Das eigene Talent nutzen

Gerade dann, wenn Menschen in beängstigende Situationen geraten, suchen sie schnell nach einem Ausweg.
Das eigene Talent nutzen

Wir sollten öfter mal auf Menschen schauen, die still und einsam am Rand leben. –Foto: Foto: ambermb/pixabay.com

„Angst ist der schlechteste Ratgeber.“ Zumindest lehrt es so der Volksmund. Gerade dann, wenn Menschen in beängstigende Situationen geraten, suchen sie schnell nach einem Ausweg. Panik macht sich breit und es fällt schwer die „berühmte Nacht“ erstmal darüber zu schlafen.

„Weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt“, (Mt 25,24f) so spricht jemand, der nur „ein Talent“ von seinem Herrn erhalten hat. Uns wird jemand vorgestellt, der es schwer im Leben hat. Dieser Person fliegt eben nicht alles zu. Das Selbstbewusstsein scheint nicht sonderlich ausgeprägt.

Im persönlichen Gespräch, in der geistlichen Begleitung, haben Menschen mit diesen Charaktereigenschaften oft eine geschichtliche Last. Oft haben sie gehört „Du kannst das nicht“, die Familie hat sie nicht unterstützt, der Arbeitgeber unterdrückt, Mobbing oder gar übergriffiges Verhalten haben dazu geführt, dass eine wirklich eigenständige Persönlichkeit nicht ausgebildet werden konnte.

Selbst als Kirche müssen wir selbstkritisch sagen, dass wir viel zu lange Menschen in ihrer Entwicklung gehemmt haben, weil wir Ihnen vermittelten, dass sie nicht in Ordnung sind, wie sie leben, lieben oder glauben. Natürlich immer unter dem Deckmantel einer biblischen „Bruchsteinexegese“, die genau dann herangezogen wird, um manch fragwürdige Argumente zu untermauern.

Wer für die Arbeit am Himmelreich befähigt wird, sollte den Kopf nicht mutlos in den Sand stecken. So verstehe ich dieses Evangelium an diesem Sonntag. Den einzigen Fehler, den wir begehen können, ist scheinbar nichts zu machen. Darauf zu vertrauen, dass wir mit Schweigen, Stillstand oder gar dem eigenen Verstecken etwas bewegen könnten, ist zu wenig.  Nur möglichst nicht auffallen, reicht nicht aus.

Auf die Macher:innen zu blicken, denen, die gefühlt alles können, ist es leicht zu schauen. Vielleicht sollten wir öfter auf die Sehen, die still und verwundet an den Rändern unserer Pfarreien leben. Ich denke an Witwen und Witwer, die Vielzahl obdachloser Menschen, Flüchtlinge, alleinerziehende Frauen und Männer, die Kinder, die so still und einsam oft am Rande leben, auf so viele, die einfach mitlaufen ohne groß aufzufallen.

Das Himmelreich wird dann viel konkreter, wenn die „Talent-Beladenen“ auch auf die blicken, die langsamer sind. Mangelnde Achtsamkeit für sich selbst und für andere führt im Letzten zur Katastrophe. Jede(r) hat diese Grenzen, wo Ängste zugrunde liegen, die manches Mal hemmen können. Manche können Sie nur besser verstecken.

Caritas und Diakonie leisten für so viele einen unscheinbaren, doch so wesentlichen Dienst, weil sie helfen, dass Menschen ins Leben finden. Der eigenen Sehnsucht nach einem erfüllten Leben ausreichend Raum geben, ist vermutlich in jedem/r fest verwurzelt. Schauen Sie auf das, von dem Sie sagen, es macht mir Freude, das kann ich gut. Sie dürfen sicher sein, dort, wo Menschen aktiv werden, weil es durch eigene Leidenschaft motiviert ist, wachsen viele über sich hinaus.

Ich wünsche es uns und unserem kirchlichen Miteinander: nicht angstgetrieben zu sein, sondern den Mut zu haben, das eigene Talent zu nutzen. Schnell ist dann zu entdecken, dass immer mehr dazu kommt und es zu Recht Gründe gibt, stolz auf sich und das Miteinander zu sein.

Andreas Lamm