„Positiver Impuls“

Die Bilanz der zweiten Weltbischofssynode zum Thema Ehe und Familie fällt zwar auf den ersten Blick bescheiden aus: ein „Schlussbericht“, der in knapp 100 Paragrafen dem Papst relativ allgemein gehaltene Anregungen gibt; keine direkten Aussagen über die Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zur Kommunion; kaum etwas über den Respekt vor der sexuellen Orientierung gleichgeschlechtlich Liebender. Und das alles, obwohl Sexualität, Bindungen, Ehe und Familienstrukturen in den vergangenen 50 Jahren enorme Veränderungen durchgemacht haben.

Dennoch äußerten sich viele Teilnehmer zufrieden über Verlauf und Resultate der Synode. Das mag damit zusammenhängen, dass es die Versammlung immerhin dreimal schaffte, akute äußere und innere Krisen oder Skandale durchzustehen. Weder das spektakuläre Homo-Outing eines Vatikan-Monsignores zu Beginn noch die merkwürdigen Mediengerüchte über eine angebliche Tumorerkrankung von Papst Franziskus brachten die Versammlung aus dem Tritt.

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, hat sich zufrieden mit dem Ausgang der Weltbischofssynode über Ehe und Familie geäußert. Die Synode gebe einen „positiven Impuls“, um das Thema Ehe und Familie voranzubringen, sagte der 62-Jährige am Samstagabend vor Journalisten in Rom. Er sei „sehr glücklich darüber, dass wir hier einen Schritt vorangekommen sind“. Die Synode habe insgesamt den „Weg des Papstes“ gestützt, auch wenn das Abschlussdokument an manchen Stellen ein „Kompromisstext“ sei.

Bischof Franz-Josef Bode

Bischof Franz-Josef Bode Foto: Bistum Osnabrück

Mit Blick auf den Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen nannte Marx das Abschlussdokument der Synode als „wirklichen Schritt nach vorne“. Es fordere eine „stärkere Integration“ von Menschen in schwierigen Situationen und ermutige Priester, „wirklich zu begleiten und dann auch hinzuführen zu einer stärkeren Integration“. Zugleich räumte Marx ein, das Abschlussdokument kläre nicht alle Fragen zum Thema.

Der Osnabrücker Bischof Franz-Josef Bode ist nach der Familiensynode im Vatikan nicht rundum glücklich mit den Ergebnissen. „Dass das Schuldbekenntnis nicht aufgenommen wurde, was wir vorgeschlagen hatten, finde ich ausgesprochen schade“, sagte Bode am Sonntag im domradio. Insgesamt aber sei es doch „ein großer Schritt“, dass man mit Zweidrittelmehrheit einen gemeinsamen Weg gefunden habe, „der doch offene Türen enthält“. Es sei dann zwar „nicht alles in Einzelheiten geregelt, aber die ganze Atmosphäre dieses Papiers, die ganze Weise, wie es die Türen für die Situation der Menschen öffnet, wo nicht immer nur von Sünde gesprochen wird, hat den Raum vielleicht besser bereitet, als wenn wir uns zu sehr auf Einzelfragen konzentrieren“.

Die deutsche Sprachgruppe der Familiensynode hatte die Bischöfe zu einem Schuldbekenntnis wegen Unbarmherzigkeiten bei der Auslegung der katholischen Morallehre aufgerufen. Unter anderem hätte die Seelsorge durch „harte und unbarmherzige Haltungen“ oft Leid über Menschen gebracht. Dazu zählten „insbesondere ledige Mütter und unehelich geborene Kinder, Menschen in vorehelichen und nichtehelichen Lebensgemeinschaften, homosexuell orientierte Menschen und Geschiedene und Wiederverheiratete.“

Ich freue mich sehr, dass wir einen neuen Blick auf die Familie bekommen haben, der nicht mehr nur von den Gefahren und den negativen Seiten betrachtet wird, wie es anfänglich in dem Arbeitspapier stand.

Diese Entschuldigungsbitte war aber nicht in den Schlusstext aufgenommen worden. Bode betonte darüber hinaus, dass er sich sehr freue, „dass wir einen neuen Blick auf die Familie bekommen haben, der nicht mehr nur von den Gefahren und den negativen Seiten betrachtet wird, wie es anfänglich in dem Arbeitspapier stand». Stattdessen versuche man, „die Werte, die die Menschen leben wollen und das Positive, was sie einbringen, auch in den unterschiedlichen Weisen auf die Ehe hin und auch in Situationen, wo sie gescheitert sind, besser in einer großen Differenziertheit wahrzunehmen“.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki hat die Bischofssynode über Ehe und Familie als Erfolg gewertet. Im Kölner Domradio begrüßte er am Sonntag, dass „freimütig und offen diskutiert wurde – und Papst Franziskus diesen offenen Dialog gefordert und gefördert hat“.

Die Synode habe die Stimmen aus allen Teilen der Welt zusammengebracht, so der Kölner Erzbischof. Das dreiwöchige Treffen der Kardinäle und Bischöfe geht am Sonntag in Rom zu Ende. Trotz möglicher Enttäuschungen einiger, die sich vielleicht deutlichere Signale gewünscht hätten, ist die katholische Kirche mit der Synode auf einem „guten Weg“, sagte Woelki. Er sei sicher, dass all die Ergebnisse und Wortmeldungen, die jetzt auf dem Tisch liegen, eine sehr gute Grundlage bilden, erklärte der Kardinal. Die Synode habe nicht nur den Papst gut beraten, sondern sei für alle ein guter Wegweiser. „Nicht mehr – aber auch nicht weniger“, sagte Woelki.

Vorwürfe, die Bischöfe und Kardinäle als „alte, männliche Singles“ hätten zu wenig Ahnung von der Thematik gehabt, wies der Erzbischof zurück. „Ob in Tokio, Manila oder München – die katholische Kirche kennt die oft ganz unterschiedlichen Beziehungsverhältnisse von Ehepaaren und in den Familien nur zu gut.“

„Die Synode hat vor allem gezeigt, dass das Thema Ehe und Familie nicht auf einen weltkirchlichen Nenner zu bringen ist“, sagte unterdessen der Vorsitzende des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ), Wolfgang Ehrenlechner, zu den Ergebnissen der Bischofssynode über Ehe und Familie, die heute in Rom zu Ende geht. „Die weltweiten Unterschiede sind zu groß, als dass alle Fragen, die sich in den einzelnen Ländern stellen, hätten beantwortet werden können. Für uns ist es eine gute Nachricht, dass die kulturellen Unterschiede nun endlich auch seitens der kirchlichen Hierarchie anerkannt werden.“

Junge Menschen kamen kaum vor

Für die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Deutschland bedauerte Ehrenlechner, dass bei der Synode die Sicht junger Menschen kaum vorkam, denn bei den ohnehin wenigen Laien waren noch weniger junge Menschen vertreten und keine Paare, die das katholische Eheideal nicht erfüllen. „Dass das Zusammenleben vor der Ehe im Schlussbericht angesprochen wurde und Ehepaare eingeladen waren, kann nur ein erster Schritt sein auf dem Weg dahin, mehr mit den Menschen als über sie zu sprechen“, sagre Ehrenlechner. „Auch das Bemühen, eine neue Sprache zu finden, um über Partnerschaft und Beziehung zu sprechen, geht ins Leere, wenn es nicht auch Bewegung bei den Inhalten gibt.“

Gerade die Themen, bei denen die jungen  Menschen die Lehre der Kirche weithin ablehnen, seien kaum vorgekommen oder ungelöst geblieben: Beziehungen vor der Ehe, Verhütung, homosexuelle Beziehungen. „Während die Berichte der Sprachgruppen zeigten, wie umstritten etwa die Frage nach dem Umgang mit homosexuellen Beziehungen war, klammert der Schlussbericht diese Fragen wieder weitgehend aus. Es ist aber nur ein Schein von Einheit, wenn es nur um den kleinsten gemeinsamen Nenner geht.“  Hier zeige sich sehr deutlich, dass auch die Sicht auf den Menschen so unterschiedlich sei, dass es keine für alle passenden Antworten gebe. Das solle auch die kirchliche Lehre berücksichtigen.

Wenn es aber im 50. Jahr, seit es die Bischofssynode gibt, eine Neuigkeit ist, dass tatsächlich offen miteinander geredet wurde, dann sind die Verkrustungen in der Kirche noch viel ausgeprägter, als wir befürchtet hatten“

Man warte jetzt wie die ganze Weltkirche ab, wie der Papst mit dem abgestimmten Schlussbericht weiter verfahren werde. „Es ist gut zu wissen, dass der Papst umsichtig mit dem Bericht umgehen wird und dass ihm die Schwierigkeiten der weltweiten Differenzen deutlich bewusst sind“, so Ehrenlechner. „Andererseits können wir nicht unsere Einheit als Kirche nur darauf gründen, dass für alle die gleichen Normen gelten. Wir sollten uns eher als einig im Glauben an Jesus Christus begreifen. Dann würden sich manche Auseinandersetzungen um Einzelfragen erledigen, die auf junge Menschen bei uns wirken, als kämen sie von einem anderen Stern.“

Es sei offenbar geworden, dass man noch einen weiten Weg vor sich habe, denn man sehe an dem ganzen Verfahren, wie ungeübt die Kirche in offener Diskussion sei. „Wir haben mit Interesse die neue Arbeitsweise der Synode verfolgt und sprechen allen Beteiligten unsere Anerkennung aus für die Arbeit, die sie in diesen Wochen geleistet haben. Wenn es aber im 50. Jahr, seit es die Bischofssynode gibt, eine Neuigkeit ist, dass tatsächlich offen miteinander geredet wurde, dann sind die Verkrustungen in der Kirche noch viel ausgeprägter, als wir befürchtet hatten“, bilanziert Ehrenlechner. (rwm/kna)

 

Ausführliche Berichte zur Synode finden Sie in unserer Ausgabe 44/2015 vom 31. Oktober