Kostenfrei und bundesweit einzigartig: Seit kurzem bietet die Erzdiözese Freiburg ein Trainingsportal für Paare an. Es soll glückliche Beziehungen stabilisieren – und in schwierigen Lagen helfen, bevor es zu spät ist.
Freiburg – Schweigen. Leere. Enttäuschung. Diese Erfahrungen haben viele Paare bereits hinter sich, wenn sie eine Beratungsstelle aufsuchen. Das stellt alle Beteiligten vor eine „riesengroße Herausforderung“, sagt Bettina Zenner, Beauftragte für Ehe-, Familien- und Lebensberatung der Erzdiözese Freiburg. „Viele Menschen kommen in Beratungsstellen, wenn schon ziemlich viel Porzellan zerschlagen ist.“ Und wenn einmal eine Feindseligkeit herrsche, dann sei es „fast aussichtslos“, eine Beziehung noch zu retten.
Ein Online-Trainingsportal soll genau dieser Situation vorbeugen. „Wir müssen viel mehr präventive Arbeit machen“, betont Christian Roesler. Der Professor für Klinische Psychologie hat auf Basis seiner bisherigen Paarstudien einen Fragebogen entwickelt, der am Beginn des „Lotsenportals“ steht. Das Angebot des Erzbistums, das Mitte Januar online ging, erfreut sich bereits reger Nutzung, wie es hieß.
Neben soziodemografischen Daten werden eingangs Fragen rund um das Paarleben gestellt. Zustimmung oder Nichtzustimmung muss etwa zu Sätzen angeklickt werden wie „Es gibt in meiner Beziehung vieles, was mir gefällt“, „Manchmal bin ich in unserer Beziehung ziemlich entmutigt“ oder „Bei uns gibt es selten größere Unstimmigkeiten“. Mit dem Ergebnis gibt es Hinweise, wie Paare ihre Beziehung verbessern könnten, oder – in schwierigen Fällen – auch Informationen zu einer Paarberatung.
Unterschieden wird nach keinen oder geringen, mittleren und starken Belastungen. Ausgehend von dieser wissenschaftlich ermittelten Einschätzung werden Paare zu passenden Trainings und Übungen „gelotst“, die dem Belastungsgrad ihrer Beziehung entsprechen. „Diese Verbindung von Wissenschaft und praktischen Übungen für Paare im Bereich der Prävention über einen niedrigschwelligen Zugang ist neu und das Besondere an dem Lotsenportal“, erklärt Zenner.
Auf diese Weise hoffen die Experten, auch jene Menschen zu erreichen, denen eine Beratung helfen könnte. „Viele Paare erleben es als Versagen, wenn sie eine Beratung brauchen“, so Roesler. „Dabei sind sie eigentlich die Avantgarde. Wenn man Geld anlegt, geht man doch auch zu einem Finanzberater, und wenn man Zahnschmerzen hat, bohrt man nicht selbst am Zahn herum.“ Im angelsächsischen und skandinavischen Raum seien entsprechende Angebote für Paare viel verbreiteter und selbstverständlicher.
Zenner beobachtet, dass es vielen Menschen schwerfällt, über etwas Intimes wie die eigene Beziehung zu sprechen. In einer Beratung befürchteten viele, dass dort Dinge besprochen werden, die einen selbst in einem unguten Licht dastehen lassen. Auch fehle oftmals schlicht die Zeit, um eine solche Stelle aufzusuchen: „Am Ende wird immer wieder die Paar-Zeit beschnitten, auch, um unangenehmen Themen auszuweichen.“
Allerdings sei es ein verbreitetes Missverständnis, dass ständige Problemgespräche hilfreich seien. „Ab einem bestimmten Punkt ist das Reden kontraproduktiv“, sagt Roesler. Ewiggleiche Vorwürfe und fruchtlose Diskussionen könnten vielmehr den Frust verstärken. In solchen Fällen brauche es eine „Übersetzungshilfe“, so nennt es Zenner: eine Paarberatung oder -therapie, die den Fokus wieder auf das Verbindende richtet, auch auf gemeinsame Hobbies oder Unternehmungen.
Für Paare, deren Beziehung weniger belastet ist, bietet das Portal Übungen für den Alltag, beispielsweise spielerische Aufgaben, um sich gegenseitig (wieder) besser kennenzulernen. „Dabei geht es zum Beispiel um die Lieblingsfarbe, das Lieblingsessen oder den Lieblingsverwandten. Im ersten Moment denken viele: Ach, das weiß ich doch – und sind dann überrascht, wenn sich vielleicht etwas beim Gegenüber verändert hat“, sagt Zenner.
Aufgrund hoher Scheidungs- und Trennungsraten geht Roesler indes davon aus, dass Paare in Deutschland eine hohe Belastung aufweisen. Auch zeigten Studien, dass eine Mehrheit der Paare, die schon seit 15 oder 20 Jahren zusammenlebe, sich vielleicht nicht trennen wolle, aber in „zerrütteten Beziehungen“ lebe: dass etwa kaum noch miteinander gesprochen werde. Mittelfristig soll dies über das Lotsenportal weiter erforscht werden, um die Angebote kontinuierlich zu verbessern.
Klar ist für die Macher, dass nicht jede Beziehung gerettet werden kann. Sie erlebe jedoch immer wieder, dass Menschen mit wenig Hoffnung „doch noch die Kurve bekommen“, betont Zenner. Wichtig sei für viele Paare zunächst die Erkenntnis, dass sie überhaupt etwas für das Miteinander tun müssten, so Roesler: „Schlechter wird die Beziehung von alleine.“