Historiker: Anerkennung des Völkermords „überfälliger Schritt“

Der Historiker Jürgen Zimmerer begrüßt die Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama durch Deutschland und sieht zugleich wichtige Fragen offen.
Passau – Der Historiker Jürgen Zimmerer begrüßt die Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama durch Deutschland und sieht zugleich wichtige Fragen offen. Die Anerkennung sei zwar ein "überfälliger Schritt", doch "wenn es um Aussöhnung geht, muss man das mit den Nachfahren der Opfer tun", sagte er der "Passauer Neuen Presse" (Samstag). Zimmerer kritisierte, dass wichtige Gruppen der beiden Völker an dem Abkommen nicht beteiligt gewesen seien und die versprochenen Gelder lediglich als Hilfen kommen sollten.

Das Volk derHerero war nicht am Abgkommen beteiligt–Symbolfoto: Peter Jupke/Pixabay

Der Historiker Jürgen Zimmerer begrüßt die Anerkennung des Völkermords an den Herero und Nama durch Deutschland und sieht zugleich wichtige Fragen offen. Die Anerkennung sei zwar ein „überfälliger Schritt“, doch „wenn es um Aussöhnung geht, muss man das mit den Nachfahren der Opfer tun“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“ (Samstag). Zimmerer kritisierte, dass wichtige Gruppen der beiden Völker an dem Abkommen nicht beteiligt gewesen seien und die versprochenen Gelder lediglich als Hilfen kommen sollten.

„Hilfe ist etwas, was den Geber moralisch erhöht, während Wiedergutmachung eine Pflicht ist, die ich habe, weil ich etwas falsch gemacht habe“, erklärte der Historiker. In diesem Fall müsse es um Wiedergutmachung gehen. Zimmerer betonte: „Man kann einen Genozid nicht wiedergutmachen, finanziell schon gar nicht.“

Zu dem Zeitpunkt des Abkommens mit Namibia sagte der Experte: „Das zeigt vor allem, dass wir immer noch unter kolonialer Amnesie leiden. Deutschland hat seine koloniale Geschichte verdrängt, vor allem wie strukturell rassistisch, brutal und genozidal sie war.“ Zudem sei die Aufarbeitung erst durch den Druck von Aktivisten begonnen worden.

Auch die Höhe zugesagter Gelder bezeichnete Zimmerer als „nicht so berauschend“. Und: „Wenn man sie auf 30 Jahre verteilt, was ja die Basis ist, dann kommt man auf 36 Millionen Euro pro Jahr. Das entspricht ziemlich genau dem, was Namibia in den letzten drei Jahrzehnten an Entwicklungshilfe bekommen hat.“

Das internationale Interesse sei enorm, „weil sich zum ersten Mal eine Kolonialmacht in dieser Form seiner Verantwortung stellt“. Damit sei die Fallhöhe hoch. „Denn wichtige Vertreter der Opfer-Nachkommen haben schon angekündigt, dass ihre Abgeordneten den Saal verlassen werden, wenn Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im namibischen Parlament seine Entschuldigungsrede hält. Sogar zu Demonstrationen könnte es kommen. Das wäre dann der Super-Gau und würde einen großen Reputationsverlust auslösen.“

Zimmerer rät deshalb dazu, dass „Außenminister Heiko Maas oder gar der Bundespräsident jetzt nach Namibia reist und bei den Herero und Nama um Entschuldigung bittet über die Art und Weise, wie da verhandelt wurde“.

Außenminister Heiko Maas (SPD) hatte bekanntgegeben, dass Deutschland und Namibia einen Durchbruch in ihrem seit mehr als fünf Jahren laufenden Dialog zur Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit erzielt hätten. Demnach bekennt sich Deutschland zum Völkermord an den Herero und Nama im damaligen Deutsch-Südwestafrika vor über 100 Jahren und benennt diesen auch so. Zudem sollen in den kommenden 30 Jahren rund 1,1 Milliarden Euro in Aufbauprojekte in Namibia fließen.

kna