Bonn – Benedikt XVI. (2005-2013) hat seinen Vorgänger Johannes Paul II. (1978-2005) als „befreienden Erneuerer der Kirche“ gewürdigt. Zu dessen 100. Geburtstag am 18. Mai schrieb der emeritierte Papst einen Brief an Kardinal Stanislaw Dziwisz, den langjährigen Privatsekretär des polnischen Papstes. Die Polnische Bischofskonferenz veröffentlichte am Freitag den auf den 4. Mai datierten Brief. Darin schildert Benedikt XVI. den Papst aus Polen als jemanden, der in den Zweifeln und Unsicherheiten der Kirche nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) neuen Mut gemacht habe.
Dies sei nur möglich gewesen, weil 1978 der neue Papst „aus einem Land kam, in dem die Rezeption des Konzils positiv gewesen war“. Es sei unvermeidbar gewesen, dass Johannes Paul II. mit seiner Art, den Glauben der Kirche und ihre menschliche Weisung umfassend neu darzustellen, „in den von Zweifeln erfüllten Kirchen des Westens Widerspruch ausgelöst“ habe.
Dabei, so Benedikt XVI., sei sein Vorgänger nicht der vielfach gescholtene Moralist gewesen. Das Zentrum der Theologie Johannes Pauls II. sei der Glaube an Gottes Barmherzigkeit. Dieser Impuls der polnischen Ordensfrau Faustina Kowalska (1905-1938) habe Karol Wojtyla sein Leben lang begleitet. Die Überzeugung, dass Gottes Erbarmen stärker ist als menschliche Schwachheit, verbinde ihn im Übrigen mit den Grundintentionen von Papst Franziskus.
Auseinandersetzung zwischen Ratzinger und Johannes Paul II
In seinem Brief erwähnt der frühere Papst zudem eine Auseinandersetzung zwischen ihm und Johannes Paul II. Als dieser ein eigenes Fest zur göttlichen Barmherzigkeit einführen wollte und als Datum den Weißen Sonntag vorschlug, habe die Glaubenskongregation unter seiner Leitung zweimal Nein gesagt. Das traditionsreiche Datum solle nicht mit einer neuen Botschaft überlagert werden. Schließlich habe man sich aber geeinigt, wie beide Anliegen am Sonntag nach Ostern vereinigt werden könnten.
Zudem geht Benedikt XVI. auf eine von „verschiedenen intellektuellen Kreisen“ angestoßene Diskussion ein, dem Papst aus Polen den Beinamen „der Große“ zuzuerkennen. Dieses Attribut erhielten bisher nur zwei Päpste: Leo I. (440-461) und Gregor I. (590-604). Zwar sieht Benedikt XVI. Parallelen zwischen den drei Päpsten – so habe wie Leo und Gregor auch Johannes Paul II. „über keinerlei militärische oder politische Macht“ verfügend mit der Kraft des Glaubens politisch-gesellschaftlich viel verändert. Die Frage, ob auch der Papst aus Polen „der Große“ genannt werden solle, ließ er aber offen.