Rund um eine Rückgabe der Benin-Bronzen wendet sich der senegalesische Wissenschaftler Felwine Sarr gegen bevormundende Verhaltensweisen von Europäern.
Frankfurt – Rund um eine Rückgabe der Benin-Bronzen wendet sich der senegalesische Wissenschaftler Felwine Sarr gegen bevormundende Verhaltensweisen von Europäern. „Es ist schön, dass sie etwas zurückgeben wollen. Aber wir brauchen echte Kooperation. Europa muss erst mal anerkennen, dass wir in einer pluralistischen Welt leben. Es darf nicht weiter versuchen, den Globus zu okzidentalisieren und diplomatische Machtspiele zu spielen“, sagte Sarr im Interview der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag). Sarr hatte 2018 mit Benedicte Savoy Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Studie „Die Restitution des afrikanischen Kulturerbes“ vorgelegt.
Anfang Juli hatten Politiker aus Deutschland und Nigeria in Berlin eine politische Absichtserklärung unterzeichnet. Sie soll den Weg frei machen für Eigentumsübertragungen von mehr als 1.100 Objekten, die bislang in den Beständen deutscher Museen lagern. Zudem wurde angekündigt, dass Deutschland Nigeria dabei unterstützen wolle, in Benin-Stadt ein neues Museum aufzubauen, in dem auch die Bronzen ausgestellt werden sollten.
Sarr gab zu bedenken, dass die Europäer die Finanzierung eines Museums in Nigeria als „eine Art Reparationsleistung“ begreifen könnten. „Auf keinen Fall“ dürften sich Strukturen eines deutschen Museums wiederholen. „Das wäre eine neue Form von Kolonialismus.“ Afrikaner müssten selbst daran arbeiten, die Objekte aus ihrem „westlichen Gefängnis“ zu befreien. „Für uns ist es wichtig, alles neu zu denken: die Beziehung zum Kulturerbe, die Neuerfindung der Orte, der Museen, die Szenographie.“ Objekte seien als sogenannte Kunstwerke in Vitrinen gestellt worden, außerdem hätten sie eine „ästhetische museale Form“ zugewiesen bekommen. Das sei falsch.
„Die Europäer versuchen immer noch, uns zu bevormunden“, kritisierte Sarr. „Europa kennt vor allem die Herrschaft über andere. Es hat Afrika nie verstanden. Die Europäer glauben immer, Afrika sei ein Ort, der empfängt, dem man etwas geben muss, wo Hunger und Armut herrschen, ein Bittsteller unter den Kontinenten.“ Das Gegenteil sei der Fall: Aus Afrika kämen Wissen und Bildung, und es sei heute immer noch sehr produktiv.
Europa müsse „seine Machtgesten“ über Bord werfen. „Aber es fürchtet, seinen Einfluss zu verlieren, und hält krampfhaft daran fest.“ Man müsse die Beziehungen zu den ehemaligen Kolonien neu erfinden, sagte Sarr. „Warum sollten nicht auch Deutschland und Afrika Hand in Hand gehen?“