Vatikandiplomat: Papst will Dialog und nicht Unterwerfung

Der Botschafter des Papstes in Kiew sieht die Schuld für die diplomatische Krise um das jüngste Interview von Franziskus beim Fragesteller. Der Papst erörtere lediglich, was auch in der Ukraine diskutiert werde.
Der Botschafter des Papstes in Kiew sieht die Schuld für die diplomatische Krise um das jüngste Interview von Franziskus beim Fragesteller. Der Papst erörtere lediglich, was auch in der Ukraine diskutiert werde.

Papst Franziskus. –Foto: © Jorge Silva | Dreamstime.com

 Der Papstbotschafter in Kiew, Erzbischof Visvaldas Kulbokas, hat die jüngsten Worte des Papstes zum Ukraine-Krieg verteidigt. Im Gespräch mit der italienischen Zeitung „La Repubblica“ (Montag) kritisierte der aus Litauen stammende Diplomat den Fragesteller des Schweizer Papstinterviews, der das Bild von der Weißen Flagge gebraucht hatte. „Warum geht er vom Opfer, vom Angegriffenen aus? Was für eine Frage ist denn das?“, so der Vatikandiplomat zu dem am Samstag teilweise bekannt gewordenen Interview des Schweizer Fernsehens RSI.

Der Papst habe dann das Bild aufgegriffen und in seiner Antwort präzisiert, dass „Verhandeln niemals eine Kapitulation ist“, erklärt Kulbokas. Wenn der Interviewer den Papst nach Russland gefragt hätte, wäre die Antwort gewesen: „Du sollst nicht töten und keine Soldaten, Raketen und Drohnen in die Ukraine schicken!“

Der Diplomat führte aus, das von Papst Franziskus eingebrachte Thema möglicher Verhandlungen werde auch in der ukrainischen Politik und Gesellschaft diskutiert. In der Ukraine werde gefragt, welche Alternative zu mehr Opfern führt. Die Ukrainer wüssten aus ihrer Geschichte, was eine Unterwerfung kostet. Dazu zählten die persönlichen Leiden, aber auch die kollektive Katastrophe der von Josef Stalin geförderten Hungerkrise von 1932/33, dem Holodomor.

Deshalb frage man in der Ukraine: „Sterben mehr Menschen, wenn wir uns dem Unterdrücker entgegenstellen – oder sterben mehr, wenn wir zu einer Übereinkunft kommen? Und wenn ja, was für eine Übereinkunft wäre das? Eine Unterwerfung darf es nicht sein.“

Die Einladung zum Dialog gehöre zum Auftrag des Heiligen Stuhls. „Wir laden ein zu Öffnung und Dialog unter den Völkern; diesen Aspekt wollte der Papst unterstreichen“, so Kulbokas. Dialog sei ein Mittel, um selbst größte Hindernisse zu überwinden.

Kanzler bei Papst-Äußerungen zu weißer Fahne anderer Meinung

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist in der Frage nach einem möglichen Weg zum Frieden für die Ukraine anderer Meinung als Papst Franziskus. Das stellte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Montag vor Journalisten in Berlin auf Nachfrage klar. Richtig sei, dass die Ukraine sich gegen einen Aggressor wehre und dafür viel internationale Unterstützung bekomme. Es stehe im Rahmen des Völkerrechts, sich gegen einen solchen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg zu verteidigen. Wie viele andere Länder unterstütze Deutschland die Ukraine dabei.

Der Kanzler sei in dieser Frage nicht der Meinung des Papstes, sagte Hebestreit. Man habe zur Kenntnis genommen, wie der Sprecher des Vatikan versucht habe, die Worte des Kirchenoberhaupts einzuordnen. Grundsätzlich sei die Haltung des Papstes in der Frage des Ukraine-Kriegs „relativ linear“, so der deutsche Regierungssprecher auf die Frage, ob man die Äußerung als „verpasste Chance“ der katholischen Kirche wahrnehme, mehr zur Konfliktlösung im Krieg Russlands gegen die Ukraine beizutragen.