Isoliert und in Opposition zum Papst: 25 Jahre Erzbistum Vaduz

Johannes Paul II. schuf vor 25 Jahren ein Provisorium, das schon ein Vierteljahrhundert hält. Und wenn es nach der Vorstellung von Erzbischof Wolfgang Haas geht, dann wird es auch künftig weiterbestehen: das Erzbistum Vaduz.
Johannes Paul II. schuf vor 25 Jahren ein Provisorium, das schon ein Vierteljahrhundert hält. Und wenn es nach der Vorstellung von Erzbischof Wolfgang Haas geht, dann wird es auch künftig weiterbestehen: das Erzbistum Vaduz.

Die Kathedrale St. Florin in Lichtensteins Hauptstadt Vaduz. –Foto: © Leonid Andronov | Dreamstime.com

 

Er ist der letzte der kontroversen Bischofsernennungen der 80er Jahre im deutschen Sprachraum. Die Kardinäle Groer (Wien), Meisner (Köln), die Bischöfe Krenn (Sankt Pölten) und Haas (Chur) regierten Diözesen in Unfrieden.

Wer je ein Haus gebaut hat, weiß: Nichts hält länger als Provisorien. Johannes Paul II. (1978-2005), Heiliger und als „Pontifex“ oberster Brückenbauer der katholischen Kirche, schuf vor 25 Jahren ein Provisorium, das schon ein Vierteljahrhundert hält. Und wenn es nach der Vorstellung von Erzbischof Wolfgang Haas geht, dann wird es auch künftig weiterbestehen.

In seinem Priesterrat nannte er das im Sommer als sicheres Szenario. Alles werde in Liechtenstein so weiterlaufen wie bisher, auch wenn er dem Papst im August 2023 zum 75. Geburtstag seinen Amtsverzicht anbiete. Vor wenigen Tagen schob Haas dann einen eher süffisant wirkenden Hirtenbrief nach, in dem er alles, was geschehen wird, unter den Schirm der Vorsehung stellt.

Am 2. Dezember 1997, vor 25 Jahren, erhielt das kleine Alpen-Fürstentum Liechtenstein, mit weniger als 40.000 Einwohnern zwischen Österreich und der Schweiz gelegen, ein eigenes Erzbistum Vaduz, das vom Schweizer Bistum Chur abgetrennt wurde. Warum? Vor allem brauchte es eine neue Verwendung für den damaligen Churer Bischof Haas, der mit seiner äußerst konservativen Amtsführung und seinem Kommunikationsstil dort nicht mehr zu halten war.

Haas ist der letzte Überlebende aus einer Riege sehr kontroverser und entschieden konservativer Bischofsernennungen der späten 80er Jahre im deutschen Sprachraum unter Papst Johannes Paul II. (1978-2005). Die Kardinäle Hans Hermann Groer (Wien) und Joachim Meisner (Köln), die Bischöfe Kurt Krenn (Sankt Pölten) und Haas (Chur) regierten Diözesen in Unfrieden. Einer (Groer) stolperte über eigenen Missbrauch Minderjähriger, ein anderer (Krenn) über einen Sex-Skandal in seinem Priesterseminar.

Haas war in Chur vom Vatikan direkt ernannt worden. Auf Bitten des damaligen Churer Bischofs Johannes Vonderach wurde er im März 1988 vom Papst zum Koadjutor (Helfer des Bischofs) mit Nachfolgerecht ernannt. Damit wurde das Recht des Domkapitels auf freie Bischofswahl umgangen; eine Möglichkeit, die das Kirchenrecht freilich vorsieht.

In Chur stieß Haas durch seinen Kurs und seine Personalentscheidungen auf erbitterten Widerspruch bei den an Mitbestimmung gewöhnten Katholiken. Nach Jahren vieler Unruhe und Konflikte fand der Vatikan 1997 schließlich eine Lösung für die Churer Querelen: Das rund 160 Quadratkilometer kleine Fürstentum Liechtenstein, seit 1806 staatlich souverän, aber kirchenrechtlich von alters her zum Schweizer Bistum Chur gehörig, wurde zur selbstständigen Erzdiözese mit Bischofssitz in der Hauptstadt Vaduz erhoben, Haas‘ Heimatstadt.

Die Nachricht sorgte damals bei vielen Liechtensteinern für Empörung. Sie drohten mit einer Kirchenbesetzung und einer Störung der Amtseinführung. Die Regierung, fast der gesamte Landtag und der Kirchenchor boykottierten die Feier. Fürst Hans Adam II. dagegen stellte sich hinter Haas und das neue Erzbistum.

Auch das folgende Vierteljahrhundert im katholisch geprägten Liechtenstein blieb keineswegs frei von Reibungen. Der Theologe Günther Boss spricht von einem Erzbistum mit nur zehn Pfarreien, das „in dieser Kleinheit absurd“ sei. Nicht nur die Gläubigen seien „komplett isoliert“; auch Wolfgang Haas habe sich zunehmend isoliert, sagte Boss im Interview des Portals kath.ch. „Niemand kommt mehr an ihn heran. Teilweise nicht mal mehr sein eigener Klerus.“

Eine Beteiligung am von Papst Franziskus ausgerufenen weltweiten synodalen Prozess lehnte Erzbischof Haas als „unnötig“ ab. In Liechtenstein, argumentiert er, könne man jederzeit miteinander sprechen. Aber, so der Theologe Boss, Haas zeige „keinerlei inhaltliches Interesse an der Meinung der Gläubigen“. Deshalb brachten Boss und sein „Verein für eine offene Kirche“ einen eigenen synodalen Weg für Liechtenstein auf den Weg, vorbei am Erzbischof.

„Es ist nicht das erste Mal, dass der Erzbischof eine Anweisung von Papst Franziskus nicht befolgt; das war schon öfter der Fall. Dass er das aber öffentlich kommuniziert hat, war neu“, berichtet Boos. „Er hat der ganzen Welt verkündet, dass er sich gegen den Papst stellt.“

Der Theologe ist überzeugt: „Es braucht eine Öffnung nach außen; eine stärkere Einbindung in eine Bischofskonferenz und eine Verbindung zu anderen Bistümern und Bischöfen.“ – Und wenn das auch nach der Ära Haas nicht geschieht? – „Dann bleiben wir weiterhin unter einer Käseglocke.“ Allerdings, so muss man auch fragen: Seit wann löst der Papst nach der Emeritierung eines Bischofs dessen Bistum auf? Dies wäre ein klares Eingeständnis Roms, wie verzweifelt damals das Haas-Problem gelöst werden musste.

Von Alexander Brüggemann (KNA)