In Aachen ist am Montagabend mit einer feierlichen Zeremonie im Dom die Heiligtumsfahrt beendet worden. Rund 110.000 Pilger haben sie besucht.
Aachen – In Aachen ist am Montagabend mit einer feierlichen Zeremonie im Dom die Heiligtumsfahrt beendet worden. Die bei der elftägigen Wallfahrt im Mittelpunkt stehenden Tuchreliquien wurden erneut im Marienschrein verschlossen, wo sie erst wieder zur nächsten Heiligtumsfahrt im Jahr 2028 entnommen werden. Bei den Tuchreliquien handelt es sich der Legende nach um das Kleid Mariens aus der Heiligen Nacht, um Windeln Jesu, um das bei der Kreuzigung getragene Lendentuch Jesu sowie das Enthauptungstuch Johannes des Täufers. Die Textilien, die 799 Karl dem Großen übergeben wurden, sind laut Untersuchungen zwischen dem dritten und fünften Jahrhundert entstanden. Aber für die Kirche heute ist nicht die Echtheit entscheidend; sie sieht in den Tüchern Zeichen, die auf Jesus hinweisen. Während der elf Tage bildeten sich immer wieder lange Schlangen vor dem Dom, wo die Reliquien in Vitrinen ausgestellt waren.
Bei dem Gottesdienst legte die Leiterin der Domschatzkammer, Birgitta Falk, die Heiligtümer unter den Augen von Dompropst Rolf Cremer und der Aachener Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen (parteilos) in den Schrein. Zwei Goldschmiede brachten an der Holztür ein Vorhängeschloss an, das der Aachener Altbischof Heinrich Mussinghoff gestiftet hatte. Es zeigt auf der einen Seite ein Regenbogenkreuz, das Mussinghoff bei seinen Reisen ins Heilige Land auf einem in Fels eingekratzten Pilgerzeichen entdeckt hatte. Die andere Seite ziert eine Friedenstaube. Gemäß der Tradition wurde der Schlüssel zersägt. Den Bart verwahrt die Stadt, die gemeinsam mit dem Domkapitel für die Heiligtümer sorgt.
In die Schlagzeilen geraten
Der Aachener Bischof Helmut Dieser würdigte in seiner Predigt die Heiligtumsfahrt als Tage voller Entdeckungen. „Das Schöne an unseren Heiligtümern ist: Sie sind diskret, zurückhaltend, und sprechen doch zugleich eindeutig. Sie prahlen nicht mit Schönheit oder materiellem Wert, sondern sie machen allen, die sich ihnen zuwenden, ihre ganz eigene Aufwartung mit Sinn und Bedeutung.“ Die Heiligtümer – etwa die Windeln – zeigten, dass Nichts an Jesus unmenschlich sei. „Und nichts Menschliches fehlt ihm oder ist ihm fremd.“
Die Aachener Heiligtumsfahrt findet seit dem Jahr 1349 alle sieben Jahre statt. Pandemiebedingt wurde der reguläre Rhythmus 2021 unterbrochen und das Glaubensfest um zwei Jahre verschoben. Die nächste Wallfahrt in fünf Jahren knüpft wieder an den ursprünglichen Takt an. Während der Heiligtumsfahrt unter dem Motto „Entdecke mich“ gab es Angebote für verschiedene Pilgergruppen, darunter Kinder, Familien, Radfahrer oder Soldaten. Bischöfe aus dem In- und Ausland zelebrierten Gottesdienste. Zum Eklat kam es am Wochenende, nachdem auf Drängen Diesers der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki nicht wie geplant die letzte große Open-Air-Pilgermesse leitete. Im Vorfeld hatte es Proteste gegen den Erzbischof gegeben, der vor allem in Sachen Missbrauchsaufarbeitung in der Kritik steht.
Rund 110.000 Pilger bei Aachener Heiligtumsfahrt
Rund 110.000 Pilger haben die Aachener Heiligtumsfahrt besucht. Damit seien mehr Menschen als erwartet in mittelalterliche Traditionen eingetaucht und hätten sich mit ihrem Glauben auseinandergesetzt, sagte Wallfahrtsleiter und Dompropst Rolf-Peter Cremer am Montag vor Journalisten. Das Bistum hatte ursprünglich mit 100.000 Besuchern gerechnet. Auch Aachens Bischof Helmut Dieser zog eine positive Bilanz. „Wir haben betende, glaubende, Fragen stellende und feiernde Menschen gesehen auf der Suche nach dem, was ihnen das Heilige denn ist, wie man ihm auf die Spur kommt und wie man es für sein Dasein auf dieser Welt annehmen kann“, heißt es in einem schriftlichen Statement.
Laut Cremer gab es vor allem eine große Resonanz auf das Kulturprogramm mit rund 140 Veranstaltungen. Damit habe man ein gemischtes Publikum erreichen können. „Mit der diesjährigen Wallfahrt wollten wir vermitteln, dass Kirche lebendig und einladend sein kann“, so der Geistliche.
Am Wochenende war das Glaubensfest in die Schlagzeilen geraten, nachdem auf Drängen Diesers der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki darauf verzichtete, wie geplant die letzte große Pilgermesse zu leiten. Im Vorfeld hatte es Proteste gegen den Erzbischof gegeben, der vor allem wegen seiner Missbrauchsaufarbeitung in der Kritik steht; weitere Demos am Rande der Open-Air-Messfeier wurden befürchtet. Man habe mit einer „verkrampften Atmosphäre“ rechnen müssen, so Cremer: „Für Kardinal Woelki wäre es nach unserer Überzeugung nicht so gewesen, dass er gut hätte Gottesdienst feiern können.“