Kirchenrechtler Schüller: Bischof Hanke sollte zurücktreten

Nach Vorlage des internen Prüfberichts zum Finanzskandal im Bistum Eichstätt gibt es eine erneute Rücktrittsforderung an Bischof Gregor Maria Hanke. Der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller sagte der „Augsburger Allgemeinen“ (Mittwoch): „Die einzig denkbare Antwort Hankes für mich auf den Prüfbericht wäre sein Rücktritt.“ Er solle die „politische Verantwortung für den Finanzskandal“ übernehmen.

Nach Prüfberichts zum Finanzskandal im Bistum Eichstätt gibt es eine  Rücktrittsforderung von Thomas Schüller an Bischof Gregor Maria Hanke

Bischof Gregor Maria Hanke (Foto: pde / Christian Klenk)

Der Bischof habe bis zum Aufkommen des Skandals „die Dinge laufen lassen“, so Schüller. „Hanke war sorglos und hat den größten Finanzskandal der katholischen Kirche in den vergangenen 100 Jahren zu verantworten.“ Erst danach sei er zum Aufklärer geworden. Der Umgang mit dem Eichstätter Finanzskandal folgt laut Schüller „demselben Mechanismus wie der Missbrauchsskandal: Kleriker werden von niemandem kontrolliert und vertuschen, wenn etwas publik wird“. Insbesondere den Mitgliedern des Eichstätter Domkapitels sei es „um Macht, Einfluss, Bedeutung“ gegangen, so der Münsteraner Theologe.

Das Bistum Eichstätt hatte am selben Tag einen 148 Seiten umfassenden Prüfbericht externer Anwälte zu dem vor einem Jahr selbst publik gemachten Finanzskandal veröffentlicht. Darin werden der ehemalige Finanzdirektor sowie frühere Domkapitulare als weitere Hauptverantwortliche benannt. Die Staatsanwaltschaft München II ermittelt nach einer Anzeige von Bischof Gregor Maria Hanke seit 2017 gegen den ehemaligen stellvertretenden Finanzdirektor und einen seiner Geschäftspartner wegen Untreue, Bestechung und Bestechlichkeit. Es geht um den möglichen Verlust bis zu 47 Millionen Euro.

Der Münchner Anwalt Ulrich Wastl sagte, die von Hanke eingeleitete Transparenzoffensive und Reformen in der Bistumsverwaltung hätten den Skandal erst zutage gefördert. Zugleich hält der Bericht fest, dass Hanke früher und energischer gegen die Missstände hätte vorgehen können. Der Bischof bezeichnete diesen Vorwurf als berechtigt. Jetzt „in dieser schwierigen Situation“ stehe er zu seiner Verantwortung und wolle sich nicht „auf den besseren Teil zurückziehen“. Nun wolle er den von ihm eingeleiteten Prozess „weiter durchziehen“.

kna

Finanzskandal betrifft auch hochrangige Geistliche

148 Seiten Prüfbericht – Anwälte des Bistums: „System Eichstätt“

Schonungslos wird ein ganzes Domkapitel an den Pranger gestellt – und das von den Anwälten des eigenen Bischofs. Im Eichstätter Finanzskandal beginnt ein neues Kapitel.

Im Finanzskandal des Bistums Eichstätt geraten ein Jahr nach seiner Bekanntmachung hochrangige Geistliche ins Visier. Die Anwälte der Diözese nennen in ihrem am Dienstag vorgestellten, 148 Seiten umfassenden Prüfbericht „die maßgeblichen und führenden Mitglieder des Domkapitels in den Jahren 2004 bis 2015 als faktisch Hauptverantwortliche“. Zum eigenen Machterhalt hätten sie eine Organisationsstruktur etabliert, „die letztlich einem ‚Feuchtbiotop‘ für Straftäter im Vermögensbereich gleichkommt“.

Es sei auffällig, dass zum Teil bis heute „von diesem Zirkel“ die umfassende Teilnahme an der Leitung der Diözese beansprucht, die eigene Verantwortung für den Skandal aber „nahezu ausnahmslos negiert“ werde. Insbesondere der damalige Finanzdirektor und Domdekan habe seine Fähigkeiten überschätzt. Er sei „unvertretbare Risiken“ eingegangen, und zwar schon vor den ungesicherten Darlehen für 31 Immobilienprojekte in den USA; sie werden derzeit strafrechtlich untersucht.

Ihn fassen die Anwälte in ihrem Bericht deutlich härter an als bisher. Vor einem Jahr hielten sie es noch für denkbar, dass der Betreffende von seinem Vize getäuscht wurde. Inzwischen sprechen die Juristen von einem „System Eichstätt“. Dieser Begriff dürfe aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die damit bezeichneten Missstände zumindest bis 2013 „in Deutschland durchaus verbreitet waren“ – vielleicht sogar noch sind, wie sie mutmaßen.

Ein Beispiel aus dem Jahr 2012: Da gründet das Bistum Eichstätt auf Betreiben seines Finanzdirektors mit einer Reederei eine Gesellschaft zum Kauf und Betrieb von Frachtschiffen. Der Direktor reist mit seinem Stellvertreter „First Class“ auf Einladung nach Manila auf die Philippinen. Doch statt der erhofften Gewinne werden fünf Millionen Euro versenkt.

Obwohl vom Kirchenrecht vorgeschrieben, gab es dem Bericht zufolge in Eichstätt jahrzehntelang keinen Diözesanvermögensverwaltungsrat, nämlich bis 2005. Auch später sei das Gremium fachlich inakzeptabel und rechtswidrig besetzt worden. Ein „enger Zirkel hochrangiger Kleriker“ habe sämtliche Schaltstellen in der Verwaltung besetzt und zugleich Kontrolle sowie Beratung ausgeübt, „unter der bewussten Inkaufnahme der eigenen fachlichen Inkompetenz“. Zugleich habe man sich kritische Nachfragen verbeten.

Dem Benediktiner Gregor Maria Hanke, seit 2006 Bischof, wird bescheinigt, schon ab 2007 den Einfluss des „Systems Eichstätt“ verringert zu haben, wenn auch zunächst nicht energisch genug. Zugleich bestätigen die Anwälte Hanke, dass erst durch dessen Transparenzoffensive 2015 der Skandal aufgedeckt und weiterer Schaden habe vermieden werden können.

Der Prüfbericht wurde bereits der Staatsanwaltschaft und dem Vatikan zugeleitet. Ob es dort zu neuen Schritten in der Affäre kommt, bleibt abzuwarten.

Derweil bemüht sich das Bistum um Begrenzung des finanziellen Schadens – mit überschaubarem Erfolg. Von den noch ausstehenden US-Darlehen in Höhe von rund 54 Millionen Dollar sind bereits mehr als 44 Millionen fällig, aber nicht zurückgezahlt. Die Verhandlungen mit den Darlehensnehmern schleppen sich hin. Die Eichstätter sprechen von Verzögerungstaktik und wollen nun einen Anspruch über 2 Millionen Dollar in einem ersten Fall gerichtlich durchsetzen.

Nach den Verwaltungsreformen ist aus Sicht der Anwälte vom „System Eichstätt“ nicht mehr viel übrig. Allerdings empfehlen sie mehr Sorgfalt bei der Aktenführung. Mitarbeiter sollten Anlaufstellen für die Meldung verdächtiger Vorkommnisse erhalten. Die Bistumsleitung sei gut beraten, Haftungsansprüche zu prüfen.

Auch über Eichstätt hinaus könnte der Skandal Folgen haben. Auf die Frage eines Journalisten, ob Bischöfe nicht generell Fortbildungen in Management absolvieren sollten, bezeichnete Hanke die bisherigen Kurse für neue Bischöfe in Rom als „bei weitem nicht ausreichend“. An die bayerische Bischofskonferenz adressierten die Anwälte den Rat, den Dualismus von Diözesansteuerausschuss und Diözesanvermögensverwaltungsrat zugunsten eines kleineren, rein fachlich besetzten Gremiums zu überwinden.

Von Christoph Renzikowski (KNA)