Berlin/Luxemburg – Naturschützer üben scharfe Kritik an der Einigung der EU-Agrarminister zur künftigen Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Der World Wide Fund for Nature (WWF) warnte am Mittwoch in Berlin vor einer „Katastrophe für den Natur- und Klimaschutz“ durch die Fortsetzung einer „zerstörerischen Subventionspolitik zugunsten großer Agrarkonzerne“.
Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) als derzeitige EU-Ratspräsidentin sprach dagegen von einem „Meilenstein“ und einem „Systemwechsel“. Mit der Reform der GAP sei „eines der zentralen Ziele der deutschen Ratspräsidentschaft erreicht“. Trotz der unterschiedlichen Agrarstrukturen der 27 Mitgliedstaaten führe man nun erstmals einen verpflichtenden Standard für den Umwelt- und Klimaschutz ein. Dies sei ein wichtiger Schritt für „mehr Nachhaltigkeit, Fairness und Wettbewerbsgerechtigkeit“ in der EU. Klöckner nannte die Anforderungen der Einigung „praxistauglich und umsetzbar“. Der dadurch entstehende Mehraufwand für die Landwirte werde honoriert.
Natur in Europa in „miserablem Zustand“
Der WWF beklagt dagegen, obwohl sich die Natur in Europa in einem „miserablen Zustand“ befinde und das Artensterben auf Wiesen und Feldern weiter voranschreite, legten die EU-Minister eine „desaströse Positionierung zur GAP-Reform vor“. Der noch nicht offiziell vorliegende Beschluss des Agrarrates sieht laut WWF-Angaben vor, dass die Mitgliedstaaten nur 20 Prozent der EU-Direktzahlungen für ökologisch wirksame Maßnahmen verwenden müssen. Damit missachteten die Minister eine „Fülle wissenschaftlicher Einschätzungen und Empfehlungen zur strikten unmittelbaren Kopplung“ der Zahlungen an messbare Ökosystemleistungen. WWF-Naturschutzvorstand Christoph Heinrich spricht von einem „faulen Kompromiss“ ohne ökologischen Mehrwert. Die Organisation verlangte 30 bis 50 Prozent Kopplung.
Derzeit verhandeln auch die Abgeordneten des EU-Parlaments über eine gemeinsame GAP-Positionierung. Am Dienstagabend stimmte eine Mehrheit der Abgeordneten gegen grundlegende GAP-Reformen für die Jahre 2023 bis 2027. Der Bundesgeschäftsführer des Naturschutzbundes Deutschland (NABU), Leif Miller, sprach von einem „gewaltigen Rückschritt für den Umwelt- und Klimaschutz“. Mit Blick auf die sich weiter verschärfende Klima- und Artenkrise bräuchte es eine grundlegende Reform.
Verschwinden vieler gefährdeter Arten droht
„Die EU hätte dafür sorgen müssen, dass auf allen Betrieben ausreichend Raum für die Natur zur Verfügung steht und Landwirte belohnt werden, die klima- und naturverträglich arbeiten“, so der Naturschutzbund. Mit dem, was nun verabschiedet wurde, drohe „das Verschwinden vieler gefährdeter Arten und Lebensräume“.
Der WWF warnte: „Sollten sich auch die EU-Parlamentarier am Ende nicht für eine fortschrittliche Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik aussprechen, könnten die anschließenden Trilogverhandlungen zu einem Desaster für den Klima- und Umweltschutz werden“. Die bisherigen Abstimmungen liefen auf eine „deutliche Verwässerung der qualitativen Anforderungen“ hinaus. Eine endgültige Entscheidung des EU-Parlaments wird für Freitagabend erwartet.
Hauptziele der Biodiversitätsstrategie der EU werden verfehlt
Laut dem jüngsten Bericht der Europäischen Umweltagentur (EEA) zur biologischen Vielfalt vom Wochenbeginn sind 81 Prozent der von der EU geschützten Lebensräume in einem schlechten Zustand; die Hauptziele der Biodiversitätsstrategie der EU werden verfehlt. Beim Erhalt und Zustand der Arten schneiden nach Angaben der Naturschützer nur vier EU-Länder noch schlechter ab als Deutschland.