Das internationale katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ hat eine „neue Eskalation der Verfolgung“ von Christen und anderen religiösen Gruppen beklagt.
München – Das internationale katholische Hilfswerk „Kirche in Not“ hat eine „neue Eskalation der Verfolgung“ von Christen und anderen religiösen Gruppen beklagt. Der Geschäftsführer der Organisation in Deutschland, Florian Ripka, erklärte, täglich gingen neue Schreckensmeldungen ein: Im Osten Pakistans brennten Extremisten Häuser von Christen nieder, weil einer Familie die Schändung des Korans vorgeworfen werde. Im indischen Bundesstaat Manipur seien ethnische Konflikte in eine offene Christenverfolgung ausgeartet, die seit drei Monaten anhalte.
Kaum eine Woche vergehe, in der „Kirche in Not“ nicht von Entführungen und Morden in Nigeria erfahre, heißt es. Sorgen mache sich das Hilfswerk auch um das immer drastischere Vorgehen gegen Geistliche und kirchliche Einrichtungen in Nicaragua. „Es brennt aller Orten und die Gewalt eskaliert“, so Ripka.
Nach Gewaltausbrüchen militanter Muslime gegen Christen in Pakistan haben viele Betroffene die Nächte unter freiem Himmel verbracht. Etwa 1.000 Menschen flüchteten an den Tatorten in der Provinz Punjab auf nahe gelegene Zuckerrohrfelder, da ihre Häuser bei den Ausschreitungen zerstört wurden, wie „Kirche in Not“ mitteilte. Zuhause hätten sie nur noch alles zerstört vorgefunden: „Kein Trinkglas mehr heil, nicht einmal eine intakte Glühbirne“, wie eine Kontaktperson berichtete.
Deren Informationen zufolge hat sich die Zahl der angegriffenen Kirchen verschiedener christlicher Konfessionen auf 21 erhöht. Viele davon seien in Brand gesteckt worden. „In den Kirchen ist alles zerstört. Ich kann gar nicht beschreiben, was sie mit den Statuen von Jesus und Maria gemacht haben.“ Der Partner des Hilfswerks hatte die Stadt Jaranwala besucht, in der es schwere Übergriffe gegen die christliche Minderheit gab. In den umliegenden Dörfern seien Häuser von Christen gezielt attackiert worden, obwohl sie teilweise weit entfernt voneinander lägen.
Der Vorsitzende der katholischen Bischofskonferenz Pakistans, Erzbischof Joseph Arshad, beschrieb die jüngsten Angriffe als „abscheuliche Tat, die dem Wesen des Friedens, des Respekts und der Toleranz widerspricht, die unsere Nation zu wahren versucht“. Er forderte die Regierung der Provinz Punjab auf, gegen die Verantwortlichen vorzugehen. Die Täter müssten identifiziert, gefasst und vor Gericht gestellt werden.
Bischof Bertram Meier entsetzt
Der Augsburger Bischof Bertram Meier zeigte sich über die Entwicklung entsetzt. Die Gewaltausbrüche stünden für die Dunkelheit aus Intoleranz und Hass, so Meier, der in der Deutschen Bischofskonferenz für den Bereich Weltkirche zuständig ist. Er appellierte an das Verantwortungsbewusstsein der pakistanischen Führungsschichten, Wege zu einer harmonischen Gesellschaft zu ebnen. „Mit aller Kraft müssen wir uns weiterhin für ein tolerantes Miteinander und für gegenseitigen Respekt auf allen Ebenen der Gemeinschaft einsetzen.“
Medienberichten zufolge sind Verfahren gegen rund 600 Menschen eingeleitet und weit über 100 Verdächtige festgenommen worden. Zudem sollen in der Region mehr als 3.000 Sicherheitskräfte im Einsatz sein. Die Behörden verhängten ein einwöchiges Versammlungsverbot. Die Regierung habe versprochen, so heißt es, die zerstörten Gebäude umgehend wiederaufzubauen. Im Süden Pakistans seien Menschen aus Solidarität mit den betroffenen Christen auf die Straße gegangen.
Auch in Pakistans Nachbarland Indien beklagt „Kirche in Not“ zunehmende Gewalt gegen Christen: Bei den seit drei Monaten christenfeindlichen Ausschreitungen in der Region Manipur im Osten Indiens handle es sich um „ethnische Säuberungen“, habe der zuständige Erzbischof der Diözese Imphal, Dominic Lumon, in einem Schreiben an das katholische Hilfswerk erklärt. Misstrauen und Feindseligkeit in der Bevölkerung nähmen weiter zu. Die Lage sei „düster und angespannt“; aufgrund verhängter Internetsperren sei es schwer, Hilfe zu organisieren.
Der Erzbischof wirft der lokalen Regierung Untätigkeit vor: „Die Teilnahmslosigkeit und das Schweigen der Behörden halten an.“ Seit Mai seien unzählige Menschen vertrieben worden. „Kirche in Not“ vorliegenden Informationen zufolge wurden über 300 Gotteshäuser und kirchliche Einrichtungen zerstört, daneben auch zahlreiche Wohnhäuser von Christen.
Die katholische Kirche versuche aktuell, humanitäre Hilfe zu leisten, erklärte Erzbischof Lumon. Seelsorger, Ordensfrauen und Helfer verteilten Lebensmittel und Hygieneartikel oder betreuten die Bevölkerung medizinisch und seelsorgerisch. All diese Maßnahamen müssten jedoch mit größter Vorsicht erfolgen, um die christenfeindliche Stimmung nicht noch weiter anzuheizen. Die Kirche versuche auch, im Dialog mit Behörden und gemäßigten Hindu-Gruppen zu einem Ende der Gewalt beizutragen.
Ripka: „Verfolgung niemals zu tolerieren“
„Kirche in Not“ stehe bedrängten Christen weltweit bei und trete für das Menschenrecht auf Religionsfreiheit ein, sagte Geschäftsführer Florian Ripka: „Religiöse Verfolgung trifft alle Bekenntnisse und Religionen. Sie ist niemals zu tolerieren. Religionen mit ihrem Einsatz für Menschenwürde und Nächstenliebe sind nicht Teil des Problems, sondern Teil der Lösung. Religionsfreiheit darf kein Menschenrecht zweiter Klasse werden.“
Immer wieder würden sich gemäßigte religiöse Kräfte mit verfolgten Gruppen solidarisieren, das sei aktuell etwa in Indien oder in Pakistan zu beobachten, heißt es. Ripka sprach von ermutigenden Zeichen, dass Gläubige aller Religionen zusammenstünden und sich gegen Extremismus sowie für ein friedliches Zusammenleben einsetzten. Solche Ansätze verdienten Aufmerksamkeit und Unterstützung.
Wo Religionsfreiheit mit Füßen getreten werde, seien andere Menschenrechte wie Meinungsfreiheit, politische Mitbestimmung und Minderheitenschutz genauso betroffen, erinnerte der Geschäftsführer. Leider sei das Thema aber immer noch unterrepräsentiert – politisch, gesellschaftlich und kirchlich.
„Kirche in Not“ veröffentlicht alle zwei Jahre die Dokumentation „Religionsfreiheit weltweit“, die alle Länder und alle Religionen in den Blick nimmt. Von Diskriminierung bis hin zu offener Verfolgung sei eine zum Teil erhebliche Verschlechterung der Lage festzustellen, erklärte Ripka: „Diese Erkenntnisse sind ein Weckruf und eine Mahnung, religiöse Gewalt und Verfolgung klar zu benennen und den Betroffenen auf allen Ebenen zu helfen.“