Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat laut Medienberichten ein Dekret zur Nutzung der Hagia Sophia als Moschee unterzeichnet. Am heutigen Freitagabend wolle er sich überdies in einer TV-Ansprache an die Bevölkerung wenden.
Kurz zuvor war bekanntgeworden, dass das Oberste Verwaltungsgericht in der Türkei den Status des berühmten Bauwerks als Museum annuliert hatte. Damit könnten rein rechtlich in der Hagia Sophia wieder religiöse Zeremonien stattfinden. Seit 2004 versucht eine nationalistische Vereinigung für Denkmalschutz, die Hagia Sophia wieder als islamisches Gotteshaus zu nutzen, scheiterte damit jedoch wiederholt.
Theologe will freigelegte christliche Mosaike und Gemälde verbergen
Der islamische Theologe und Berater von Präsident Erdogan, Ibrahim Kalin, begrüßte die Gerichtsentscheidung als „Heilung einer lang schwärenden Wunde“. Jetzt fehlten nur noch die administrativen Durchführungsbestimmungen zu dem höchstgerichtlichen Beschluss durch das Präsidial- und das Religionsamt in Ankara, um die Hagia Sophia wieder in eine Moschee umzuwandeln.
Auch gelte es, die während der Museumszeit freigelegten christlichen Mosaiken und Gemälde zu verbergen, vorerst durch ihre Verhüllung. Er gehe davon aus, dass die Türkei den vierten Gedenktag an das Scheitern des Putschversuchs gegen Erdogan vom 16. Juli 2016 mit Dankgebeten in der Hagia Sophia begehen könne, so Kalin.
Kritik von der russisch-orthodoxen Kirche
Kritik kam von der russisch-orthodoxen Kirche. „Wir müssen feststellen, dass die Sorgen von Millionen Christen nicht gehört wurden“, sagte Kirchensprecher Wladimir Legoida der russischen Nachrichtenagentur Interfax.
Der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. von Konstantinopel, dessen Vorgänger bis zur osmanischen Eroberung 1453 in der Hagia Sophia ihren Sitz hatten, erhielt die Nachricht von der Gerichtsentscheidung in der kleinen Georgs-Kirche, die ihm als Kathedrale dient. Er feierte dort die Vigil auf den Festtag der heiligen Euphemia, der Konzils- und Stadtpatronin von Chalkedon (heute: Kadiköy) auf der asiatischen Seite des Bosporus. Zur Entscheidung in Sachen Hagia Sophia äußerte Bartholomaios sich zunächst nicht.
537 als Reichskirche geweiht
Die Hagia Sophia („Göttliche Weisheit“) wurde im Jahr 537 als Reichskirche des griechisch-orthodoxen Kaiserreichs Byzanz geweiht und war die größte Kirche des Christentums. Nach der Eroberung Konstantinopels, des heutigen Istanbul, durch die türkischen Osmanen wurde sie 1453 zur Moschee und mit Minaretten versehen. Republikgründer Mustafa Kemal „Atatürk“ machte sie 1934 zu einem Museum. Seit 1985 stehen die Hagia Sophia und andere historische Bauwerke Istanbuls auf der Unesco-Liste für das Weltkulturerbe.