„Mutiger Blick in die Zukunft“

Bischof Franz-Josef Overbeck hat den emiritierten Essener Weihbischof Franz Grave zu dessen 60. Priesterjubiläum als einen mit unverwüstlicher Kraft arbeitenden, dynamisch denkenden, an der Soziallehre der Kirche orientierten Priester gewürdigt. Grave habe sich unermüdlich und sensibel für das Zusammenwirken der Kirche mit Bergbau, Arbeiterschaft und Industrie eingesetzt, sagte Overbeck im heutigen Gottesdienst in der Mülheimer Pfarrrkirche St. Mariä Geburt.

(Foto: Emons)

Ebenso, wie er bereits in seinen ersten Priesterjahren an der „missionarischen Dynamik“ des II. Vatikanischen Konzils mitgewirkt habe, äußere Grave sich heute mutig zu aktuellen kirchlichen Positionen – jüngst noch zur Forderung nach neuen Formen priesterlichen Wirkens im Interview mit dem Neuen Ruhr-Wort. Overbeck würdigte das Interview„als mutigen Blick in die Zukunft“ und bejahte dessen Forderung, „die Kirche nicht von neuen und zeitgemäßen Formen des Priestertums abzuschneiden“.

Das Sonntagsevangelium, in dem Jesus dem Simon Petrus den Auftrag gibt, von nun an Menschen zu fischen, nutzte Overbeck als Steilvorlage, in dem er den Jubilar als einen seelsorgerisch und sozialpolitisch aktiven Menschenfischer würdigt, „der wie Simon Petrus und seine Freunde auf das Wort Jesu hin noch einmal auf den See gefahren sind und ihre Netze ausgeworfen haben, obwohl ihr letzter Fang erfolglos war.“

In einer vergleichbaren Situation sind Overbeck auch die Priester des Ruhrbistums, die bald 62 Jahre nach der Gründung des Bistums feststellen müssten, dass der Anteil der Gottesdienstbesucher seit 1959 von 38 auf 8 Prozent zurückgegangen sei. Dennoch empfiehlt der Bischof Grave als Vorbild und warnt sie davor in Lethargie und Frustration zu versinken, „weil wir in unseren Netzen so viele Fische haben, die so ganz anders sind, als wir uns das vorstellen.“ Aber, so Overbeck weiter: „Aber es ist nicht unsere Aufgabe zu entscheiden, welches die guten und die schlechten Fische sind. Das steht allein Gott zu.“

Den Umbruch, den die katholische Kirche heute erlebt, vergleicht Overbeck mit dem „kulturellen Umbruch der Reformation, der die Kirche zunächst in ein Krise gestürzt, ihr dann aber auch eine neue Weite gegeben hat.“

Seine Zeit als „Adveniatbischof“ im Einsatz für die Kirchen von Lateinamerika und der Karibik gegen Habsucht, Unrecht und Umweltschäden habe Grave als Essener Weihbischof stark geprägt, sagte Overbeck. „Es bedeutet, mit der hohen Kunst der Kompromissfähigkeit möglichst viele Menschen zusammenzubinden, um so für sozialen Ausgleich zu sorgen und für eine Integration möglichst vieler Menschen in eine Gesellschaft, die sich für das Wohl aller einsetzt, niemanden schlecht redet und für Zuversicht und Offenheit bei gleichzeitig großer Ausdauer einsteht“, so Overbeck in seiner Predigt.

Franz Grave, 1932 in Essen geboren und 1959 zum Priester geweiht, war nach Kaplansjahren in Duisburg-Beek als Diözesanpräses für die Kolpingfamilien im Bistum Essen und die Katholische Arbeitsnehmer-Bewegung aktiv und leitete ab 1970 das Seelsorgeamt im Bischöflichen Generalvikariat. 1988 erhielt er die Bischofsweihe. Neben seinen Aufgaben als Weihbischof in Essen engagierte er sich als Vorsitzender des Bischöflichen Hilfswerks Adveniat und in der Päpstlichen Kommission für Lateinamerika.

Als „Pastor im Ruhestand“ arbeitet Grave seit  2008 mit in der Mülheimer Pfarrei St. Mariä Geburt. Dass der emeritierte Weihbischof in den vergangenen Jahren dort die Herzen seiner neuen Gemeinde gewonnen hat, zeigten der lang anhaltende Applausam Ende des Hochamtes.

Der vom Alter gebeugte, aber nicht gebrochene Priester ist sichtlich gerührt und dankbar für spontane Zuneigung, die ihm im 90 Jahre alten Kirchenschiff entgegenschlägt. „Dies ist ein schöner Tag. Und wenn mir der liebe Gott hilft, will ich nicht Nein sagen und das meinige dazu tun, damit wir zusammen noch einige schöne Tage erleben“, sagt Grave.

  Thomas Emons