, warum ihr dieser Schritt nicht weit genug geht.

Frau von Teuffenbach, wie beurteilen Sie die neue Entscheidung aus Trier?

Von Teuffenbach: Sie ist eine natürliche Folge der Entwicklung in den vergangenen Monaten. Die von mir veröffentlichten Akten, hauptsächlich aus den Archiven der Pallottiner in Limburg, weisen Pater Kentenich als jemanden aus, den man nicht seligsprechen kann.

Das Verfahren wurde allerdings nur ausgesetzt, nicht endgültig verworfen.

Von Teuffenbach: Es erstaunt mich, das nach fast zwei Jahren zu lesen. Das Heilige Offizium der 1950er Jahre hat meines Erachtens in Sachen Missbrauch und Schutz der betroffenen Marienschwestern effektiver reagiert. Damals dauerte es nur ein paar Monate und Kentenich bekam die kanonischen Strafen für seine schweren Verstöße gegen das Kirchenrecht. Bischof Ackermann hätte das Seligsprechungsverfahren bereits 2020 aussetzen müssen. Obendrein wäre es jetzt an der Zeit, ein endgültiges Ergebnis zu präsentieren.

Sie haben die neue Debatte durch Ihre Forschungsarbeit maßgeblich ins Rollen gebracht. In der Folge gab es zahlreiche Zusicherungen, den Vorwürfen nachgehen zu wollen. Ist das Bistum Trier auf Sie zugekommen?

Von Teuffenbach: Bis heute hat von Seiten des Bistums niemand Kontakt mit mir aufgenommen. Dabei wäre ich gerne bereit gewesen, Rede und Antwort zu stehen. Aus der Schönstatt-Gemeinschaft gab es vor allem aus Lateinamerika viele Rückmeldungen von Einzelpersonen, die mich um eine persönliche Einschätzung baten. Das Schönstatt-Präsidium ist indes nicht auf mich zugekommen. Und die Schönstätter Marienschwestern haben ein gerichtliches Unterlassungsverfahren gegen mich angestrengt. Das sind die verschiedenen Formen, wie man auf meine Publikation reagiert hat.

Das zuständige Gericht in Berlin hat den Unterlassungsantrag im vergangenen Herbst zurückgewiesen. Ihr Buch, dessen wissenschaftlicher Charakter bestätigt wurde, darf weiter ungekürzt erscheinen. Ist diese Entscheidung inzwischen rechtskräftig?

Von Teuffenbach: Ja, die Marienschwestern haben keine Berufung eingelegt. Damit gelten etwa die Begriffe „Täter“ und „Opfer“ in Bezug auf Kentenich und die missbrauchten Schwestern als zulässig. Zudem hat das Gericht festgestellt, dass keinerlei postmortale Persönlichkeitsrechte verletzt wurden. Die Dinge, die ich geschrieben habe, kann ich mit Recht behaupten. Auch den Ausdruck „sexuell-körperlicher Missbrauch“ darf ich in dem Zusammenhang verwenden.

Bischof Ackermann regt eine „weitere freie Forschung“ zur Causa Kentenich an. Wird es von Ihnen noch zusätzliche Beiträge geben?

Von Teuffenbach: Von „freier Forschung“ kann schwerlich die Rede sein, wenn einem für eine wissenschaftliche Dokumentation ein Prozess an den Hals gehängt wird. Ich bin dennoch dabei, in aller Ruhe ein weiteres Buch zu schreiben, das besonders auf Kentenichs Exil in Milwaukee eingehen wird. Es ist noch lange nicht alles bekannt. Eines kann man schon sagen: Er hat alle kirchenrechtlichen Strafen ignoriert, die ihm auferlegt wurden.

Wie groß schätzen Sie die Chance ein, dass er am Ende doch noch seliggesprochen wird?

Von Teuffenbach: In diese Falle sollte die Kirche nicht tappen. Meiner Meinung nach ist klar, dass er keine im katholischen Sinne verehrungswürdige Person ist. Die Mängel sind zu gravierend und dürfen nicht verschwiegen werden. Als Historikerin und Katholikin ist es meine Pflicht, darauf aufmerksam zu machen. Zweifellos hat er etwas Großes auf die Beine gestellt, aber das gilt auch für den Apple-Gründer Steve Jobs. Den würde ich ebenso wenig seligsprechen.

Von Alexander Pitz (KNA)