Mit der „Meile“ und dem Open-Air-Gottesdienst beendeten Bottroper Christen am Berliner Platz den Stadtkirchentag und zogen eine positive Bilanz der Woche.
Bottrop. Meterhohe „Beachflag“-Fahnen für eine tolerante Stadt, Singende, die vergangenen Samstag „Komm Herr, segne uns“ und mehr erklingen ließen und Stühle, die als Liegesessel-Gruppe zum „Verweilen und Teilen“ unter Besuchern der Bottroper Kirchenmeile einluden. Das und einige hundert Aktive an Ständen christlicher Gemeinden sowie anderer Initiativen prägten am Berliner Platz das hundertjährige Bottrop beim Stadtkirchentag im Geist von Verständigung, Glauben und Menschennähe. Bereits einen Tag vor dem großen Abschluss-Sonntagsgottesdienst unter freiem Himmel an gleicher Stelle zogen die Organisatoren eine zufriedene und realistische Bilanz der an Pfingsten gestarteten Woche.

Ökumenischer Stadtkirchentag in Bottrop (Foto: Spernol)
„Natürlich haben wir nicht alle der über 20 Veranstaltungen wegen Überfüllung geschlossen,“ zeigte sich Margit Jung entspannt und froh. Sie war mit dem evangelisch freikirchlichen Pfarrer und ACK-Vorsitzenden Heinz-Bernd Meurer Koordinatorin der siebentägigen Großveranstaltung. Durchgängig gut besucht seien beispielsweise auch die fünf stündlichen Minuten-Andachten im sonst weniger frequentierten Stadtviertel an St. Suitbert am Quellenbusch gewesen.
„Zu Gast waren hier und anderswo wirklich interessierte Menschen zwischen dem Don Camillo-Puppentheater, Brass &Beats in der Martinskirche und der Nacht der Offenen Gotteshäuser.“ Sie resümiert: „Wenn Kirche öffentlich zeigt, wie sie die Stadt und den Alltag der Menschen mit Gebet, Kultur, Musik, Bewegung und Diskussion mitgestaltet, findet sie bei uns in Bottrop eine wohlwollende und nicht selten begeisterte Resonanz.“
Wasser gefährdete die „Weiße Picknick-Tafel“
Um diese Resonanz mussten die Aktiven am Samstag der Kirchenmeile aber auch fürchten. Denn leergefegt waren die vielen und vielfältigen Stände um elf, eine Stunde nach dem Start der „Meile“, inmitten längerer Starkregenphasen. Bis Mittag setzte der Himmel nicht nur die Liegestühle der City-Pastoral und Pakete „foliengesicherter“ Zeitungen am Stand des Neuen Ruhr-Worts unter Wasser, das Wasser fegte auch die Bank-Sitzfläche vor der meterhohen Musikbühne mit geschätzt 200 Sitzplätzen am „Kopf“ des Platzes leer.
Während sich später Passanten langsam neu an Ständen von den Katholischen Büchereien über die Caritas und die Evangelische Sozialberatung bis hin zu denen von Pfarreien und Sozialverbänden sortierten, sorgte Katholikenratsvorstand Andreas Pläsken mit Helfern an der Brauerstraße dafür, dass die gut 200 Meter lange Tafel weiß gedeckter Tische neu für das Picknick-Mahl mit Mitgebrachtem am Mittag benutzbar wurde.
Für die Präsentation der Eigener Liebfrauen-Gemeinde hatten sich kfd-Frauen wie die 51-jährige Gaby Erdmann federführend stark gemacht und auch andere einbezogen. „Wir haben Energie, uns hier zu zeigen und das lohnt“, betonte Erdmann. Mit allen anderen Eigenern berichtete sie am Stand über den monatlichen Sonntagstreff nach der Kirche, über „Mäuse“ und Kommunionkinder, KAB-Aktivitäten und über die Stiftung Liebfrauen zum Erhalt der Kirche, dem „Eigener Dom“.
Mit Rüdiger Becker vom Kirchenvorstand ist sie überzeugt davon, dass es jetzt die Sache der Ehren- und Hauptamtlichen ist, Kirche auch in zehn oder 20 Jahren noch lebendig zu halten. Die kfd-Frau, die deshalb auch Maria 2.0 offen unterstützt hatte: „Das Ringen um den Kirchbau ist eines der wichtigen Argumente für unseren Einsatz.“ Schließlich habe der Bischof die Pfarrei und die Eigener Ehrenamtlichen um ein aktives Zukunftskonzept gebeten, als er beim Votum den nur vorläufigen Kirchenerhalt in Eigen bis 2025 festschrieb.
Andere Anliegen vermittelt die evangelische Theologie-Studentin Tabea Gutmann (28) vor Plakaten gegen (Kinder)-Sklaverei. „Es gibt eine zu große Lücke zwischen ethisch-christlichem Einsatz und dessen wenig wirksamen Handeln in der Politik.“ Als „Botschafterin“ der weltweit tätigen Menschenrechtsorganisation „IJM“ hatte sie sich mit Freunden beim Stadtkirchentag gemeldet. Passend zum IJM-Motto „Menschen schützen“ und dem Einsatz für deren Würde und Gerechtigkeit beklagt sie, dass es weltweit 40 Millionen Arbeits- oder Sexsklaven, darunter zehn Millionen Kinder gibt.
Warum Tabea hier auf dem Platz steht? „Wir glauben an Gott, dessen Herz für Gerechtigkeit steht und dabei unter Menschen weltweit keine Unterschiede macht.“ Deshalb sei es notwendig, Grenzen von Gewalt zu überwinden, die Armut, Hunger und weitere Ausbeutung wie den Verkauf von Kindern zur Sklaverei verursache.
Jugendliche boten Kistenklettern und auch Stockbrot
Zwischen kreativen Mitmach- und Bastel-angeboten der katholischen Büchereien, dem spendenbasierten Verkauf eines Integrations-Eises mit schwarzen Hörnchen und Informationen der Neuapostolischen Gemeinde gibt es am Stand der ACK im Zentrum des Platzes zwei wichtige Bücher. Aktive um den evangelischen Pastor Heinz-Bernd Meurer haben einerseits eine kostbar eingefasste Bibel aus der von Margit Jung begleiteten Kirchentags-Ausstellung in Heilig Kreuz auf den Berliner Platz geholt. Gleichzeitig präsentieren sie in einer antik-gestylten Kladde Gemälde und Notizen von Ausstellungsbesuchern, Psalmen, Propheten oder Evangelien-Worten. Alles zeigt hier in der City, was Ausstellungs-Besucher positiv mit dem Wort Gottes verbinden.
Das ist nur ein Zeugnis zum Thema Licht, Salz und Handeln aus dem Glauben, dessen Botschaft vom Stadtkirchentag ausgeht. Ein anderes ist das vieler Sängerinnen, Sänger und Musiker aus Chören und Gruppen der katholischen und evangelischen Gemeinden und das Jugendlicher aller Kirchen im Jugend-Areal am Ehrenplatz. Die Musiker an der großen Bühne luden als Projekt- oder Kirchenchöre und Instrumentalgruppen zum Mitsingen und -summen bei Neuen Geistlichen und Taizé-Liedern, bei Dixieland-Klängen und traditionellen Kirchenlied-Melodien zum Mit-Schwingen ein.
Am Ehrenplatz-Park dagegen waren engagierte junge Menschen der Evangelischen Jugend, der Pfadfinder und der KJG von morgens um acht bis zum Abend im Einsatz. Nach dem Aufbau einer Jurte, einer Hüpfburg oder des durch Begleiter mit Seil und Gurt gesicherten Kistenkletterns mussten sie Stunden warten, bis Kinder und Eltern nach dem Regen den Weg zum Kinder- und Jugend-Areal fanden. Einmal an „ihrem“ Platz, freuten sich die Kinder dann über Feuer und Stockbrot im Pfadfinder-Zelt, über Schminke und Schmetterlingsmasken vom Kinn bis zur Stirn sowie an Geschicklichkeitsübungen im Park. Solche Erlebnisse blieben bei ihnen mindestens bis zum Abend, die spontanen Bibelkommentare und -Illustrationen in der Kladde aus Heilig Kreuz bleiben bis über den Kirchentag hinaus.
In der Erinnerung an den Ökumenischen Stadtkirchentag werden auch die gemeinsame Dialogpredigt von Weihbischof Wilhelm Zimmermann und Oberkirchenrat Dr. Ulrich Möller und das Gebet der Gläubigen für die Stadt bleiben. „Der Glaube ist keine fade Einheitspampe“, rief Müller den knapp 400 Gläubigen zu. In jedem Lebensalter schmecke der Glaube etwas anders, erläutert er, der an diesem Tag seinen 71. Geburtsag feierte. „Salz sein, Licht sein, Christ sein“ das Mottolied der Woche, sang die große ökumenische Gemeinde. Sie wurde von einem extra für diesen Tag zusammengestellten Orchester unter Leitung von Regina Schumacher unterstützt.
Im Gebet für die Stadt waren die Liturgen Pfarrerin Anne Hanhörster, Propst Jürgen Cleve und Pastor Heinz Bernd Meurer mit Oberbürgermeister Bernd Tischler mit allen Anwesenden vereint. In Dank und Segen zog Meurer als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen ein positives Fazit des Ökumenischen Kirchentages: „Es ist gut, hier in Bottrop zusammen Christ zu sein – und die Christinnen und Christen tun der Stadt gut.“