Missbrauch: Sätze von Voderholzer lösen Irritation aus

Mit einer gut einstündigen Aussprache über das Münchner Gutachten zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche und seiner Aufarbeitung hat die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs begonnen.
Frankfurt – Mit einer gut einstündigen Aussprache über das Münchner Gutachten zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche und seiner Aufarbeitung hat die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs begonnen. Dabei forderten am Donnerstag in Frankfurt viele Teilnehmer grundlegende und baldige Reformen in ihrer Kirche. Das Präsidium des Synodalen Wegs kündigte an, ein Schuldbekenntnis erarbeiten zu wollen. In dem Zusammenhang nannte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, das Münchner Gutachten ein "Beben". Er fügte hinzu: "Es wird nicht das letzte gewesen sein - andere Diözesen werden folgen. Und jedes Mal werden wir wieder mit tiefen Abgründen konfrontiert, die mich mit Scham erfüllen."

3. Synodalversammlung des Synodalen Weges: Bischof Dr. Georg Bätzing, Dr. Irme Stetter-Karp, Prof. Dr. Claudia Nothelle und Weihbischof Wilfried Theising leiten die Beratungen der 3. Synodalversammlung
FOTO: SYNODALER WEG / MAXIMILIAN VON LACHNER

Mit einer gut einstündigen Aussprache über das Münchner Gutachten zu sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche und seiner Aufarbeitung hat die dritte Vollversammlung des Synodalen Wegs begonnen. Dabei forderten am Donnerstag in Frankfurt viele Teilnehmer grundlegende und baldige Reformen in ihrer Kirche. Das Präsidium des Synodalen Wegs kündigte an, ein Schuldbekenntnis erarbeiten zu wollen. In dem Zusammenhang nannte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Bischof Georg Bätzing, das Münchner Gutachten ein „Beben“. Er fügte hinzu: „Es wird nicht das letzte gewesen sein – andere Diözesen werden folgen. Und jedes Mal werden wir wieder mit tiefen Abgründen konfrontiert, die mich mit Scham erfüllen.“

Mitglieder des Betroffenenbeirats entsetzt über Aussage von Voderholzer

In der Auftakt-Pressekonferenz hatte Bätzing betont: „Die jüngsten Erschütterungen reichen in den Kern der Kirche, die vielen Kirchenaustritte sind eine „Klatsche“, die wir empfangen. Es gehen auch Menschen aus der Mitte der Kirche, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Ehrenamtler. Wir müssen handeln.“ Die Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, will ebenfalls Veränderungen sehen. Es gelte, Gerechtigkeit herzustellen: „für die Opfer sexueller Gewalt, für die vielen Betroffenen, für Kirchengemeinden, für Familien, für Menschen, deren Leben durch die Kirche nicht besser, sondern schlechter geworden ist“.

Für Irritationen sorgte eine Einlassung des Regensburger Bischofs Rudolf Voderzolzer. Die Benediktinerin Philippa Rath sagte: „Es geht darum, den Opfern ihre Würde zurückzugeben, und nicht von ‚harmlosen Missbrauchsfällen‘ zu sprechen.“ Entsetzt zeigten sich unter anderen die anwesenden Vertreter des Betroffenenbeirats der Deutschen Bischofskonferenz. Voderholzer hatte sich zum jüngsten Münchner Missbrauchsgutachten der Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) geäußert und in seinem Statement gesagt: „Was dabei zu kurz kommt, ist, dass 1973 die Strafrechtsreform Kindesmissbrauch nicht mehr als Verbrechen eingeschätzt hat, und zwar auf der Basis von sexualwissenschaftlichen Urteilen, die davon ausgehen, dass für die betroffenen Kinder und Jugendlichen die Vernehmungen wesentlich schlimmer sind, als die im Grunde harmlosen Missbrauchsfälle.“ Er habe „den Eindruck, die Verantwortlichen in der Kirche haben damals eher dem Zeitgeist nachgegeben, als dass sie sich um Recht und Gerechtigkeit bemüht hätten.“

Mehrere Sprecher, die nicht verstanden hatten, dass Voderholzer mit diesen Worten die liberale Strafrechtsreform von 1973 kritisieren wollte, distanzierten sich von den Sätzen des Regensburgers Bischofs. Voderholzer selbst ergriff schließlich noch einmal das Wort und erläuterte seine Aussage: Ihm sei es in Wahrheit um die Distanzierung von der Verharmlosung des Missbrauchs in den 1970er Jahren gegangen. Im Vorfeld der Tagung hatte Voderholzer erklärt es falle ihm schwer, „hinter dem Zeitpunkt der Veröffentlichung, der medialen Vorbereitung und der inhaltlichen Ausrichtung“ des Münchener Missbrauchsgutachtens „nicht einen weiteren Akt der Instrumentalisierung des Missbrauchs zu sehen“. Die Empörung über den Missbrauch sei „das Feuer, auf dem die Suppe des Synodalen Weges gekocht wird“.

Die Synodalversammlung ist das oberste Gremium des 2019 gestarteten Synodalen Wegs. Das Treffen, zu dem trotz hoher Corona-Inzidenzwerte laut Angaben der Organisatoren 218 der 230 Synodalen nach Frankfurt kamen, dauert noch bis Samstag. Auf dem Tisch liegen 13 Papiere zu den vier zentralen Themen – Sexualmoral, Rolle der Frauen, priesterliches Leben und Macht. Das Präsidium zeigte sich vor Beginn des Treffens zuversichtlich, dass die Papiere die notwendige doppelte Zweidrittel-Mehrheit finden – unter den Delegierten und unter den anwesenden Bischöfen.Zu den Forderungen gehören etwa der Ruf nach Mitbestimmung der Laien bei der Bestellung neuer Bischöfe, nach Lockerungen bei der verpflichtenden Ehelosigkeit von Priestern und nach der Zulassung von Frauen zum Diakonat.

Kardinal Marx wehrt sich gegen Lügen-Vorwurf

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx hat einem Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) (Onlineausgabe vom Donnerstag) vehement widersprochen. Darin wird behauptet, er sei in „die ‚Lügen‘-Strategie des vormaligen Papstes Benedikt XVI.“ für das Münchner Missbrauchs-Gutachten eingebunden gewesen und habe diese seinerseits noch befördert. In der dritten Vollversammlung des Reformprojekts Synodaler Weg in Frankfurt sagte Marx am Donnerstag vor rund 200 Synodalen: „Der Papst wurde 2010 nicht in falscher Weise geschützt. Das weise ich ganz entschieden zurück, wenn hier gesagt wird, Kardinal Marx hat gelogen.“

Die Münchner Kanzlei Westpfahl Spikler Wastl hatte für ihr Missbrauchsgutachten auch den früheren Papst Benedikt XVI. zu seiner Zeit als Münchner Erzbischof (1977-1982) befragt. Dieser gab zunächst an, er habe an einer Ordinariatssitzung am 15. Januar 1980 nicht teilgenommen. Diese Darstellung hat er inzwischen korrigiert. Der Fehler sei „Folge eines Versehens bei der redaktionellen Bearbeitung“. Dies tue ihm „sehr leid“, und er bitte, dies zu entschuldigen.

Marx wiederum wies in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung (Donnerstag) die Vermutung zurück, dass er oder seine engsten Mitarbeiter im Jahr 2010 den damals noch amtierenden Benedikt XVI. in der Missbrauchsdebatte aus der Schusslinie hätten nehmen wollen. „Weder damals noch heute wollten und wollen wir ihn weder in falscher Weise schützen noch ihm schaden.“ Seinem Beraterstab gegenüber habe er auch immer deutlich gemacht: „Hier wird die Wahrheit nicht verbogen, das machen wir nicht.“

In dem FAZ-Artikel wird behauptet, aus dem Gutachten gehe hervor, Marx sei schon Anfang November über die Strategie des Ex-Papstes im Bild gewesen, jede Beteiligung an der Übernahme des pädophilen Priesters H. zu bestreiten. Angeblich finden sich auch Ungereimtheiten in den Einlassungen von Marx über sein Wissen im Jahr 2010 hinsichtlich der Umstände, unter denen es 1980 zu der Übernahme des Priesters gekommen sei. „Ausweislich seiner Stellungnahme gegenüber der Kanzlei vom November 2021 wollte er schon im März 2010 gewusst haben, dass Ratzinger in der fraglichen Sitzung nicht anwesend war.“

Von Joachim Heinz (KNA)