Umwidmung: Wohnen statt beten

In Essen-Bergeborbeck stellten Investor und Architekt ihre Pläne für die Umwidmung des mehr als 150 Jahre alten Kirchenstandortes St. Mariae Rosenkranz vor.
Umwidmung: Wohnen statt beten

Pfarrer Benedikt Ogrodowczyk bedankt sich beim Architekten Hermann Klapheck und beim Investor Leonhard Straeter für ihre Präsentation. Toto: Thomas Emons

Es ist nicht ein Abend der sicht- und hörbaren Emotionen, an dem Investor Leonhard Straeter von der Dortmunder Wohnungsbaugesellschaft Casa Sogno Immobilien und sein Recklinghäuser Architekt Hermann Klapheck im Gemeindesaal von Mariae Rosenkranz in Bergeborbeck ihre Zukunftspläne für das mehr als 150 Jahre alte aber nicht denkmalgeschützte Gotteshaus an der Haus-Berge-Straße vorstellen, dessen Gemeindebezirk zur 15.600 Katholikinnen und Katholiken zählenden Pfarrgemeinde St. Dionysius gehört.

Ein Modell macht ihre Pläne für die etwa 80 anwesenden Gemeindemitglieder sichtbar. Das auf dem 4500 Quadratmeter großen Gemeindegrundstück stehende Kirchenschiff soll komplett abgerissen und durch einen mit viel Stahl und Glas gebauten Wohnkomplex ersetzt werden. Wo zurzeit noch das mächtige Kirchenschiff steht, sollen 47 geförderte Mietwohnungen für 6,50 Euro bis 7,50 Euro pro Quadratmeter entstehen. Die geplanten Wohnungen werden zwischen 55 und 120 Quadratmetern groß sein.

Doppeltürme bleiben stehen

Sechs freifinanzierte Wohnungen in einer Größenordnung von maximal 100 Quadratmetern plant der Dortmunder Investor im 21 Meter hohen Doppelturm von St. Mariae Rosenkranz, der vollständig und inklusive seiner vier Bronzeglocken erhalten bleiben soll. „Wir werden auch die jetzt zugemauerten Fenster der Türme öffnen, um möglichst viel Licht und eine gute Aussicht in die Turmwohnungen hineinzubekommen“, erklärt Klapheck, der zwischen 2018 und 2022 bereits Erfahrungen mit dem Umbau der allerdings denkmalgeschützten Marienkirche in Essen-Steele sammeln konnte.

„Die Schaffung von Wohnraum ist in Essen vom Wohnungsamt erwünscht. Und wir sind zuversichtlich, dass wir die neuen Wohnungen gut vermieten können“, erklärt Straeter. Mit Blick auf die Planungen für einen Dachgarten, Photovoltaikanlagen und den Einbau von Wärmepumpen weist er darauf hin, dass das neue Wohnquartier auch klima- und energietechnisch auf dem Stand der Zeit sein wird. Architekt und Investor hoffen, dass sie ihr Wohnungsbauprojekt in den nächsten zweieinhalb bist drei Jahren realisieren können.

Pfarrer Benedikt Ogrodowczyk und der stellvertretende Kirchenvorstandsvorsitzende Wolfgang Bücking wiesen zwar darauf hin, dass sich die Gemeinde im Rahmen des Pfarreientwicklungsprozesses seit fünf Jahren mit der jetzt in ihre Realisationsphase eintretenden Kirchenaufgabe auseinandersetzen konnte. Gleichwohl machte der seit 2018 amtierende Pfarrer klar: „Ich weiß, dass hier viele Emotionen an dem Kirchengebäude und seinem Gemeindezentrum hängen. Ich mache das als Pfarrer nicht gerne und Sie machen das als Gemeindemitglieder nicht gerne. Aber wir haben jetzt wenigstens noch genug Zeit, um einen würdigen Abschied vorzubereiten.“

Schließung einer weiteren Kirche steht bevor

Die Pfarrerei St. Dionysius muss mit St. Fronleichnam noch eine weitere Kirche aufgeben. Nach einem kurzen O-Ton für das Neue Ruhrwort gefragt, sagt ein Ehepaar beim Verlassen des Gemeindesaals, dessen Tage jetzt definitiv gezählt sind: „Lieber nicht!“ Borbecks Bezirksbürgermeisterin, Margarete Roderich, die selbst Gemeindemitglied in St. Dionysius ist, bilanzierte unterdessen: „Es ist traurig, wenn man eine Kirche aufgeben muss. Aber die Einsicht in die Notwendigkeit dieses Schrittes ist in der Gemeinde vorhanden.“ Es sei „erfreulich, dass die Kirchtürme als Landmarke erhalten bleiben und das hier neuer bezahlbarer Wohnraum entstehen wird. Die Pläne sehen gut aus.“ Vor allem von älteren Gemeindemitgliedern wurde nach der Erreichbarkeit der nächstliegenden Kirchenstandorte in St. Dionysius gefragt. Hier sehen Ogrodowczyk und Bücking angesichts der Straßenbahnverbindungen und kirchennahen Parkplätze keine Probleme.

Allerdings räumte Wolfgang Bücking im Gespräch mit dem Neuen Ruhrwort ein, dass es in Einzelfällen mit der Erreichbarkeit der verbleibenden Kirchen in St. Dionysius doch Probleme geben könnte, für die man individuelle Lösungen finden müsse – etwa wenn hochbetagte und immobile Gemeindemitglieder weder zu Fuß noch mit Auto oder Straßenbahn zum nächsten Gottesdienstort kommen könnten: „Man wird nie eine Lösung finden, die allen und allem gerecht werden. Aber wir brauchen die Einnahmen aus dem Verkauf für die Investitionen in unsere verbleibenden A-Standorte. 

Gefragt, wie die Gemeindemitglieder aus St. Mariae Rosenkranz in die verbleibenden Gemeinden der Pfarrei St. Dionysius überführt und integriert werden sollen, antwortet Pfarrer Ogrodowczyk: „Ich werde den Menschen hier nicht vorschreiben, wohin sie zu gehen haben. Das werden sie selbstständig und selbstbestimmt entscheiden. Entscheidend für die Pfarrgemeinde ist, dass wir unsere verbleibenden Standorte langfristig erhalten und so attraktiv gestalten können, dass die Menschen gerne dort hinkommen, weil sie sich dort wohl und willkommen fühlen.“

Thomas Emons