Für eine breite Zölibats-Diskussion ist es offenbar noch zu früh

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Die Deutsche Bischofskonferenz tagte in dieser Woche in Bergisch Gladbach bei Köln. Doch die interessanteren kirchlichen Schlagzeilen kamen aus Hamburg und aus Rom.

Fot: (c) Neneo | Dreamstime.com

Fast perfektes Timing: Während in Sichtweite des Kölner Doms die Bischöfe und Weihbischöfe der 27 deutschen Bistümer über die Zukunft des priesterlichen Dienstes debattierten, orientierten sich die Journalisten nach Hamburg. Von dort trafen am Mittwoch die ersten Gesprächsfetzen eines Interviews ein, das „Zeit“-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo mit dem Papst geführt hatte. Der komplette Wortlaut wurde am Nachmittag publik. Zu spät, um die Debatte der Oberhirten noch zu beeinflussen, aber doch früh genug, um bei der Abschluss-Pressekonferenz in Bergisch Gladbach allgegenwärtig zu sein.

Denn das Gespräch hatte es in sich – zumindest auf den ersten Blick. Man müsse angesichts des in einigen Ländern dramatischen Priestermangels jetzt weiter über die Priesterweihe für erprobte Familienväter, sogenannte viri probati, nachdenken, so der Papst. Er gab damit einer Debatte Nahrung, die in Deutschland seit einigen Monaten mit neuem Schwung geführt wird.

So hatte vor knapp einem Jahr der langjährige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, vorgeschlagen, wieder intensiver über die Weihe verheirateter Männer zu sprechen. Und in der März-Ausgabe der „Herder-Korrespondenz“ hatte sich der Freiburger Theologe Helmut Hoping ausdrücklich dafür ausgesprochen, verheiratete Diakone zu Priestern zu weihen.

Die deutschen Bischöfe sehen das anders. Der Konferenz-Vorsitzende Kardinal Reinhard Marx betonte nach den Beratungen, der Papst habe wohl kaum an Deutschland gedacht, sondern eher an Gebiete mit extremem Priestermangel – wie Amazonien oder Sibirien. Franziskus selbst sprach davon, man könne verheiratete Priester „in entlegene Regionen“ entsenden – und damit dürfte er wohl nicht die Norddeutsche Tiefebene gemeint haben.

Unter den deutschen Bischöfen sind etliche nicht glücklich über die neu angefachte Zölibats-Diskussion. Zwar nehmen alle zur Kenntnis, dass die Zahl der Priester in Deutschland von 1995 bis 2015 um ein Viertel zurückgegangen ist. Auch sehen sie, dass ein bloßes „Weiter so“ mit immer neuen Pfarrei-Fusionen keine Lösung ist. Doch mit 14.000 Priestern für 24 Millionen Katholiken steht Deutschland noch immer deutlich besser da als etwa Mexiko, wo 16.000 Priester für fast 100 Millionen Katholiken da sein müssen, oder die Philippinen, wo 9.000 Priester auf 76 Millionen Katholiken kommen.

Entscheidend seien nicht Zahlenschlüssel und Stellenpläne, sondern der Glaube, sind die Oberhirten überzeugt. Ein Priester müsse vor allem jungen Leuten eine Ahnung davon vermitteln, was es bedeute, Christus nachzufolgen und sein ganzes Leben danach auszurichten, erklärte der Passauer Bischof Stefan Oster. Er ist als Vorsitzender der Jugendkommission der Bischofskonferenz nah am Puls der katholischen Jugendlichen, von denen sich zuletzt immer weniger für den Priesterberuf entschieden haben. 2015 ist die Zahl der jungen Männer, die in ein Priesterseminar eintraten, deutschlandweit erstmals unter 100 gesunken. Ein erhoffter „Franziskus-Effekt“ blieb bislang aus.

Dennoch sind die Bischöfe nicht in Trauerstimmung. Ihr Gastgeber, der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki, sieht im größten deutschen Erzbistum einen Hoffnungsschimmer in der Tatsache, dass 2017 endlich wieder eine (niedrige) zweistellige Zahl von Bewerbern beim Priesterseminar angeklopft hat. Das kleinste Bistum (Görlitz) meldet drei, andere „wenige“ Bewerber. Mit der Konsequenz, dass etwa das Bistum Trier seine Priesteramtskandidaten zur theologischen Ausbildung an die Jesuitenhochschule nach Frankfurt schickt. Ob es im ältesten Bistum Deutschlands auf Dauer überhaupt noch ein eigenes Priesterseminar geben wird, ist nicht sicher.

Die verbleibenden Priester und pastoralen Mitarbeiter ringen unterdessen um ein neues Rollenverständnis – und die Bischöfe versuchen sie dabei zu unterstützen. Auch die Gemeinden müssen lernen, mit unterschiedlichen Seelsorgern zurechtzukommen. Einen „pastoralen Notstand“ erkennen die Bischöfe darin freilich nicht. Und daher sehen die Botschaft des Papstes auch nicht als Startschuss für eine breite Debatte um den Priesterzölibat.

Ludwig Ring-Eifel (KNA)