Die UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen hat sich besorgt über die Lage in der Türkei geäußert.
Genf (KNA) Die UN-Sonderberichterstatterin für Gewalt gegen Frauen hat sich besorgt über die Lage in der Türkei geäußert. Angesichts der Häufigkeit von Gewalt gegenüber Frauen und Mädchen in dem Land solle Ankara den Austritt aus der Istanbul-Konvention überdenken, sagte Reem Alsalem am Mittwoch zum Abschluss eines einwöchigen Besuchs in der Türkei. Nach diesem Schritt auf Druck einer „kleinen Minderheit“ stehe nun auch die Einhaltung anderer internationaler Abkommen in Zweifel – „unter dem gleichen Vorwand, dass sie mit der türkischen Gesellschaft unvereinbare Werte propagieren“.
Im Juli vergangenen Jahres hatte die Türkei die 2011 in Istanbul verabschiedete Konvention zum Schutz von Frauen vor häuslicher Gewalt verlassen. Präsident Recep Tayyip Erdogan begründete dies damit, dass die Übereinkunft die traditionelle türkische Familie bedrohe. Der Entschluss stieß international auf Kritik.
Alsalem sagte, obwohl die Türkei in den vergangenen Jahren zahlreiche Gesetze und Maßnahmen zugunsten von Frauen und Mädchen erlassen habe, gebe es „beträchtliche Lücken bei der Umsetzung“ auf beinahe allen Feldern. Diese reichten von sexueller und häuslicher Gewalt bis hin zu Menschenhandel.
Dass häusliche Gewalt nach türkischem Recht nicht als eigener Straftatbestand gelte, schaffe eine bedeutende Hürde für Frauen, die Misshandlungen anzeigen wollten, so Alsalem. Weiter rief sie die Regierung auf, das Verbot der Kinderehe durchzusetzen. Auch schlug sie vor, eine staatliche Beobachtungsstelle für Frauenmorde einzurichten. Nach Angaben der UN-Expertin wurden zwischen 2010 und 2020 mindestens 3.175 Frauen getötet, die meisten von ihren Partnern, ehemaligen Lebensgefährten oder Familienangehörigen; im vergangenen Jahr waren es laut Alsalem über 300.