Harte Einschnitte: Pfarrei St. Joseph gibt drei Kirchen auf

St. Joseph in Gelsenkirchen ist mit rund 15500 Gläubigen – verteilt über fünf Stadtteile – mit fünf Kirchen eine der kleinsten Pfarreien im Bistum Essen. Und auch eine der finanzschwächsten, die im Zuge des anstehenden Pfarrei-Entwicklungsprozesses wohl nicht um tiefe Einschnitte herumkommt, wie bei der Pfarreiversammlung am Donnerstagabend in der St.-Joseph-Kirche bekannt gegeben wurde.

Dies bedeutet für viele einen schmerzhaften Abschied von liebgewonnen Gebäuden mit biografischer Bedeutung. Gleichwohl will die Pfarrei in all ihren Stadtteilen präsent bleiben. Wer sich bisher in den Gemeinden getroffen hat, soll dies auch weiterhin tun können. Und zugleich sieht das pastorale Konzept neue Wege für die Menschen vor: Die „ansprechBAR“ im Haus Eintracht, das Sozialpastorale Zentrum in Bismarck und ein neu entstehendes Zentrum am Stäfflingshof gehören dazu.

Gemeindereferentin Christiane Rother erläuterte noch einmal die Einwohner-, Katholiken- und Gottesdienstbesucherzahlen. Es bestehe Handlungsbedarf, da die aktiven Christen immer weniger werden und dem Pfarreihaushalt ohne Veränderungen große wirtschaftliche Defizite bevorstünden. Prozessassistentin Andrea Hollinderbäumer gabe noch einmal einen Überblick über die sogenannten „Meilensteine“ im PEP. Immer wieder waren in den vergangenen zwei Jahren alle Pfarreimitglieder ausdrücklich zur Mitarbeit aufgerufen und eingeladen, sich über den Sachstand zu informieren. Rund 100 Ehrenamtliche beteiligten sich seit 2015 in sieben Gruppen, die über ein Jahr zusammengearbeitet haben.

Martin Miebach aus dem Gemeinderat in der Feldmark erläuterte, dass, noch bevor Verwaltungsleitung und Kirchenvorstand ein neues Wirtschaftskonzept aufgestellt hatten, es Aufgabe der Gemeinderäte, des Pfarrgemeinderates und des Pastoralteams war, eine Vision der Kirche von morgen zu entwerfen. Im Mai wurde das neue Pastoralkonzept verabschiedet. Anschließend wurde über die Bedarfe (Räume, Gottesdienstorte, Personal), die zur Umsetzung des neuen pastoralen Konzepts nötig sind, beraten. Nochmals waren alle Pfarreimitglieder eingeladen, mitzudenken, kreativ und produktiv.

Langfristig Fusion mit Augustinus im Blick

Das Bistum Essen verlangt von seinen Pfarreien, bis zum Jahr 2030 ihre Ausgaben um 50 Prozent zu kürzen. Und das bedeutet, dass bistumsweit Immobilien aufgegeben werden müssen, denn die Pfarreien sind gezwungen, diese Vorgaben umzusetzen. Spielräume bleiben ihnen allein in der Ausgestaltung des sogenannten Pfarrei-Entwicklungsprozesses (PEP). Die Gebäude werden nach den Vorgaben in vier Kategorien eingestuft: Immobilien der Kategorie A werden „auf absehbare Zeit erhalten“. Für sie werden deshalb Rücklagen gebildet. Immobilien der Stufe B werden mittelfristig weitergenutzt, eine Zusage über zehn Jahre hinaus wird indes nicht gegeben – und Rücklagen zur Erhaltung der Gebäude werden nicht gebildet. Gebäude der Kategorie C 1 werden ebenfalls ohne Rücklagen noch „für wenige besondere Anlässe genutzt“, in der Stufe C 2 werden sie dann aufgegeben und lediglich noch den Pflichten der Verkehrssicherung Genüge getan. Für den Erhalt alle Kirchen hätte St. Joseph jährlich 230000 Euro in Rücklagen einstellen müssen. Dies wären rund 50000 Euro je großer historischer Kirche, rund 30000 Euro für eine kleinere historische Kirche. Die Pfarrei hat sich dazu entschlossen, keine Ihrer Kirchen in die Kategorie A zustellen und damit für sie auch keine Rücklagen zu bilden.

Das Wirtschaftskonzept sieht daher vor, dass ab 2020 die Kirche St. Franziskus in Bismarck aufgegeben werde (Kategorie C2), die Kirche Heilige Dreifaltigkeit wird mittelfristig weiter genutzt (B). Das dortige Pfarrhaus wird vermietet. Auf dem Friedhof „Am Stäfflingshof“ soll unterdessen ein neues, multifunktionales Zentrum mit Gottesdienstort entstehen (A). Hierfür werden Zuschüsse des Bistums beantragt. Ebenso kann ein Anteil der laufenden Kosten aus dem Haushalt des Friedhofes mitfinanziert werden. Weiterhin entsteht in Bismarck ein neues Sozialpastorales Zentrum (SPZ). Die Personal- und Sachkosten werden bis Dezember 2020 vom Bistum getragen. Ab 2021 wird das SPZ über Fundraising mitfinanziert. Die Kirche St. Antonius in der Feldmark wird ab 2020 nur noch für besondere Anlässe genutzt (C1) und im Jahr 2025 aufgegeben (C2). Das Gemeindeheim an der Boniverstraße bleibt erhalten (B). Die „Mütterschule“ wird an die Familienbildungsstätte vermietet. Die Gemeinde wird weiterhin die renovierten Räume in der ehemaligen Gaststätte nutzen. Das Pfarrhaus Am Schillerplatz soll vermietet werden.

Im Stadtteil Heßler wird die Kirche St. Elisabeth mittel-fristig weiter genutzt (B). Das Gemeindeheim bleibt zunächst erhalten, wenn für Ersatz gesorgt werden kann, zum Beispiel innerhalb der Kirche oder der KiTa. Die Wohnungen, die sich in diesem Gebäude befinden, werden weiterhin vermietet. Das Pfarrhaus hat bereits den Status eines Mietshauses. Ein großer Einschnitt ist die Aufgabe der Pfarrkirche St. Joseph ab 2020 (C1). Sie steht jedoch für besondere Anlässe weiter zur Verfügung. Im Jahr 2030 erfolgt auch hier die Einstufung in Kategorie C2. Denn langfristig wird die Kirche St. Augustinus als Pfarrkirche im Süden von Gelsenkirchen gesehen.

Das benachtbarte Haus Eintracht soll unterdessen ein zentraler Ort der Pfarrei werden (A). Zukünftig werden dort das Pfarrbüro, die zentrale Verwaltung, die Friedhofsverwaltung sowie die Büros für die pastoralen Mitarbeitenden untergebracht. Ebenfalls finden dort die Aktivitäten der ansprechBAR, die Jugendarbeit und weitere Angebote der Amigonianer statt. Im Haus Eintracht werden auch die zukünftigen Dienstwohnungen für die bisherigen Ortspastöre (St. Antonius und Heilige Dreifaltigkeit) eingerichtet. Der Josephssaal in der ersten Etage soll zu Wohnraum umgewandelt und vermietet werden. Die frei werdenden Büroräume im Pfarrhaus werden ebenfalls zu Wohnraum umgewandelt und vermietet. Im Stadteill Schalke-Nord strebt die Pfarrei eine Präsenz in Kooperationen mit anderen Trägern an. Hier gehört die St.-Anna-Kirche bereits dem Sozialwerk St. Georg. Beim Personal der Pfarreiangestellten wird es den Planungen zufolge keine Kürzungen oder Entlassungen geben. Ein Abbau von Personalstellen erfolgt nur durch den Renteneintritt der Mitarbeitenden.

Boris Spernol