Fußt fast auf nichts

Petrus ist impulsiv, aber nicht unbedacht. Auf Jesu Wort hin geht er los im Seesturm und auf die gefahrvolle Reise nach Rom.
Fußt fast auf nichts

Fasst Fuß auf wenig: Jugendlicher auf einer Slackline. –Foto: Zimmer

Petrus ist impulsiv, aber nicht unbedacht. Auf Jesu Wort hin geht er los im Seesturm und auf die gefahrvolle Reise nach Rom. Den rettenden Handgriff Christi wird er nie vergessen. Auf viel Festem steht der Balancierende nicht. Ein Fußbreit nur misst das Band. Und es schlackert. Ob es deswegen Slackline heißt? Mit Körperspannung und Gefühl schreitet er voran auf dem schmalen, kippeligen Grund. Es geht. Noch dünner, instabiler ist ein Seil. Da fußt man ja fast auf nichts. Kurt Marti (1921 – 2017) staunt über einen Seiltänzer. Und widmet ihm ein Gedicht.

Ein Bild für Wagnisse im Leben. Auch Petrus setzt Fuß vor Fuß in dieser Nacht. In die Wellen des Sees. Das geht doch nicht. Doch, es geht. Fuß vor Kopf. Typisch Petrus. Man hat ihn auch andernorts schon als spontan, impulsiv, mitunter unbedacht erlebt.

Aber so unbedacht ist es nicht, was er tut. Auf etwas fußt er doch. Auf dem Wort dessen, der die Fünftausend gespeist hat. „Komm!“ sagt Jesus zu ihm. Auf dieses eine Wort setzt er sein Vertrauen. Auf dem See und in seinem weiteren Leben. Das führt den Erstapostel weg vom Betrieb in der Provinz in die Gefängnisse des Reiches, in Stürme des Mittelmeeres, vor den Kaiser in Rom, mitten in die neronische Christenverfolgung, wo er sein Leben verliert.

In allen Notlagen spürt er die Hand Christi, die in der Sturmnacht den Sinkenden gepackt hat. Nicht an der nassen glitschigen Handfläche, sondern am Handgelenk. So wie man ein Kind am Bahnsteig ergreift, so packt Christus den Kleingläubigen. Der rettende Handgriff Christi wird später in Kirche und Kunst eine große Rolle spielen. Die orthodoxe Christenheit stellt diesen Griff schon seit Jahrhunderten ins Zentrum ihrer Osterbotschaft. Auf ihrer wichtigsten Osterikone. Dort packt Christus, hinabgestiegen in das Reich des Todes, mit seiner vom Nagel verwundeten Hand den Adam am Handgelenk, die Eva, weitere Sünder. Und jeden Toten, der seine Hoffnung auf Christus setzt.

Es ist unser fester Glaube, wir bekennen bei jeder Beerdigung, was der freie bekenntnisungebundene Trauerredner nicht sagen kann, dass Christus den Verstorbenen rettet, ihn packt mit seiner Hand, ihn wirklich aus dem Tod herausreißt in verklärtes neues Leben hinein. Demgegenüber ist es ein Leichtes, den Handgriff Jesu in der Sturmnacht nicht ins nur Spirituelle, ins allein Gleichnishafte abgleiten zu lassen und zu glauben, was dem Petrus dort passiert ist vor Ostern auf dem Galiläischen Meer.

Alfons Zimmer