Am Donnerstag wird Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga 80 Jahre alt – und verliert damit sein Recht zur Papstwahl.
Von Alexander Brüggemann (KNA)
Bonn/Rom – Aus deutscher Sicht trägt Kardinal Oscar Andres Rodriguez Maradiaga die Aufkleber „Lateinamerika“ und „Dauerbesucher aus der Weltkirche“; ein Weltreisender in Sachen Caritas und Schuldenschnitt für die verarmten Länder des Südens. Aus vatikanischer Sicht ist er Berater des Papstes, Vorsitzender des Kardinalsrates für die Kurienreform und langjähriger Präsident von Caritas Internationalis. Aus Sicht seines armen Heimatlandes Honduras erscheint er als Hirte, der zu selten bei seiner Herde ist. Am Donnerstag (29. Dezember) wird der Erzbischof von Tegucigalpa 80 Jahre alt – und verliert damit sein Recht zur Papstwahl.
Als im März 2013 ein neuer Papst gewählt werden sollte, hatten viele den „katholischen Kontinent“ Lateinamerika auf dem Zettel. Allerdings weniger den argentinischen Jesuiten Jorge Mario Bergoglio; häufiger genannt wurde, vor allem von der kirchlichen Linken in Europa, der Erzbischof von Tegucigalpa in Honduras. Maradiaga nennt man ihn allenthalben; nicht ganz korrekt. Denn eigentlich gäbe sein erster Familienname den Ausschlag, Rodriguez – doch der ist in Lateinamerika so häufig wie bei uns Müller oder Schmitz. Also Maradiaga.
Der charismatische Ordensmann der Salesianer Don Boscos galt – ebenso wie Franziskus – schon 2005 als papsttauglich („papabile“). 2013 umso mehr, nicht zuletzt wegen seiner vatikanischen Spitzenposition als Präsident von Caritas Internationalis (2007-2015). Hochgebildet und sozial engagiert, profilierte sich Maradiaga unter anderem auch als Wortführer der Millenniums-Entschuldungskampagne 1999/2000, kritisierte unermüdlich Ungerechtigkeit und Drogenkriminalität in Lateinamerika.
In Europa war er bei Katholikentagen und Aktionseröffnungen allgegenwärtig; über viele Jahre galt er als Hoffnungsträger für eine neue Weltkirche. Aus heutiger Sicht wirkt Maradiaga wie eine Art Johannes der Täufer für den Armen-Papst Franziskus. Das neue Kirchenoberhaupt hielt für seinen Vertrauten dann schon bald andere anspruchsvolle Aufgaben bereit: Maradiaga leitete die Kardinalskommission, die zusammen mit dem Papst eine Reform der römischen Kurie erarbeitete.
Der so freundliche wie charismatische Kirchenmann wurde am 29. Dezember 1942 in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa geboren. Seine Bildungsbiografie zeugt von einem weiten Horizont. Schon als junger Ordensmann studierte er Theologie (mit einem Doktorat in Moraltheologie), Klavier und Komposition, Physik, Mathematik, Chemie, Philosophie und Psychologie in Tegucigalpa, Rom und Innsbruck.
In Tirol erwarb er ein Diplom in klinischer Psychologie und Psychotherapie, ist Mitglied der Europäischen Gesellschaft für Verhaltenstherapie. 1978 wurde Maradiaga Weihbischof in Tegucigalpa, 1993 Erzbischof und drei Jahre später Vorsitzender der Honduranischen Bischofskonferenz (bis 2016). Von 1995 bis 1999 stand er dem Lateinamerikanischen Bischofsrat CELAM vor.
Politisch – und womöglich auch karrieretechnisch – geschadet hat dem Kardinal seine Haltung zum Sturz des linken honduranischen Staatspräsidenten Manuel Zelaya 2009. Dessen Anhänger verurteilten die Absetzung durch die Armee als Putsch. Doch Maradiaga nannte die weltweiten Proteste einseitig. Zwar verurteilte er die Art des Vorgehens der Armee in der labilen mittelamerikanischen Republik. Er verwies aber auch auf fragwürdige geplante Verfassungsänderungen Zelayas und verlangte Untersuchungen wegen Korruption. Diese Haltung trug Maradiaga den Schmähnamen „Putsch-Kardinal“ ein.
Vor allem für linke Gruppierungen wurde so aus dem Hoffnungsträger ein medialer Sündenbock; in seiner Heimat erhielt er gar Morddrohungen. Als scharfer Kritiker der Auswirkungen der Globalisierung steht der Salesianer inhaltlich ausgerechnet jenem politischen Lager nahe, aus dem damals Pfeile gegen ihn abgeschossen wurden.
2017 veröffentlichte ein italienischer Enthüllungsjournalist Veruntreuungsvorwürfe. Maradiaga habe in Honduras dubiose Gelder erhalten und teils verschwinden lassen. Der Kardinal reagierte damals gelassen; alle Geldströme seien legal und leicht erklärbar. Die Anwürfe stammten mutmaßlich von einem entlassenen Kirchenmitarbeiter und seien bereits von höchster Stelle untersucht. Sie würden instrumentalisiert, um den Reformvorhaben des Papstes zu schaden.
Papst Franziskus jedenfalls hielt ihm die Treue – und ließ ihn noch fünf Jahre über die Altersgrenze für Diözesanbischöfe hinaus im Amt. Mit 80 Jahren dürfte aber nun bald Schluss sein für den irgendwie unvollendeten Kirchenmann „von den Rändern“.