Schock-Werner gegen zu schnellen Wiederaufbau von Notre-Dame

Die Kölner Architektin Barbara Schock-Werner sieht einen Wiederaufbau von Notre-Dame in fünf Jahren skeptisch. „Wenn es mit gründlichen Voruntersuchungen geschehen soll, ist es ein sehr sportlicher Termin“, sagte die 30. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron „will ja alle Denkmalschutzgesetze außer Kraft setzen. Das halte ich für problematisch“. Die frühere Kölner Dombaumeisterin reist am Dienstag mit Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) nach Paris.

Schock-Werner forderte, dass der Wiederaufbau „gründlich gemacht wird und dass es ein europäisches Projekt gibt“. Zuerst müsse der Schaden aufgenommen werden, bevor es an den Wiederaufbau gehe. So sei zu klären, was die Gewölbe halten und was nicht. „Da kann man nicht einmal rütteln und sagen ‚Hält noch‘. Man muss die Gewölbe vermessen, inwieweit sie verschoben sind.“ Der Lehrstuhl für Bauaufnahme der Universität Bamberg habe mit Laseraufnahme und Scans sehr viel Erfahrung, „da könnten deutsche Experten helfen“.

„Wir versuchen herauszufinden, inwieweit die französische Seite an Hilfe interessiert ist“, sagte Schock-Werner zu ihrer Reise nach Paris. „Wir wollen ja nicht als Besserwisser auftreten, sondern schauen, was sie brauchen können.“ Sie würde sich über eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich aber freuen.

Die Pariser Kathedrale benötigt laut Schock-Werner zunächst ein Notdach, „und zwar eines, unter dem man arbeiten kann“. Da brauche man Unmengen von Gerüstmaterial, Folien und mehr. „Da könnte Deutschland einspringen“, so die Architektin. „Wenn es wieder einen Holzdachstuhl gibt, stellt sich die Frage, ob sie deutsche Eichen brauchen oder nicht. Solche Dinge werde ich erst nach dem Besuch wissen.“

Schock-Werner war von 1999 bis 2012 Dombaumeisterin des Kölner Doms. Grütters will am Dienstag dem französischen Amtskollegen Franck Riester Unterstützung von deutscher Seite anbieten.

 

„Wir wollen nicht als Besserwisser auftreten“

Ex-Dombaumeisterin Schock-Werner im Interview zum Wiederaufbau von Notre-Dame

Von 1999 bis 2012 war Barbara Schock-Werner Kölner Dombaumeisterin. Die 71-Jährige soll im Auftrag von Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) die deutschen Hilfen zum Wiederaufbau der Pariser Kathedrale Notre-Dame koordinieren. Im Interview berichtete sie am Montag von ihren Erwartungen an die Restaurierung des Gotteshauses. Am heutigen Dienstag reist sie zusammen mit Grütters nach Paris.

Frau Schock-Werner, wie haben Sie von dem Brand in Notre-Dame erfahren?

Barbara Schock-Werner: Ich saß vor dem Fernseher und habe Abendnachrichten geguckt. Ich habe auch gesehen, wie der Vierungsturm umknickte. Das waren schlimme Bilder.

Kann man schon sagen, welche Schäden konkret bestehen?

Schock-Werner: Das dauert. Man muss sehen: Was halten die Gewölbe und was halten sie nicht? Da kann man nicht einmal rütteln und sagen „Hält noch“. Man muss die Gewölbe vermessen, inwieweit sie verschoben sind. Der Lehrstuhl für Bauaufnahme der Universität Bamberg hat mit Laseraufnahme und Scans sehr viel Erfahrung, da könnten deutsche Experten helfen.

Die Kulturstaatsministerin Monika Grütters hat Sie mit der Koordination der deutschen Hilfen beauftragt. Wie kam das?

Schock-Werner: Frau Grütters hat sich mit Bundeskanzlerin Angela Merkel kurzgeschlossen, weil sie eine Kontakt- und Koordinierungsperson brauchte. Da sind sie auf mich gekommen. Der Besuch der Ministerin bei ihrem französischen Kollegen Franck Riester war schon lange verabredet. Durch den Brand hat er natürlich eine andere Dimension bekommen. So wurde ich gebeten – als Teil der Delegation – mit nach Paris zu fahren. Derzeit wird versucht, dass bei dem Gespräch der General Jean-Louis Georgelin dazu kommt, der auf französischer Seite die Kontakt- und Koordinierungsperson ist. Wir versuchen herauszufinden, inwieweit die französische Seite an Hilfe interessiert ist. Wir wollen ja nicht als Besserwisser auftreten, sondern schauen, was sie brauchen können. Ich würde mich über eine Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich freuen.

Was ist Ihre Aufgabe als Koordinatorin?

Schock-Werner: Meine Aufgabe wird es sein, ein Konzept zu erstellen, das aufzeigt, welche Hilfen wir bieten könnten. Ich bin im Kontakt mit der deutschen Bauindustrie, es geht um große Baukräne. Es braucht ja ein Notdach über der Kirche, und zwar eines, unter dem man arbeiten kann. Da braucht man Unmengen von Gerüstmaterial, Folien und mehr. Da könnte Deutschland einspringen. Wenn es wieder einen Holzdachstuhl gibt, stellt sich die Frage, ob sie deutsche Eichen brauchen oder nicht. Solche Dinge werde ich erst nach dem Besuch wissen.

Haben sich schon viele Menschen bei Ihnen gemeldet, die helfen wollen?

Schock-Werner: Ja, eine ganze Menge. Die sammeln wir jetzt. Im Moment braucht man noch keine Steinmetze oder Dachdecker. Zuerst geht es an die Schadensaufnahme, bis es an den Wiederaufbau geht. Das ist ein Riesenschaden und muss erst einmal von Frankreich organisiert werden. Wichtig ist, dass Deutschland auch von höchster Stelle sagt, dass wir bereit sind zu helfen.

Auf welchen Gebieten hat Deutschland mehr Erfahrung als Frankreich und kann helfen?

Schock-Werner: Die französischen Kollegen sind gut. Aber die größten Baukräne überhaupt werden von einer deutschen Firma gebaut und geliefert. Da bin ich mit der Bauindustrie in Kontakt, ob die in der Lage wären, für diese Aufgabe etwa einen Portalkran zu konstruieren.

Halten Sie den von Macron angekündigten Wiederaufbau in fünf Jahren für realistisch?

Schock-Werner: Macron will ja alle Denkmalschutzgesetze außer Kraft setzen. Das halte ich für problematisch. Wenn es mit gründlichen Voruntersuchungen geschehen soll, ist es ein sehr sportlicher Termin.

Was würden Sie persönlich sich für den Wiederaufbau von Notre-Dame wünschen?

Schock-Werner: Dass es gründlich gemacht wird und dass es ein europäisches Projekt gibt. Denn es ist ja nicht mit einem neuen Dachstuhl getan, die brauchen auch neue Elektrik und neue Beleuchtung. Ich stehe bereit und kann bei Bedarf jemanden aus dem deutschen Gebiet suchen.

Von Nadine Vogelsberg (KNA)