Über Künstliche Intelligenz wird derzeit viel diskutiert. Ist sie Fluch oder Segen? Sind Maschinen bald die besseren Menschen? In Halle/Saale debattierten Wissenschaftler nun über KI als theologische Herausforderung.
Können Roboter segnen? Durchaus. Beim Evangelischen Kirchentag im vergangenen Jahr in Wittenberg etwa ließen sich unzählige Besucher vom sogenannten Segensroboter „Bless-U2“ segnen. Der Einsatz war umstritten. In Halle/Saale verteidigte am Donnerstag der evangelische Pastoraltheologe Christian Grethlein den Segensroboter jedoch als „legitimes Instrument zur religiösen Kommunikation“ und Ergänzung der sonstigen Segenspraxis.
Bei einer Tagung zu Künstlicher Intelligenz (KI) als theologischer Herausforderung betonte der Münsteraner Professor: „Elementar ist allerdings das soziale Setting bei solch einem Einsatz.“ So sollten kirchliche Ansprechpartner in der Nähe sein, falls die Gesegneten im Anschluss das Gespräch suchten. „Manche empfanden den Robotersegen als hilfreich, fühlten sich dadurch getragen. Andere waren irritiert“, referierte Grethlein aus Auswertungen des Wittenberg-Einsatzes. „Es gab auch kirchenskeptische, atheistisch geprägte Menschen, die gesagt haben: Von dem Roboter habe ich mich segnen lassen. Von einem Menschen würde ich das nicht machen lassen.“
Mit ihrer zweitägigen Veranstaltung griff die Theologische Fakultät der Universität Halle eines der derzeit meistdiskutierten Top-Themen auf. So stellt das „Wissenschaftsjahr 2019“, vom Bundesforschungsministerium gemeinsam mit Wissenschaft im Dialog (WiD) ausgerichtet, KI in den Mittelpunkt, um das Thema mit einer breiten Öffentlichkeit zu diskutieren. Im Vatikan erörtert im Februar eine internationale Konferenz die Auswirkungen von Künstlicher Intelligenz und Robotern auf das Leben der Menschen.
Unterschiedlichste Zukunftsszenarien, Erwartungen und Ängste sind mit dem Thema KI verknüpft. „Künstliche Intelligenz ist auch eine theologische Herausforderung, und sie bedeutet, sich den Ambivalenzen stellen“, betonte Fakultätsdekan Daniel Cyranka. Als Aufgabe der Theologie sieht er dabei Grenzbestimmungen. Damit ist er auf einer Linie mit dem Direktor des Jesus College in Oxford, Nigel Shadbolt, der vergangene Woche in einem Interview ethische Grenzen und entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen forderte: „Maschinen mit Bewusstsein wird es nur geben können, wenn wir diese Möglichkeit ausdrücklich zulassen. Aber vielleicht wird ja genau das durch Gedankenlosigkeit passieren.“
Unterdessen warnte der evangelische Dogmatiker Dirk Evers in Halle: „Es kann nicht darum gehen, KI zu verteufeln.“ Die Kirche müsse zudem für die „Überforderungsdynamiken der Moderne“ sensibel werden: „Die Frage ist doch: Was treibt unsere Ängste und Sehnsüchte nach Superintelligenz an?“ Zweifelsohne gebe es zunehmende Erwartungen, mit Hilfe utopischer Technik existenzielle und soziale Probleme endgültig überwinden zu können.
Dabei sieht Evers durchaus Analogien zur Religion: „Mit der KI entsteht das Bild eines von uns geschaffenen Gottes, der potenziell alles weiß, was gewusst werden kann, und dem man seine Wege anvertrauen kann, weil es hier um Optimierung unseres Alltags geht, nicht aber um Heil oder Unheil.“ KI bediene in Teilen Versprechungen, die es auch in der Religion gebe, etwa Entlastung vom Entscheidungsdruck und Orientierung. „Religionskritisch müssen wir uns fragen: Haben wir dazu eine gute Alternative?“, so der Theologe.
Auf dem Vormarsch sind Roboter auch in Pflege- und Seniorenheimen. Dabei kommen sie sowohl als Alltagshelfer zum Einsatz wie auch als „Zuwendungsroboter“. Beliebt ist etwa die weiße, drei Kilo schwere künstliche Babyrobbe „Paro“, die auf Stimmen und Berührung mit Bewegungen und Robbengeräuschen reagiert und dazu animiert, sich mit ihr auseinanderzusetzen. „Eine generelle Ablehnung solcher Systeme scheint unangebracht“, findet Evers. „Denn sie können Kommunikation anregen, sozial positive Effekte erzeugen und schwierige Arbeiten erleichtern.“
Auch Grethlein sieht den Einsatz von Robotern in der Pflege nicht negativ, sondern nüchtern: „Die Zahl der Pflegebedürftigen wird in den kommenden Jahren so zunehmen, dass wir die Pflege allein durch Menschen nicht mehr werden leisten können.“