Aufrecht und aufrichtend

Osterpredigt von Weihbischof Ludger Schepers fürs Neue Ruhr-Wort

Monasteri Benedettini de Subiaco (Foto: Langwald)

Im Zugehen auf die Heilige Woche kamen mir neu die Fresken in den Sinn, die ich im vergangenen Jahr bei der Wallfahrt mit den Ordensleuten in Subiaco gesehen habe. Wir waren unterwegs auf den Spuren von Benedikt und Scholastika. Im Kloster, das über der Höhle errichtet wurde, in der der heilige Benedikt gelebt hat, gab es ein großes Fresko vom Einzug Jesu in Jerusalem, eines von der Kreuzigung und einige von den verschiedenen Begegnungen des Auferstandenen mit den Menschen, die mit ihm unterwegs gewesen waren.

Was mir im Rückblick und im Anschauen der Bilder aufgefallen ist: Alle Bilder zeigen Jesus aufrecht. Es beginnt am Palmsonntag. Jesus reitet – hoch zu Esel aufgerichtet – in Jerusalem ein. Wahrscheinlich haben die Männer und Frauen in seinem Gefolge gedacht: „Jetzt haben wir es geschafft. Rollen wir den roten Teppich aus. Wir sind am Ziel angekommen. Heute betritt der König die Bühne von Jerusalem.“ Tatsächlich sitzt Jesus in königlicher Haltung auf dem Esel. Hoch aufgerichtet. Groß und seiner selbst bewusst.

Immer wieder wundere ich mich, dass Jesus das Geschehen um seinen Einzug in Jerusalem und den Wirbel um seine Person so gelassen und aufrecht erträgt. Dabei hat er doch mehrfach angekündigt, dass Leid auf ihn wartet. Dass die Stadtgrenze von Jerusalem nur ein Etappenziel bedeutet. Tief wird er fallen. In menschlicher Schwäche und Ohnmacht.

Und am Ende steht Jesus wieder aufrecht da – und begegnet als Auferstandener den Menschen, die gebeugt sind, denen sein Tod zugesetzt hat. An Ostern zeigt sich Jesus neu als der Aufrechte und Aufrichtende – er richtet die Zweifelnden und Trauernden auf.

In diesen Wochen hören und lesen wir wieder viele schreckliche Nachrichten. Naturkatas­trophen, Terroranschläge, Krankheiten belasten und beugen die Menschen in der weiten Welt, in unserer Nähe – und bisweilen auch uns ganz persönlich. Wieviel Not und Tod macht sich im Leben breit. Wo bleibt da die Hoffnung auf Leben? Menschen werden niedergedrückt – wie damals in Jerusalem.

Die aufgerichtete Haltung Jesu ist eine Botschaft an jede und jeden von uns. Wenn wir schwach sind, niedergedrückt und gebeugt, erst recht, wenn wir erniedrigt werden, wenn wir fallen und am Boden liegen, wenn wir trauern, dann können wir unseren Blick auf Jesus richten. Und ich bin sicher: Der aufrechte Jesus wird zum aufrichtenden Jesus. Unser hilfe-suchender Blick richtet uns auf. Er hilft uns aufstehen. Durch den aufrechten Jesus können wir zu einer aufrechten Haltung zurück finden – oder sie neu finden. Wir können werden wie die Palme, die in voller Größe jedem Sturm trotzt. Sicher ist das ein lebens-langer Prozess. Aber ich vertraue darauf: An Ostern wird uns eine kleine Aufrichtung geschenkt und möglich gemacht.

Das ist ein gutes Osterfest, das uns nach den Tagen der Passion, nach Leiden, Tod und Auferstehung Jesu groß macht. Der Auferstandene lässt uns teilhaben an seiner eigenen Größe.

An Ostern feiern wir neu, dass wir getauft sind. Die meis­ten von uns haben das Tauf-Ja nicht bewusst sprechen können, wir waren Kinder. Wie  gut ist es, dass wir Jahr für Jahr an Ostern Ja sagen können zu unserem Getauftsein. In der Taufe liegt das Fundament unserer Größe. Das dürfen wir neu feiern – das kann uns stärken in Tief-Phasen. Gut, dass es Ostern gibt, das Aufrichte-Fest, das Fest der Größe und des Lebens. Ich wünsche Ihnen, dass Ostern anhält und die Freude und das Bewusstsein unserer Größe wachsen.

In diesem Sinne: Gesegnete Ostern.

Weihbischof Ludger Schepers