Vatikanische Offensive im interreligiösen Dialog

Der Vatikan intensiviert den interreligiösen Dialog. Zum zweiten Welttag der Geschwisterlichkeit bietet die EXPO in Dubai eine Chance. Auch befasst sich nun eine weitere Vatikanbehörde mit dem Anliegen.
Vatikanische Offensive im interreligiösen Dialog Dubai/Vatikanstadt – "Unter dem gleichen Himmel" lautet das Motto des zweiten "Internationalen Tags der Geschwisterlichkeit aller Menschen" an diesem Freitag (4. Februar). In einem Videofilm, den der Vatikan dazu in 22 Sprachen produziert hat, heißt es dazu: "Lasst uns zum Himmel aufschauen und an Gott glauben, der uns keine Feinde wünscht, sondern nur Brüder und Schwestern."

Der Petersdom im Vatikan (Foto: Carlo Armanni/Pixabay)

„Unter dem gleichen Himmel“ lautet das Motto des zweiten „Internationalen Tags der Geschwisterlichkeit aller Menschen“ an diesem Freitag (4. Februar). In einem Videofilm, den der Vatikan dazu in 22 Sprachen produziert hat, heißt es dazu: „Lasst uns zum Himmel aufschauen und an Gott glauben, der uns keine Feinde wünscht, sondern nur Brüder und Schwestern.“

Zu sehen sind Menschen unterschiedlicher Religionen und Kulturen bei Gebet, Meditation, Gottesdienst oder gemeinsamer Mahlzeit. Von der Machart ähnelt der Film den Videos der monatlichen Gebetsanliegen des Papstes. In der Amtszeit von Franziskus hat sich die Art päpstlicher Verkündigung deutlich gewandelt. Schon der Anlass für den Welttag der Geschwisterlichkeit war ein klares Zeichen dafür.

Am 4. Februar 2019 unterzeichneten Franziskus und der Großimam der Al-Azhar in Kairo, Ahmad Al-Tayyeb, in Abu Dhabi das „Document on Human Fraternity“. Darin erteilen sie jeglicher Gewalt im Namen von Religion eine Absage und fordern von ihren Glaubensgemeinschaften Einsatz für Grundrechte und die Bewahrung der Schöpfung. Für beide Religionsführer war das Dokument von Abu Dhabi ein Wagnis – weshalb es auch bis wenige Minuten vor der Unterzeichnung geheimgehalten worden war. Franziskus ließ die Entwürfe an der vatikanischen Kurie vorbei erstellen. Al-Tayyeb, der im sunnitischen Islam eine deutlich schwächere Stellung hat als der römische Papst, musste sowieso vorsichtiger auftreten.

Unter dem Protektorat von Scheich Mohamed bin Zayed Al Nahyan, dem starken Mann der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), gründete sich bald darauf ein „Höheres Komitee für Geschwisterlichkeit aller Menschen“. Dessen Aufgabe ist im Wesentlichen die Verbreitung der Ideen und Anliegen des Dokuments von Abu Dhabi. Dass die Emirate und bin Zayed als Vize-Kommandant der Streitkräftemit ihrem Engagement im Jemen-Krieg nicht die glaubwürdigsten Zeugen für Geschwisterlichkeit sind, ist ein realpolitischer Kompromiss, den die Religionsführer eingehen mussten.

Dem Komitee, dem unter anderem Kurienkardinal Miguel Ayuso und der Generalsekretär des Weltkirchenrates (ÖRK), Ioan Sauca, angehören, gelang es immerhin, UNO-Generalsekretär Antonio Guterres für die Idee eines Welttags der Geschwisterlichkeit zu gewinnen. Dieser wird an diesem Freitag zum zweiten Mal begangen.

Am Mittwoch wurde das Komitee in Abu Dhabi von Scheich bin Zayed empfangen. Für Donnerstag und Freitag waren bei der EXPO2020 in Dubai mehrere Aktionen geplant. Dazu gehören eine interreligiöse Konferenz wie ein kleiner interreligiöser Friedensmarsch, an dem Ayuso und Vertreter anderer Konfessionen und Religionen teilnehmen wollen. Das Thema der pandemiebedingt verschobenen Weltausstellung lautet „Connecting Minds, creating the future“. Dieses Anliegen, so Kardinal Ayuso, solle im Pavillon des Heiligen Stuhls vertieft werden.

Einen weiteren Vorposten für den interreligiösen Dialog in der arabischen Welt errichtete der Vatikan am Mittwoch in Abu Dhabi: eine eigene Nuntiatur. Bislang saß der päpstliche Nuntius für die Emirate in Kuwait. Für die Einweihung war eigens Kurienerzbischof Edgar Pena Parra angereist. Begleitet wird der zweite Mann des vatikanischen Staatssekretariates von Yoannis Gaid. Der ägyptische Geistliche war früher Privatsekretär von Franziskus und begleitete den Papst bei dessen historischem Besuch auf der Arabischen Halbinsel.

Dass der päpstliche Coup 2019 in Abu Dhabi vatikanintern zumindest auf Stirnrunzeln, teils auf offene Kritik stieß, ist kein Geheimnis. Zudem ist die Stellung des Päpstlichen Rates für interreligiösen Dialog unter Kardinal Ayuso in der Kurie nicht die stärkste. Daher hat Franziskus zusätzlich seine Entwicklungsbehörde und deren mutmaßlich künftigen Chef, Kardinal Michael Czerny, beauftragt, sich des Themas anzunehmen. Das sei nur natürlich, sagte Czerny am Mittwoch dem Portal Vatican News. „Das Dokument berührt viele, wenn nicht sogar alle der wichtigsten Themen, mit denen sich das Dikasterium beschäftigt“, so der Kardinal.

Von Arabisch bis Vietnamesisch zeichnet das 2:40-Minuten-Video das Idealbild einer Menschheitsfamilie, wie es wohl in allen Religionen verkündet und erhofft wird – ohne dabei auszublenden, dass es in allen Familien Konflikte, Streit und Leid gibt. Dennoch: „Zögern wir nicht, den nächsten Schritt zu tun“, heißt es am Ende, um „als Kinder Abrahams zusammen mit allen Gläubigen und Menschen guten Willens als Brüder und Schwestern gemeinsam Sorge tragen für unser gemeinsames Haus“. Am Freitag wollen Papst und Großimam erneut dazu aufrufen.

Von Roland Juchem (KNA)