Unglücklich sieht er nicht gerade aus, der kleine König auf seinem Podest. Gute Aussicht und Übersicht hat er auch. Dennoch – und das macht ihn zum Symbol für den modernen Christen: Er scheint etwas vergessen zu haben. Er weiß nicht mehr, dass sein Podest auf dem Taufbecken steht. Und auch an die Krone im Halbschatten hinter seinem Rücken denkt er gerade nicht.
Was kann uns an den beiden Herrenfesten der Erscheinung des Herrn und der Taufe des Herrn die Figur von Diakon Ralf Knoblauch auf dem alten Taufbecken der Elisabethkirche in Bochum (Ausstellung Dezember 2017) sagen? Dass wir nicht vergessen sollen, auf welchem Fundament unser Christenleben steht. Auf dem der Taufe. Und dass wir bei dieser Taufe mit heiligem Chrisam, dem Königsöl, gesalbt wurden. Dass wir dabei eingegliedert wurden in das prophetische, königliche und priesterliche Gottesvolk (siehe 1 Petr 2,9). Und dass wir eng zugehören Christus, dem Herrn, der „gesalbt ist zum Priester, König und Propheten in Ewigkeit“ (Taufliturgie).
Erkenne deine Würde
So erinnern uns der vergessliche König auf dem Gerther Taufbecken, aber auch jede Taufe, die wir miterleben, und jede Tauferneuerung, auch die am Fest der Taufe Christi, an unsere eigene Taufe und die dort empfangene Königswürde. Papst Leo der Große pflegte dies bei seinen Taufspendungen im fünften Jahrhundert kurz und prägnant in vier Worten auszudrücken: „Christ, erkenne deine Würde!“
David wurde mit einem ganzen Horn voll duftenden Öles zum König geweiht. Auch das Haupt der englischen Königin wurde bei ihrer Krönung gesalbt. Bei der Bischofsweihe schließlich gibt es einen ähnlichen Ritus. Es kann uns schon nachdenklich machen, dass diese außergewöhnliche königliche Zeremonie der Salbung mit Chrisam eben nicht nur Königinnen, Königen, Bischöfen zuteil wird, sondern jedem „gewöhnlichen“ Christenmenschen. Damit erhält das neu getaufte Kind, der neu getaufte Erwachsene Anteil am königlichen Adel der Familie Gottes. Zu Christus, dem König, darf er Bruder sagen und zum unbegreiflichen Gott Vater.
Der heilige Ambrosius, geboren 339 in Trier, deutete den erwachsenen Neugetauften in seiner Mailänder Bischofskirche den Ritus der Chrisamsalbung folgendermaßen: „Wir alle werden in der Gnade des heiligen Geistes zu Königen gesalbt und zu Priestern.“ Seine Worte gelten uns allen, soweit wir das Besondere, das Außergewöhnliche unseres Christseins vergessen haben.
Was nun kann heute helfen gegen eine um sich greifende Vergessenheit von Taufe und Taufwürde? Vielleicht etwas mehr Tauftagsfrömmigkeit. Den Geburtstag feiern wir groß. Den Namenstag, der auch an die Taufe erinnern könnte, kaum noch. Und den Tauftag gar nicht. Nicht nur, dass wir ihn nicht feiern: Fast niemand kennt ihn überhaupt.
Im ersten nachchristlichen Jahrhundert bis über die Schwelle des zweiten war die Sache einfach. Solange man für Erwachsene und auch Säuglinge am Ostertauftermin festhielt, gab es alljährlich nur einen Tag des Taufgedächtnisses, eben Ostern oder einen Tag in der Nähe von Ostern.
Den Tauftag kennen
Anders wurde dies, als es Brauch wurde, die Kinder individuell und kurz nach der Geburt zu taufen. Es war Bischof Karl Borromäus, der im Jahrhundert der Reformation stark für ein privates Taufgedenken warb. In Teilen Europas kam es tatsächlich zu vermehrter Tauftagsfrömmigkeit. Die jedoch ist mittlerweile wieder verschwunden. Der französische Jesuit Paul Doncoeur erklärte das einmal mit der „indélicatesse de nos coeurs“, mit der Taktlosigkeit und Gedankenlosigkeit unserer Herzen.
Warum aber sollte es heute in der Zeit eines entschiedenen Christentums nicht wieder neu möglich sein, dass jede Christin, jeder Christ seinen eigenen Tauftag kennt?! Und warum nicht, dass sie und er ihn neben dem Geburtstag und neben dem Namenstag als dritten und stilleren persönlichen Feiertag im Jahreskreis ansieht und begeht!? Zur beständigen Erinnerung an die eigene königliche Würde.