Früh herrschte in der flächenmäßig großen Pfarrei St. Marien in Schwelm Einigkeit: Um nah an den derzeit rund 17000 Katholiken zu bleiben, braucht man möglichst viele Standorte. Schließungen sind dennoch in Gevelsberg und Ennepetal zu erwarten. Auf der Versammlung in der Kirche St. Marien wurde am Donnerstagabend das Votum öffentlich erörtert. Bis zu den Sommerferien ist Zeit für Einwände und Anregungen, im November soll es dem Bistum übergeben werden.
„Wer in den Arbeitsgruppen mitgewirkt hat, wird mit dem ein oder anderen gerechnet haben“, erklärte Propst Norbert Dudek nach der Veranstaltung. Rund 200 Zuhörer aus allen fünf Gemeinden nutzten die Gelegenheit, sich über die Zukunft ihrer Kirchen zu informieren. Bereits im Frühjahr 2014 hatte das Bistum Vertreter dieser Pfarrei eingeladen. Schon damals lautete die Botschaft: Es muss gespart werden, es gibt zu viele Kirchen, Pfarreigrenzen stehen infrage. Die Schwelmer waren alarmiert. Sie riefen im Sommer 2014 den „Arbeitskreis Zukunft“ ins Leben. Er startete mit drei Mitgliedern aus dem Kirchenvorstand, dem Verwaltungsleiter und dem Propst. Ein Jahr später beauftragte Bischof Franz-Josef Overbeck alle Pfarreien mit dem Pfarreientwicklungsprozess (PEP). Hierfür gründete St. Marien fünf Arbeitsgruppen, in denen sich engagierte Katholiken zusammenfanden.
„Wir nehmen alle Bedenken und Anregungen ernst und rechnen gern noch Alternativen durch“
Transparenz war bei der Zukunftsplanung in St. Marien keine Frage: Für eine eigene Rubrik der jeweiligen Gemeindemitteilungen verfassten die Beteiligten Informationen zu einzelnen Schritten und aktualisierten auch die Website. So blieben große Überraschungen bei der Vorstellung des Votums aus. Dennoch entdeckte das PEP-Team traurige Gesichter und spürte bei einigen Zuhörern Enttäuschung oder Ärger. „Wir nehmen alle Bedenken und Anregungen ernst und rechnen gern noch Alternativen durch!“, versprach Dudek.
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Bei mehreren Treffen hatte sich der für Gebäude und Wirtschaft zuständige Arbeitskreis einen Überblick zum Bauzustand der Immobilien verschafft und an den Standorten laufende Kosten für Betrieb, Instandhaltung und Aktivitäten ermittelt. „Wir haben in den Vorschlägen pastorale, wirtschaftliche und strategische Aspekte bedacht“, so Dudek weiter. Auch räumliche Alternativen wurden ausgelotet. Für St. Martin in Ennepetal mit Kirche und Gemeindezentrum wird in der derzeitigen Nutzung keine Perspektive gesehen. „Wir wissen, dass die dort beheimatete kroatische Gemeinde schon mehrfach umgezogen ist und entsprechende Belastungen gestemmt hat.“ Ein Umsiedeln nach Liebfrauen wurde vom dortigen Gemeinderat abgelehnt. Empfohlen wird daher ein Umzug nach St. Marien in Schwelm. „Im ehemaligen Haus der Familie können sowohl eine Wohnung für einen Seelsorger als auch eigene Räume zur Verfügung gestellt werden.“
Mit dem Verkauf der Kirche Heilig Geist ist in Schwelm bereits ein schmerzlicher Schritt zur Einsparung gemacht worden. Dort will man die Propsteikirche St. Marien, Pfarreizentrum und Pfarrhaus weiterführen. Das Vermieten der Kaplanei am Marienweg 4 soll die Einnahmen steigern. Vorerst aufatmen darf der Nachwuchs: Im Jugendheim (Marienweg 5) achtet man zunächst verstärkt auf die Kosten. „Eine alternative Nutzung scheint uns auf dem derzeitigen Markt nicht möglich.“
Schließungen hingegen wirken in Gevelsberg unausweichlich, wo man circa 5.800 Katholiken zählte. „Für Liebfrauen haben wir in den letzten Monaten intensiv nach einer Lösung gesucht“, hieß es. Doch die Idee, dort ein „weltkirchliches Zentrum“ zu errichten, fand kaum Befürworter. Eine Kita in einem Teil des Gemeindezentrums würde die Kosten auch nicht decken. So rät das Gremium dringend, Kirche und Heim aufzugeben, auch wenn es schwerfalle. Gruppen und Kreise, die dort zuhause sind, finden Platz im Haus Maria Frieden oder bei der italienischen Gemeinde. Die beiden Gevelsberger Büchereien könnten zusammengelegt eine Zukunft im ehemaligen Pfarrhaus von Liebfrauen haben. Die Höhe der Investitionen soll noch geklärt werden. Aufatmen darf St. Engelbert. Hier bleiben Kirche und Gemeinderäume unberührt, um auch Gläubigen aus Liebfrauen eine neue Heimat zu geben.
Kirchraum zu Seniorenwohnungen umzubauen
Herz Jesu in Ennepetal-Milspe misst man wegen der Nähe zur katholischen Grundschule eine hohe Bedeutung zu. Der Sparzwang erfordert aber auch dort ein Umdenken. Angedacht sei, den Kirchraum zu Seniorenwohnungen umzubauen. Partner wäre, wie auch auch in Haltungen-Welper (Neues Ruhr-Wort berichtet), die Theresia-Albers-Stiftung. Erste Gespräche wurden geführt. Die Gemeinderäume stünden weiter zur Verfügung. Möglich sei es alternativ, den Kirchenraum zu verkleinern und nur einen Teil zu verändern. Die Gottesdienste an den Werktagen würden weiter gefeiert – in der Kapelle des Altenheims, die rund 60 Sitzplätze hat.
Die harten Fakten und Zahlen legte Marcus Klefken, Leiter der Abteilung Kirchengemeinden beim Bistum vor. Mit einem Grundstock von hauptamtlichem Personal will man den Herausforderungen begegnen. Aber es wird keine betriebsbedingten Kündigungen geben. Nach wie vor beschäftigen will man einen Verwaltungsleiter, Kirchenmusiker, Küster, Hausmeister und Kräfte im Sekretariat. Die Mitarbeiter sollen in der gesamten Propstei eingesetzt werden. Mit Schulen, sozialen Trägern und den evangelischen Gemeinden ist eine engere Zusammenarbeit geplant.
Neben St. Marien, Herz Jesu und St. Engelbert zählen die italienische in Gevelsberg sowie die kroatische Gemeinde in Ennepetal-Ludenscheid zur Propstei. Rund drei Wochen bleiben den Katholiken jetzt für Kritik und alternative Vorschläge. An Stellwänden konnten sie bei der Versammlung Meinungen äußern. Sie sollen jetzt gesichtet und ausgewertet werden. Nach den Sommerferien wird weiter am Votum gefeilt. Anregungen nimmt Projetassistentin Alexandra Schroer bis zum 16. Juli entgegen (alexandra.schroer@propstei-marien.de).
Auch inhaltlich will man Neues ausprobieren, Laien gewinnen an Bedeutung: An allen Kirchen sollen Begrüßungsdienste eingerichtet werden, die Besucher persönlich zu Gottesdiensten empfangen. „Mit der Abteilung Liturgie im Bistum überlegen wir, verstärkt Ehrenamtliche für Bestattungen einzusetzen“, so Dudek. Nicht zuletzt möchte man auch andere Zielgruppen ansprechen und für sie Gottesdienste halten. So gab es zum Valentinstag 2017 eine Feier für Verliebte.