Nach der Heiligsprechung von Papst Paul VI. (1963-1978) am Sonntag hält die Kritik daran an. So sprach sich Jesuitenpater Klaus Mertes in der Berliner Katholischen Akademie dafür aus, Heiligsprechungen von Päpsten „in den nächsten 150 Jahren“ nicht mehr vorzunehmen. Angesichts der Kirchenkrisen der vergangenen Jahre sei eine solche „Sakralisierung der Hierarchie“ nicht angebracht. Der Rektor des Jesuitenkollegs Sankt Blasien plädierte auch dafür, dass der Papst den Titel „Heiliger Vater“ ablegt. Mertes wurde bundesweit bekannt, weil er als damaliger Rektor des Berliner Canisius-Kollegs den Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche bekannt machte.
Auch der Publizist und Mediziner Manfred Lütz bezeichnete Heiligsprechungen von Päpsten als „nicht sinnvoll“. Die Kirchenoberhäupter seien bereits „so präsent, dass man sie nicht bekannt machen muss“. Anders sei es mit Menschen wie dem in jugendlichem Alter verstorbenen Süditaliener Nunzio Sulprizio (1817-1836). Er war auch unter den insgesamt sieben Katholiken, die Papst Franziskus am Sonntag heilig gesprochen hatte. Dass auch Sulprizio damit zum Vorbild des Glaubens erhoben wurde, habe die Öffentlichkeit aber weitgehend ignoriert, kritisierte Lütz.
Kritik an den Heiligsprechungen von Päpsten haben bereits mehrere Historiker vorgebracht. So sprach der Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf von einer auffälligen Häufung. Für sechs der acht verstorbenen Päpste des 20. Jahrhunderts laufe ein Verfahren oder sei bereits abgeschlossen. Blicke man dann darauf, wer heiligspreche, nämlich ausschließlich der amtierende Papst, müsse man sagen: „Das Papsttum feiert sich selbst.“
Wolf bezeichnete auch die Verfahren zur Heiligsprechung von Päpsten als fragwürdig. Er selbst habe in zwei Historikerkommissionen für Heiligsprechungsverfahren mitgewirkt, erläuterte der Theologe. Dort sollten eigentlich Akten und Quellen „nach den Regeln der historischen Kunst“ geprüft werden. Das aber sei weder bei Johannes Paul II. noch bei Paul VI. geschehen. Zum einen seien nicht alle Akten freigegeben worden. Zum anderen habe es an Zeit gefehlt. „Die amtierenden Päpste setzen die Ordnung des Heiligsprechungsverfahrens für ihre Vorgänger einfach außer Kraft“, kritisierte Wolf. Jeder Märtyrer für den Glauben im Nationalsozialismus habe es schwerer, heiliggesprochen zu werden als ein Papst.