Henry Kissinger ist tot. Der frühere US-Außenminister, Buchautor und Friedensnobelpreisträger 1973 starb im Alter von 100 Jahren.
New York – Henry Kissinger ist tot. Der frühere US-Außenminister, Buchautor und Friedensnobelpreisträger 1973 starb am Mittwoch (Ortszeit) im Alter von 100 Jahren in seinem Haus in Connecticut, wie seine Beratungsfirma mitteilte. Trotz zahlreicher Auszeichnungen ist Kissingers politisches Wirken bis heute umstritten. Teils scharfe Kritik gibt es vor allem an seiner Rolle im Vietnam-Krieg, der 1975 endete, und beim Sturz von Chiles gewähltem Präsidenten Salvador Allende 1973.
Geboren wurde Kissinger im fränkischen Fürth, wo er mit seinem jüngeren Bruder Walter (1924-2021) aufwuchs. Die Familie bekannte sich zum orthodoxen Judentum. Vater Louis war Lehrer; für stabile finanzielle Verhältnisse sorgte die aus wohlhabendem Hause stammende Mutter Paula.
Angesichts der wachsenden Verfolgung von Juden durch das NS-Regime verließen die Kissingers im Sommer 1938 Deutschland und wanderten in die USA aus – kurz vor den als „Reichskristallnacht“ bezeichneten Novemberpogromen. Im Rahmen seines Militärdienstes in der US-Armee von 1943 bis 1946 kehrte Kissinger zeitweilig in sein Geburtsland zurück.
Nach dem Zweiten Weltkrieg schlug er zunächst eine akademische Laufbahn ein, bevor er sich der Politik zuwandte. Als Berater für Außen- und Sicherheitspolitik und als Außenminister war er einer der wichtigsten Protagonisten in der Ära von Präsident Richard Nixon (1969-1974). Nachfolger Gerald Ford (1974-1977) beließ Kissinger im Amt des Außenministers.
Auch nach dieser Zeit blieb der bestens vernetzte Politiker ein gefragter und einflussreicher Gesprächspartner. Mit Blick auf den russischen Angriff auf die Ukraine sagte er in einem „Zeit“-Interview zu seinem 100. Geburtstag, er glaube nicht, dass Kreml-Chef Wladimir Putin Atomwaffen einsetzen werde, um seine Eroberungen in der Ukraine zu verteidigen. „Aber je mehr es um den Kern der russischen Identität geht, desto größer wird die Wahrscheinlichkeit, dass er es tut.“ Inzwischen sei er dafür, die Ukraine in die Nato aufzunehmen, so Kissinger.
Kissinger war Vorsitzender von Kissinger Associates, einem international tätigen Beratungsunternehmen. 2022 erschien sein Buch „Leadership. Six Studies in World Strategy“ (deutscher Titel: „Staatskunst – Sechs Lektionen für das 21. Jahrhundert“). Darin veranschaulicht er am Beispiel von sechs Spitzenpolitikern wie Konrad Adenauer und Margaret Thatcher seine Vorstellungen von Führung in Umbruchs- und Krisenzeiten. In Kissingers Geburtsort Fürth wurde zu seinem 100. Geburtstag eine Erinnerungstafel enthüllt.