Hirnforscher: Wie der Überfluss an Informationen verunsichert

Zum ersten Mal in der Geschichte gibt es nach Worten des Neurowissenschaftlers Henning Beck nicht zu wenige, sondern zu viele Informationen.

Zum ersten Mal in der Geschichte gibt es nach Worten des Neurowissenschaftlers Henning Beck nicht zu wenige, sondern zu viele Informationen. Durch dieses Überangebot erkenne der Mensch, wie viele Probleme er habe, sagte Beck der Welt. „Das verunsichert und sorgt für ein dauerhaftes Gefühl des Kontrollverlustes. Krisen existieren heute nicht mehr nebeneinander, sondern sind miteinander vernetzt.“

Auch die Politik werde dadurch „weniger programmatisch, sondern immer reaktionärer“, kritisierte der Hirnforscher. „Krisen werden weggearbeitet, wie ich mein E-Mail-Postfach aufräume: Wenn was Neues eintrudelt, stürzt man sich auf diese neue Krise.“ Dadurch gerieten wichtige Fragen aus dem Blick, etwa nach einer außenpolitischen Strategie oder der Stabilität des Rentensystems.

Ebenso beobachte er bei Aktivistinnen und Aktivisten den Fehler, dass Protest als „Kampf gegen die Mehrheit, den Kapitalismus, das System“ verstanden werde, so Beck. In der Geschichte hätten sich jedoch jene Positionen von Minderheiten durchgesetzt, die der Mehrheit „eine gemeinsame Identität anboten. Martin Luther King Jr. oder Nelson Mandela wussten genau, dass sie die Weißen brauchten, damit die Schwarzen mehr Rechte bekämen, gemeinsam versöhnt in einer großartigen Nation. Wo ist das Angebot der heutigen Protestformen wie der ‚Letzten Generation‘?“

Jeder und jede Einzelne stelle sich die Zukunft „wie eine komplett fremde Welt vor“, fügte der Wissenschaftler hinzu. „Selbst für Sie persönlich ist Ihr zukünftiges Ich jemand Fremdes. Und auf Kosten von Fremden lebt es sich leicht. So verschleppt man die großen Probleme.“

Hilfreich könne es sein, über den eigenen Tellerrand zu blicken und neue Perspektiven einzunehmen. Dafür brauche es den Mut, Neues zu riskieren. Das sei auch deshalb sinnvoll, weil „ständige Motzerei“ nicht zielführend sei. „Für Amerikaner bist du ‚awesome‘ und ‚great‘, wenn du dir die Schuhe selbst zubinden kannst. Das größte Kompliment des Deutschen ist: ‚Nicht schlecht!‘ oder ‚Es hätte schlimmer kommen können!‘ Beides ist falsch.“

kna