Mit dem Kreuzzeichen das Kreuz erkennbar an sich tragen und Christus als den Gekreuzigten verkünden.

In Jesu Auferstehung ist das Kreuz als Zeichen der befreienden Liebe Gottes zu den Menschen offenbar geworden. Foto: Beckmann
Mit einem Kreuzzeichen beginnt nach katholischer Tradition in der Regel das private oder gemeinsame Gebet; mit ihm wird auch der Segen erteilt und entgegengenommen. Beim Kreuzzeichen berühre ich Stirn und Körpermitte sowie meine linke und rechte Seite. Wenn die Bewegung meiner Hand sichtbar bliebe, würde ich das Kreuz erkennbar an mir tragen. Ich habe mich mit diesem Zeichen gleichsam vor Gott angekreuzt. „Als reichte ich dir die Hand“, könnte ich mit einem Text von A. M. Hoff beten, „und winkte dich herbei und zeigte dir mich und kreuzte mich an, damit du mich fändest, mich und meine Angst, nirgends zu sein, nicht zu sein; als tastete ich nach mir und fände dich und zeichnete mich mit dir“.
Das Kreuzzeichen erinnert an Jesu Leben und Sterben. Seit Jahrhunderten wird es allerdings verbunden mit einem Bekenntnis zum dreifaltigen Gott: „Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“ Mit diesen Worten haben Christen auch die Taufe empfangen. Damals wurden sie schon mit dem Kreuz gezeichnet. Das Sakrament der Taufe hat sie mit Jesus einbezogen in das Leben des dreifaltigen Gottes. Sie bleiben in der Gemeinschaft der Glaubenden gleichsam angekreuzt durch Gott. Das Kreuzzeichen ist daher auch eine Form der Tauferinnerung.
Zeichen der befreienden Liebe Gottes
Jesu Kreuz, Instrument der Folter und Tötung, ist in seiner Auferstehung als Zeichen der befreienden Liebe Gottes zu den Menschen offenbar geworden. Diese Liebe und der Glaube an sie mag töricht erscheinen. Aber „das Törichte an Gott“, so Paulus in der Zweiten Lesung dieses Sonntags, „ist weiser als die Menschen und das Schwache an Gott ist stärker als die Menschen.“ Deshalb grenzt der Apostel sich ab von philosophischen Bemühungen seiner Zeit, den Weg zu einem erfüllten Leben in Freiheit und Gerechtigkeit durch menschliche Weisheit zu finden: „Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten“. In einem Gekreuzigten können aber auch viele seiner jüdischen Zeitgenossen kein Zeichen der Macht Gottes erkennen.
Die Fragen und Antworten der Menschen haben sich seit damals verändert, aber nach wie vor gilt: „Wir dagegen“ glauben, dass der dreifaltige, liebende Gott in Jesus Christus Leid, Ungerechtigkeit und tödliche Gewalt ertragen hat, um den Menschen den Weg zu Wahrheit und Leben zu eröffnen. Das töricht erscheinende Sterben Jesu am Kreuz ist Ausdruck von „Gottes Kraft und Gottes Weisheit“. Seine Weisheit zwingt nicht, sondern fordert heraus. Das zeigen an diesem Sonntag auch die Zehn Gebote in der Ersten Lesung. Sie fordern Israel nach dem Auszug aus Ägypten und uns heute auf, das religiöse und soziale Leben so zu gestalten, dass es frei macht und der durch Gott erfahrenen Befreiung aus Knechtschaft und Unterdrückung entspricht.
Im Evangelium sagt Jesus seinen Kritikern: „Reißt diesen Tempel nieder und in drei Tagen werde ich ihn wieder aufrichten.“ Ein unsinniges Wort, wenn damit der Jerusalemer Tempel gemeint wäre. Aber „als er von den Toten auferweckt war, erinnerten sich seine Jünger, dass er dies gesagt hatte“; jetzt verstanden sie, dass Jesus der menschliche Ort der Gegenwart Gottes war und nun in neuer Weise für alle Zeiten bleiben werde.
Das Kreuzzeichen erinnert mich daran, dass ich in Christus Anteil habe am Leben Gottes und seiner törichten Liebe. Ich bin befähigt, ermutigt und herausgefordert, darauf im Zusammenleben mit anderen zu antworten. Jeder Segen entlässt mich in den Alltag in der Hoffnung, ihn mit all seinen Schwierigkeiten und Gefahren im Geist Jesu und im Vertrauen auf den dreifaltigen Gott bestehen zu können.
Aber der Glaube an Jesu Botschaft kann von eigener menschlicher Weisheitssuche verdrängt werden. Jedes Kreuzzeichen ist dagegen ein Bekenntnis zur Torheit und Stärke Gottes, auch wenn es manchmal vielleicht unbedacht und gewohnheitsgemäß vollzogen wird. Dann ist es gut, wenigstens die Eckpunkte des Kreuzzeichens körperlich an sich zu spüren und so an das Angekreuztsein durch Gott und an die Öffnung für seine liebende Zuwendung in Jesus Christus erinnert zu werden.
Vorübergehend den Blicken entzogen
In der Liturgie ist es zwei Wochen vor den Drei Österlichen Tagen üblich, die Kreuzdarstellungen im Kirchenraum zu verhüllen. Was immer zu sehen ist, wird leicht übersehen. Was vorübergehend den Blicken entzogen und doch verborgen gegenwärtig bleibt, findet neue Aufmerksamkeit. Das Kreuz kann ja zum selbstverständlichen Ausstattungsstück werden; seine Botschaft kann bei der Suche nach Orientierung im Leben überhört werden.
Gefahren solcher Art hat offenbar schon Paulus gesehen. Er schreibt den Gläubigen in Korinth, er sei gesandt „das Evangelium zu verkünden, aber nicht mit gewandten und klugen Worten, damit das Kreuz Christi nicht um seine Kraft gebracht wird“ (1 Kor 1,17). Hubert Luthe, der zweite Bischof von Essen (†2014), hat aus dieser Aussage seinen Wahlspruch formuliert: „Ut non evacuetur crux“ – damit das Kreuz nicht entleert werde. Auch in der gegenwärtig schwierigen Situation von Glaube und Kirche gilt es festzuhalten: „Wir dagegen verkünden Christus als den Gekreuzigten.“ Das Kreuz(zeichen) erinnert daran.