Coesfeld –Der katholische Sozialpfarrer und Menschenrechtler Peter Kossen hat am Samstag mit einer angemeldeten „Ein-Mann-Demo“ gegen die Arbeitsbedingungen in Fleischfabriken und Schlachthöfen demonstriert. Fast drei Stunden lang stand er mit Schildern wie „Moderne Sklaverei beenden“ vor dem Werkstor von „Westfleisch“ im westfälischen Coesfeld. Der Schlachtbetrieb war am Freitag geschlossen worden, nachdem mehr als 100 Beschäftigte positiv auf das Corona-Virus getestet worden waren.
„Das kann nur ein Anfang sein“, sagte Kossen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA): „Die Reißleine musste gezogen werden, weil offensichtlich wurde, dass man sich auf die Zusagen der Betriebe nicht verlassen kann.“ Das betreffe nicht nur „Westfleisch“, sondern auch viele andere Fleischfabriken. Er hoffe, dass Niedersachsen jetzt „nachzieht“ und auch die dortigen Schlachthöfe und Betriebe „stärker kontrolliert und gegebenenfalls schließt“.
„Ein Systemwechsel ist dringend notwendig“
„Ein Systemwechsel ist dringend notwendig“, ergänzte der Theologe. Unter anderem müsse die Corona-Vorschrift „Ein Mensch – ein Raum“ auch in der Fleischindustrie durchgesetzt werden. Momentan aber seien Massenunterkünfte für die meist ausländischen Arbeiter der Regelfall, in denen zum Teil auch sehr schlechte hygienische Bedingungen herrschten. Außerdem würden die meisten „in vollgestopften Bussen zur Arbeit gekarrt“, was das Infektionsrisiko weiter erhöhe.
Saisonarbeiter in Fleischindustrie und Landwirtschaft stünden dem Virus oft wehrlos gegenüber, so Kossen weiter. Ihre Lebensbedingungen müssten grundsätzlich verbessert werden. Weitere Infektionen seien sehr wahrscheinlich. Die Behörden müssten den Betrieben „endlich auf die Füße treten“, damit diese für menschenwürdige Arbeitsbedingungen sorgen. Zum Beispiel müssten sie freie Hotelkapazitäten und andere Alternativen für eine bessere Unterbringung nutzen.
Schlachtbetrieb in Coesfeld wird geschlossen
Kontrolliert werden, so der Sozialpfarrer, müsse auch, ob die Arbeitskräfte nach der Schließung der Werke weiter wie vorgeschrieben bezahlt würden. Diese seien oft bei Fremdfirmen und Subunternehmen angestellt und damit in einer „Grauzone“ beschäftigt, die man sich gerade in dieser Zeit genau anschauen müsse, so Kossen: „Wenn die Politik das will, kann sie das kontrollieren und regeln.“
Im Rahmen der Ausbruchsbekämpfung von SARS-CoV-2-Infektionen hatte der Landrat des Kreises Coesfeld am Freitag (8. Mai 2020) die Schließung des Schlachtbetriebs in der Kreisstadt Coesfeld angeordnet. Mehr als 100 Beschäftigte waren nach Angaben der Bezirksregierung in den vergangenen Tagen positiv auf das Coronavirus getestet worden, die Ergebnisse weiterer Tests standen noch aus. Die Schließung durch den Kreis Coesfeld erfolgte den Angaben zufolge in enger Absprache mit dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales (MAGS) des Landes Nordrhein-Westfalen und der Bezirksregierung Münster.
Vorgaben zum Infektionsschutz nicht beachtet wurden
Eine Kontrolle des Betriebs durch Arbeitsschützer der Bezirksregierung am heutigen Freitag (8. Mai 2020) hatte unter anderem ergeben, dass Infektionsschutz-Vorgaben sowohl im Zerlegebetrieb als auch in den Umkleiden nicht beachtet worden seien, so ein Sprecher der Bezirksregierung. Entsprechend der Anweisung des MAGS werden alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die überwiegend bei Subunternehmen des Betriebes beschäftigt sind, auf das Corona-Virus getestet. Der Kreis hatte in den letzten Tagen bereits damit begonnen. Mehr als 650 Abstriche auf Veranlassung des Kreises sind bislang erfolgt. Nach ersten Hinweisen hatte das Kreisgesundheitsamt eine aktive Fallsuche betrieben.
Direkte Kontaktpersonen von Infizierten werden den Vorgaben des Robert-Koch-Instituts entsprechend unter Quarantäne gestellt. „Die Arbeitsschützer der Bezirksregierung werden das Kreisgesundheitsamt auch bei der Überprüfung in den Unterkünften der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unterstützen“, erklärte Regierungspräsidentin Dorothee Feller.
Tests werden während des Wochenendes fortgesetzt
Die Tests werden auch während des Wochenendes fortgesetzt. Landrat Dr. Christian Schulze Pellengahr betont: „Wir tun gemeinsam alles dafür, um das Infektionsgeschehen in Belegschaft und Bevölkerung einzudämmen. Dazu dienen die auch heute fortgeführten umfangreichen Testungen.“ Die Analyse habe jedoch ergeben, dass es unumgänglich ist, neben der Überprüfung der Gemeinschaftsunterkünfte, den Betrieb zu schließen, um Infektionsquelle und -risiko auszuschließen.
Zur weiteren Ausbruchsbekämpfung werde der Kreis Coesfeld für die Dauer einer Woche von den Änderungen der Corona-Maßnahmen ausgenommen, die in Nordrhein-Westfalen ab 11. Mai gelten, hieß es am Freitag. Dazu gehören unter anderem die Lockerung des Kontaktverbots, Öffnungsmöglichkeiten für die Gastronomie und die Beschränkung des Einzelhandels auf Flächen von 800 Quadratmetern. Die neuen Regelungen zur Wiederaufnahme des Schul- und Kita-Betriebs gelten vom kommenden Montag den Angaben zufolge dagegen auch im Kreis Coesfeld.