Ethiker: «Fall Hinz» ist Glaubwürdigkeitsanfrage an Parteien

Der Fall der wegen ihres gefälschten Lebenslaufs in die Kritik geratenen Essener SPD-Bundestagsabgeordneten Petra Hinz ist nach Meinung des Sozialethikers Joachim Wiemeyer eine Glaubwürdigkeitsanfrage an alle Parteien. Da die Bürger die komplexen politischen Vorgänge nicht im Detail nachvollziehen könnten, spielten das Vertrauen in die politisch Handelnden und die Wahrhaftigkeit eine zentrale Rolle, sagte der Bochumer Professor für Christliche Gesellschaftslehre.

Prof. Joachim Wiemeyer. Foto: Ulrich Wilmes

Prof. Joachim Wiemeyer.
Foto: Ulrich Wilmes

«Wenn Politiker bereits bei ihrer Kandidatur mit falschen Karten spielen, indem sie ihren Lebenslauf verfälschen, wie sollen die Bürger ihnen dann bei den einzelnen politischen Entscheidungen, die sie im Parlament treffen, vertrauen», so der Wissenschaftler. In der Demokratie seien die Bürger der Souverän und könnten von den von ihnen beauftragten Politikern Rechenschaft erwarten. Daher sei Wahrhaftigkeit in der Politik eine zentrale politische Tugend, so der Professor für Christliche Gesellschaftslehre an der Ruhr-Universität Bochum. Alle Parteien müssten sich gründlich überlegen, welche Personen sie für hauptberufliche Mandate in der Politik rekrutieren, forderte Wiemeyer. Voraussetzung sollten eine abgeschlossene Berufsausbildung oder ein abgeschlossenen Studium sowie eine mehrjährige Berufsausübung sein, allerdings außerhalb des politischen Bereichs.

Diese Erfahrung ermögliche Politikern eine bessere Einschätzung, was die von ihnen beschlossenen Gesetze für die Bürger bedeuten. Auch seien Personen mit beruflichen Möglichkeiten nicht um jeden Preis auf eine Wiedernominierung angewiesen, «so dass sie auch innerhalb ihrer Partei nicht Führungspersonen kritiklos folgen müssen, sondern unabhängig eigene Positionen formulieren können», gab Wiemeyer zu bedenken. Damit drohe ihnen bei einem freiwilligen oder unfreiwilligen Ausscheiden aus der Politik nicht «der soziale Absturz» in Hartz IV, wie er für Petra Hinz befürchtet werde.

kna