Man durfte gespannt sein: Rund zwei Jahre hatten sich Pfarrgemeinderat, Kirchenvorstand und die Seelsorger mit der Situation und der Zukunft der Gemeinden beschäftigt. Eher im Stillen. Am 21. Juni nun stellte das Team der Pfarrei St. Peter und Paul in Hattingen die Pläne öffentlich vor: Drei von sieben Kirchen könnten fallen. Im September wird über das Votum zum Pfarreientwicklungsprozess (PEP) abgestimmt. Vieles wirkt unausweichlich.
Im Restaurant „Novo Style“ an der Ruhrallee 19 in Hattingen im Industriegebiet fand am Mittwochabend die Pfarrversammlung statt. Kurzfristig musste die Veranstaltung verlegt werden; die Wahl des etwas entlegenen Ortes mag den ein oder anderen Besucher von der Teilnahme abgehalten haben, aber der Andrang war groß. Wie symbolträchtig der Name der Event-Location an diesem Abend werden würde, war den Verantwortlichen klar: Die Zukunft in der aus den drei Gemeinden St. Mauritius (Niederwenigern), St. Peter und Paul (Hattingen-Mitte) und St. Joseph (Welper) bestehenden Pfarrei hat bereits begonnen.
Chancen der Ökumene
„Wir bleiben an allen Standorten präsent“, lautete die gute Botschaft, die Pfarrer Winfried Langendonk den gespannten Zuhörern überbrachte. Sein Stellvertreter Mirco Quint, Pastor in St. Mauritius, sprach von der inneren Strahlkraft der Kirche, von der missionarischen Pastoral, von der persönlichen Berufung des einzelnen Christen und von den Chancen, die in der Ökumene liegen. Sie sei „heute wichtiger als je zuvor“. Die Pfarrei wolle die Möglichkeiten der Ökumene in der Hattinger Diaspora weiter nutzen und Laien stärker einbinden, so Quint. In Hattingen an der Ruhr ist der Pfarreientwicklungsprozess anders abgelaufen. So habe man bereits 2014 den Prozess „Pfarrei neu gestalten“ gestartet, also noch bevor das Bistum Essen den allgemeinen PEP angestoßen hat, gleichwohl habe man die Gemeindemitglieder „früh beteiligt“.
Allerdings verzichtete man nun auf die Gründung von Arbeits- oder Themengruppen – und damit auf kreative Ideen alter und neuer Gemeindemitglieder. Wie Erfahrungen aus anderen Pfarreien im Bistum gezeigt haben, bringt die aktive Beteiligung kirchlicher Laien viel frischen Wind. Anders in diesem Teil des Ennepe-Ruhr-Kreises: Federführend an der Zukunft schraubten 13 Mitglieder der Koordinierungsgruppe. Sie setzt sich aus dem Pfarrgemeinderat, dem Kirchenvorstand und dem Team der Seelsorger zusammen. Das hatte im Vorfeld der Veranstaltung am Mittwochabend bereits für kritische Stimmen unter einigen Katholiken in Hattingen gesorgt. Klaus Gerlach, der Vorsitzender des Pfarrgemeinderates, räumte ein, dass die Kommunikation nicht immer optimal gelaufen sei, so habe man ein Jahr auf angeforderte Daten aus dem Bistum warten müssen.
Sparen durch Kooperationen
Markus Oles, stellvertretender Kirchenvorstandsvorsitzender und verantwortlich für die Finanzen, Immobilien und Personal: „Alles werden wir leider nicht halten können!“ Aus Verantwortung gegenüber kommenden Generationen müsse man die Kirche so gestalten, dass sie finanziell überlebensfähig sei. Ohne gewohnte Rücklagen des Bistums könne man sich nicht mehr alle pastoral genutzten Gebäude leisten. „Wenn wir heute nicht anfangen, unsere Ausgaben zu reduzieren und einfach so weiter machen wie bisher, werden wir im Jahr 2030 eine Verschuldung von 3,8 Millionen Euro verzeichnen“, skizzierte er. Sparen will man durch Kooperationen, so im Ortsteil Bredenscheid. Dort nutzt die Gemeinde die Kapelle und andere Räume der Stiftung an der Hackstückstraße 37 bereits für Gottesdienste und Versammlungen und Treffen. Das macht nach Meinung der Koordinierungsgruppe den Erhalt der 1953 erbauten Kirche St. Mariä Empfängnis auf Dauer überflüssig. Sie befindet sich in unmittelbarer Nähe. Gebäude aufgeben muss man zudem in Winz-Baak und Niederbonsfeld.
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Gemeindeheim oder Gotteshaus? Die Gläubigen sollen die Wahl haben, so das Versprechen. „Von den beiden Immobilien Kirche und Gemeindeheim können wir verantwortungsbewusst nur jeweils eines halten“, erklärte Oles. Dies gehe zudem nur durch die finanzielle Unterstützung der örtlichen Fördervereine. Jeweils nur eine Immobilie soll erhalten bleiben, entsprechend umgebaut, um flexibel genutzt werden zu können, zum Gottesdienst oder Tanzabend. Wie erwartet gut, sieht die Zukunft der „Hochzeitskirche“ St. Johannes Baptist aus dem Jahr 1794 aus. Sie liegt idyllisch am historischen Marktplatz und ist sehr beliebt bei Brautpaaren.
Massive Einschnitte in Welper
Massive Einschnitte sind in Welper zu erwarten. Dort führt die Pfarrei seit Monaten Verhandlungen mit der Theresia-Albers-Stiftung. „Teile der heutigen Kirche werden weiterhin als Gottesdienstraum zur Verfügung stehen“, hieß es. Die in Hattingen beheimate Stiftung hat Interesse an St. Joseph. Erste Pläne zur teilweisen Umnutzung durch die Behindertenhilfe wurden erstellt. Sie zu realisieren, wäre mit einem aufwendigen und teuren Umbau des 1929 nach Plänen von Georg Metzendorf (1874–1934) errichteten Gotteshauses verbunden. Günstiger nach Ansicht von Experten käme ein Neubau auf dem Gelände an der Thingstraße 41. Dass die innere Gestaltung von St. Joseph für ihr konsequentes Bekenntnis zur Stahlindustrie im Bistum einzigartig ist, schätzt man nicht nur im Industriemuseum Henrichshütte des Landschaftsverbandes Westfalen-Mitte. Als Zeugnis der Region wurden Ende der 1970er-Jahre Altar, Tabernakel, Taufbecken und das Vortragekreuz ganz aus Stahl gefertigt. Die künstlerische Leitung hatte Egon Stratmann (80) aus Hattingen, der für seine Pläne bei Kardinal-Hengsbach schnell auf offene Ohren gestoßen war. Bei aller Heimatliebe erdrückend sind die ermittelten Fakten: Wie überall gehen die Katholikenzahlen zurück. In Welper auf 2964.
Gerade in der Situation und in dem Umwandlungsprozess im dem die Pfarrei St.Peter und Paul sich befindet, ist es unverständlich, einen so profilierten, engagierten und den Menschen zugewandten Pastor abzuberufen und ihn zu versetzten.
Die ganze Pfarrei schaut mit Kopfschütteln auf diese Entscheidung des Bistums.
Mögliche Unstimmigkeiten lassen sich sicherlich auch anders lösen.
Was im Ruhrbistum z. Zt. abläuft ist für viele Christen in verschiedenen Gemeinden nicht mehr nachvollziehbar.
Mirco Quint, der sich schon als Kaplan in Schwelm als Umtriebener, durch seine allen verständliche Zukunftsperpektiven als herausragender Geistlicher hervor tat, wurde dann als Pastor nach Hattingen St. Mauritius versetzt. Viele Mitglieder der Gemeinde haben das bedauert
Ich habe seine Arbeit dort mit großem Interesse verfolgt und war hoch erfreut mit welch großem Engagement er seinen Auftrag in der Gemeinde angenommen hat. Viel Neues, bis dahin so nicht Vorstellbares hat er den Christen in der Gemeinde vorgestellt – das Interesse der Gemeindemitglieder zu gemeinsamen Tun geweckt und mit der Fugenaktion ein auch nach außen hin großartiges sichtbares Zeichen gesetzt. Ich glaube, am Ende des Tages wird eine große Lücke bleiben.
Meine Guten Wünsche begleiten Pastor Mirco Quint auf seinem weiteren Weg durch die Zeit.
Gottes Segen für all sein Tun.
Heinz-Joachim Rüttershoff