Die Erfurter Theologin Maria Widl rät dazu, bei den sogenannten Geistlichen Gemeinschaften in der katholischen Kirche genau hinzusehen.
Bonn – Die Erfurter Theologin Maria Widl rät dazu, bei den sogenannten Geistlichen Gemeinschaften in der katholischen Kirche genau hinzusehen. „Die Grundlogik von Geistlichen Gemeinschaften kann man schon mit denen von Sekten vergleichen“, sagte Widl am Montag in einem Interview der Plattform katholisch.de.
Die betreffenden Gruppierungen zeichne oftmals eine besondere Form von Religiosität in Verbindung mit einer Ausrichtung auf einzelne Persönlichkeiten aus – „gepaart mit einer gewissen Konsequenz und Radikalität, einer Ernsthaftigkeit im Glauben“. Eine solche Ernsthaftigkeit neige aber auch dazu, „mit dem Geglaubten wirklich ernst zu machen und sich gleichzeitig gegenüber den anderen abzugrenzen. Da ist man dann ganz schnell dabei, eine Ideologie zu vertreten“, so die Theologin. „Wo besonders Spiritualität, die eigene Geistigkeit und die Gottesbeziehung im Zentrum stehen, kann das natürlich missbraucht werden.“
Zugleich betonte Widl, dass Geistliche Gemeinschaften in der Vergangenheit immer wieder Beiträge zu einer Erneuerung der Kirche geleistet hätten. Beispielhaft verwies sie für den deutschsprachigen Raum auf die Bibelbewegung, die Liturgische Bewegung und die Arbeiterjugend. Diese hätten in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts den Weg zur „modernen freiheitlich-biblischen Gemeindekirche“ vorgezeichnet, der gesamtkirchlich gesehen ins Zweite Vatikanische Konzil (1962-1965) gemündet sei.
Zuletzt hatte eine Entscheidung des Münsteraner Bischofs Felix Genn zur Vereinigung „Totus Tuus Neuevangelisierung“ für Schlagzeilen gesorgt. Genn hatte vor wenigen Tagen sein Anfang November verfügtes Dekret bekräftigt, wonach „Totus Tuus“ kein nach dem Kirchenrecht anerkannter kirchlicher Verein mehr ist.
„Eine nicht unerhebliche Anzahl von Menschen“ habe durch die Gemeinschaft „schweren Schaden“ genommen, so Genn. Die gravierenden Missstände, die unter dem Begriff geistlicher Missbrauch zu fassen seien, seien bei einer Visitation und in einem anschließenden Gesprächs- und Aufarbeitungsprozess benannt worden.