Notker Wolf: Christen als Mutmacher

„In der Stunde der Populisten keine Angsthasen, sondern Hoffnungsträger, Tröster und Mutmacher sein“, forderte Notker Wolf die Christen der Mülheimer Gemeinde auf. Foto: Thomas Emons

Abtprimas Notker Wolf präsentierte sein Buch über christliche Hoffnung als Gegner der „German Angst“ in der Mülheimer Immanuelkirche

„Schluss mit der Angst“, schreibt der Alt-Primas des Benediktinerordens, Notker Wolf, in seinem neuen Buch und sagt es auch vor 120 Zuhörern in der evangelischen Immanuelkirche. Warum hat auch die Frohe Botschaft hierzulande nicht dafür gesorgt, dass die „German Angst“ verflogen ist und etwa 25 Prozent der Deutschen mindestens einmal in ihrem Leben an depressiven Angststörungen leiden? Was die christlichen Amtskirchen betrifft, so sagt er: „Jesus hat uns die frohe Botschaft gebracht, die uns vor allem eines sagt: ‚Fürchtet euch nicht‘. Und wir haben daraus ein Kirchenrecht und einen Katechismus gemacht!“ Dafür gibt es spontanen Applaus in der Mülheimer Kirche.

Angesichts der Flüchtlingsströme glaubt der 77-jährige Ordenspriester nicht daran, „dass sich Deutschland abschafft, sondern sich nur weiter entwickelt, und das nicht schlecht“. Er warnt vor den vermeintlich einfachen Lösungen der politischen Populisten und fordert die Christen dazu auf, „in der Stunde der Populisten keine Angsthasen, sondern Hoffnungsträger, Tröster und Mutmacher zu sein.“ Wolf ist überzeugt: „Das haben wir bitter nötig“ und verweist auf die Kraftquellen der Botschaft Jesu von der Liebe und einem unzerstörbaren Leben in Gottes Hand.

„Auf Basis des Neuen Testaments leben“

„Wir müssen einfach wieder lernen, auf der Basis des Neuen Testaments zu leben“, fordert der ehemalige Theologieprofessor und Ordensobere von 24.000 Benediktinern. Aus dem eigenen Dialog mit iranischen Theologen nimmt er die Erkenntnis mit: „Die Muslime lassen mit sich reden.“ Er plädiert aber auch für eine islamische Aufklärung und einen konsequenten Rechtsstaat, der die demokratischen Grundwerte durchsetzt. „Bei uns gilt eben nicht die Scharia, sondern das Grundgesetz“, unterstreicht Wolf.

Für den Benediktiner ist es auch kein Zeichen von Meinungsfreiheit, wenn „religiöse Werte, die Menschen heilig sind von anderen, die diese Werte nicht teilen, in den Dreck gezogen werden“. Mit Sorge sieht er die aktuelle Verfolgung der koptischen Christen durch islamische Fanatiker. Angesichts von weltweit 66 Millionen Flüchtlingen erinnert er seine deutschen Landsleute an die deutschen „Wirtschaftsflüchtlinge“, die es zum Beispiel im 19. Jahrhundert in die USA gezogen habe oder an die Vorbehalte, die es nach 1945 im Westen Deutschlands gegenüber den Flüchtlingen aus dem Osten des Landes gegeben habe. Und auch angesichts eines wechselseitigen Kulturschocks rät Wolf den Deutschen und den Flüchtlingen zu Geduld, Verständnis und Veränderungsbereitschaft. „Denn unser Land“, ist der bayerische Ordenspriester, der 16 Jahre lang in Rom gelebt und gearbeitet hat, überzeugt, „muss sich genauso verändern wie ein Unternehmen, um in der Welt von heute und morgen bestehen zu können“.

Ein Aspekt der „German Angst“, das war schade, aber wohl der begrenzten Zeit geschuldet, kam in den Betrachtungen des Notker Wolf nicht vor, nämlich die weitverbreitete soziale Existenzangst der arbeitssuchenden und prekär beschäftigten Menschen in unserem Land. Sie machen immerhin 30 Prozent unserer erwerbsfähigen Bevölkerung aus.

Thomas Emons

 

Info: Notker Wolf: Theologe und Wissenschaftler

Als Werner Wolf am 21. Juni 1940 in Grönenbach geboren, stand er als Abt-Primas von 2000 bis 2016 an der Spitze der benediktinischen Konförderation. Der Sohn eines Schneiders trat nach dem Abitur in das römische Benediktinerkloster von San Anselmo ein. In den 60er und 70er Jahren studierte er Theologie, Philosophie, Chemie, Zoologie und Astronomie. Anschließend lehrte er als Professor an der päpstlichen Hochschule in Rom Naturphilosophie und Wissenschaftstheorie. 1977 wählten ihn die Ordensleute der Abtei St. Ottilien zu ihrem Erzabt.