Stabwechsel in St. Johann Baptist

Ein Stabwechsel steht in St. Johann Baptist in Essen bevor: Michael Dörnemann tritt die Nachfolge von Thomas Zander an.
St. Johann Baptist

Ein Plakat wirbt für den Erhalt der Kirche St. Johann Baptist. (Foto: Ulrike Beckmann)

Essen- Ein Stabwechsel steht in St. Johann Baptist in Essen bevor: Michael Dörnemann tritt die Nachfolge von Thomas Zander an. Problemfelder gibt es in Altenessen derzeit viele. Doch genau das hindert ihn nicht daran, die neue Aufgabe anzunehmen. Ab 1. November ist Domkapitular Michael Dörnemann Leiter der Altenessener Pfarrei St. Johann Baptist. Er übernimmt damit für die kommenden Monate die Rolle als Pfarradministrator von Dompropst Thomas Zander, dessen Zeit nach zwei Jahren endet. „Man darf die Leute dort jetzt nicht alleine lassen“, betont Dörnemann, der auch Leiter des Dezernates Pastoral im Generalvikariat ist. Die Altenessener hätten eine schwierige Vergangenheit, die nicht einfach beiseite geschoben werden könne. Und auch die anstehende Fusion mit der Nachbarpfarrei St. Nikolaus in Stoppenberg, die bis Sommer 2021 erfolgen soll, wird die Menschen vor Herausforderungen stellen. 

Entwicklungen um Marienhospital hatten alles überlagert

Eigentlich hatte die neue Pfarrei bereits im Herbst dieses Jahres mit dem Weggang von Thomas Zander gegründet werden sollen. Doch zuletzt die Coronakrise, vor allem aber in den vergangenen zwei Jahre die Entwicklungen um das Altenessener Marienhospital hatten alles andere überlagert. Der Krankenhausträger Contilia hatte zunächst einen Neubau des Marienhospitals verfolgt, für den die Pfarrkirche St. Johann Baptist – anders als im Votum des Pfarreientwicklungsprozesses beschlossen – hätte abgerissen werden müssen. Anfang des Jahres hatte das Unternehmen angekündigt, seine Tochter Katholisches Klinikum Essen GmbH (KKE), zu dem das Marienhospital sowie das Stoppenberger St.-Vincenz-Krankenhaus gehören, verkaufen zu wollen. Der Neubau hätte mit einem anderen Betreiber weiterverfolgt werden können.

Im Sommer dann die überraschende Kehrtwende: Die KKE solle nicht mehr verkauft werden, der ursprünglich geplanten Neubau des Marienhospitals aber nicht weiter verfolgt werden. Stattdessen werden jetzt sowohl das Marienhospital als auch das St.-Vincenz-Krankenhaus geschlossen. Obwohl das Aus erst für Ende des Jahres angekündigt war, sind im Marienhospital bereits mehrere Abteilungen geschlossen. Seit Oktober werden Patienten nicht mehr stationär aufgenommen, die Intensivstation ist eingestellt.

Desaster für den Essener Norden

Die unerwarteten Entwicklungen haben Mitarbeiter, Bewohner, aber auch die Menschen der Pfarrei fassungslos zurückgelassen. Von einem Desaster und einem schweren Schlag für den Essener Norden, spricht Thomas Zander in diesem Zusammenhang, auch für die Menschen in St. Johann Baptist. In den vergangenen Jahren hatten sie sich stark mit dem Projekt identifiziert – das aber gleichzeitig zu massiven Spannungen geführt hätte. Schließlich waren längst nicht alle einverstanden mit dem Abriss der Kirche, für deren Erhalt sich stattdessen die Initiative „Rettet St. Johann“ stark gemacht hatte. Von einem Scherbengericht und von verbrannter Erde sprechen Zander und Dörnemann, die Contilia zurückgelassen habe. 

Wie genau es mit der Krankenhauslandschaft weitergehen wird, wissen sie nicht.  Abgesehen vom Ausbau des Borbecker Philippusstiftes war zuletzt von einer Kooperation mit dem Universitätsklinikum die Rede und davon, eine neue medizinische Versorgungsstruktur zu etablieren. Doch auch das haben Zander und Dörnemann wie viele andere nur aus der Presse erfahren. Der Mangel an Kommunikation seitens der Contilia sei oft beklagt worden, so Zander. 

Enttäuschung und Ernüchterung

Der Neubau des Marienhospitals wäre mit vielen Vorteilen verbunden gewesen, sagt er. Das sei unter anderem zum einen der Neubau einer Kirche gewesen, die in den Krankenhausbau integriert worden wäre, zum anderen die Innovation für den Stadtteil, den viele mit einem modernen Klinikbau erwartet hatten. Davon müssten sich die Menschen jetzt lösen und mit einer neuen Perspektive in die Zukunft gehen. 

In der Pfarrei herrsche in weiten Teilen Enttäuschung und Ernüchterung vor, genauso wie Wut und Ärger über die sprunghaften Entscheidungen der Contilia. Immerhin war beim schon erfolgten Verkauf des Kirchengrundstücks eine Rücknahmeoption in den Vertrag aufgenommen worden. Den Weg für eine Rücknahme der Kirche, des Pfarrzentrums und Pfarrhauses hat der Kirchenvorstand mit einem einstimmigen Beschluss frei gemacht. Auch die dafür notwendige schriftliche Erklärung der KKE liege vor. Der juristische Vorgang laufe, erklärt Zander. Mit der Verkaufssumme von 1,1 Millionen Euro hatte die Pfarrei bereits Investitionen im Jugendheim getätigt. Wie damit umzugehen sei, sei jetzt ebenfalls Bestandteil dieses juristischen Prozesses, über dessen Dauer Zander keine genauen Angaben machen kann. 

Versöhnungsarbeit eine große Aufgabe

Auch wenn die Pfarrkirche jetzt erhalten bleibt, sehe laut Zander auch die Initiative „Rettet St. Johann“ keinen Grund zum Jubel. Zwar freue sie sich über den Erhalt, sähe aber die vielen offenen Fragen, die mit den aufgegebenen Plänen einhergingen – wie: Was wird aus den Mitarbeitern des Krankenhauses? Wie wird die medizinische Versorgung aussehen? Was wird aus dem Krankenhausgebäude in unmittelbarer Nachbarschaft? Gibt es dafür einen Investor? 

Eine große Aufgabe wird auch die Versöhnungsarbeit in der Pfarrei sein, die sich über den geplanten Kirchenabriss entzweit hatte. „Man muss dort zu einem neuen und anderen Miteinander kommen“, weiß Dörnemann. Es gebe bereits „zarten Pflänzchen“, sieht es Zander, die aber noch gut gepflegt werden müssten. „Es ist eine Illusion zu glauben, dass jetzt einfach der Schalter umgelegt werden kann“, sagt er. Das alte Votum, das den Erhalt von St. Johann Baptist vorgesehen hatte, könne jetzt umgesetzt werden – und die seit zwei Jahren bestehende Fusionsgruppe ihre Arbeit wieder aufnehmen. 

Gläubige sehen Fusion als sinnvoll an

Gegen den Zusammenschluss der Pfarreien habe es in den Augen von Zander und Dörnemann keine Widerstände gegeben. Die meisten Gläubigen schienen der Meinung zu sein, dass sie Fusion sinnvoll ist und angegangen werden müsse. Auch wenn Dörnemann viele Menschen und Gremienvertreter erst auf der Pfarrversammlung am 28. Oktober kennen lernen wird, sieht er schon jetzt viele Engagierte, die sich in dem „nicht einfachen“ Stadtteil mit einem hohen Ausländeranteil und einer abnehmenden Zahl von Katholiken für eine gemeinsame Zukunft einsetzen wollen. Zukünftiger Pfarrer wird Norbert Linden sein, der bisher St. Nikolaus leitet und dann die Geschicke von rund 25.000 Katholiken lenken wird.

Verknüpfungspunkte der Altenessener und Stoppenberger gebe es bereits, erläutert Zander. Die Verwaltung genauso wie die Pfarrgemeinderäte und die Pastoralteams der Pfarreien hätten bereits zueinander gefunden. Und auch in der Namensfindung für die neue Pfarrei hätten die Engagierten bisher gut zusammengearbeitet. Alles Weitere wie die Entscheidung für eine neue Pfarrkirche müssen die nächsten Monate mit sich bringen. 

Wenig Verständnis für Vatikan-Instruktion

Der Einsatz Ehrenamtlicher werde aufgrund fehlender Priester sicherlich eine große Rolle auch in der Zukunft der neuen Großpfarrei spielen, weswegen sowohl Zander als auch Dörnemann wenig Verständnis für die jüngst erschienene und viel diskutierte Instruktion des Vatikans haben, die die Rolle des Pfarrers herausstellt. „Das Schreiben geht an den Realitäten vorbei“, findet Dörnemann. Im Bistum Essen seien die Katholiken auf andere Leitungsmodelle angewiesen, die sich nicht nur an der Person eines Pfarrers orientieren und stattdessen in den Händen mehrerer Akteure liegen. Dörnemann: „Wir müssen Kirche vor Ort leben und lebendig gestalten.“

Ulrike Beckmann