Kardinal Marx fordert kirchliche Verwaltungsgerichte

Die Einrichtung kirchlicher Verwaltungsgerichte hat der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, gefordert. Beim internationalen Bischofstreffen zum Thema Missbrauch sagte der Münchner Erzbischof am Samstag im Vatikan, der sexuelle Missbrauch von Minderjährigen hänge auch mit Machtmissbrauch im Bereich der Verwaltung zusammen. “Verwaltung hat hier nicht dazu beigetragen, dass der Sendungsauftrag der Kirche erfüllt wird, sondern im Gegenteil dazu, dass er verdunkelt, diskreditiert und verunmöglicht wurde.”

(Foto: Wolfgang Roucka/Erzbischöfliches Ordinariat München [CC BY-SA 3.0/Wikimedia])

Marx erinnerte daran, dass nach Missbrauchsermittlungen Akten vernichtet oder erst gar nicht erstellt wurden. “Nicht die Täter, sondern die Opfer wurden reglementiert und ihnen wurde Schweigen auferlegt. Festgelegte Verfahren und Prozesse zur Verfolgung von Vergehen wurden außer Kraft gesetzt. Die Rechte der Opfer wurden gleichsam mit Füßen getreten und sie der Willkür Einzelner ausgeliefert”, führte der Kardinal aus.

Seit 1983 in der Diskussion

Damit kirchliche Verwaltung künftig dem eigenen Anspruch gemäß handle, müssten Verwaltungsvorgänge transparent und nachvollziehbar sein. Nur dann könnten sich Menschen gegen Fehler im Handeln der Verwaltung wehren. “Deswegen ist auch die Einführung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Kirche sehr angezeigt und notwendig”, sagte Marx.

Im geltenden Kirchenrecht haben lediglich Priester und Bischöfe die Möglichkeit, gegen kirchliche Verwaltungsakte und Strafurteile Widerspruch einzulegen. Die Einführung einer allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Kirche wurde von Fachjuristen seit der Inkraftsetzung des modernen Kirchenrechts im Jahr 1983 immer wieder diskutiert.

„Päpstliches Geheimnis“ bei Missbrauch infrage gestellt

Zugleich hat Marx hat die Anwendung des „Päpstlichen Geheimnisses“ bei kirchlichen Prozessen gegen Missbrauchstäter infrage gestellt. Beim internationalen Anti-Missbrauchsgipfel im Vatikan sagte Marx am Samstag, er sehe keine “zwingenden Gründe”, warum diese Geheimhaltungsnormen bei der Verfolgung von Missbrauchs-Straftaten Anwendung finden sollten. Deshalb sei der Hinweis auf das Päpstliche Geheimnis kein überzeugender Einwand gegen die Forderung nach Transparenz und Nachvollziehbarkeit in Missbrauchs-Prozessen, so der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz.

Auch der juristische Grundsatz der Unschuldsvermutung für die Beschuldigten widerspreche nicht der Forderung nach Transparenz. Im Gegenteil sei ein transparentes, öffentliches und klar geregeltes Verfahren der “beste Sicherungsmechanismus gegen Vorurteile oder falsche Beurteilungen eines Falls”. Dadurch werde “ein Grad an Glaubwürdigkeit geschaffen, der die Wiederherstellung des Rufs einer zu Unrecht beschuldigten Person ermöglicht”, so der Kardinal.

„Mangelnde Transparenz und Vertuschung“

Marx betonte weiter: “Nicht Transparenz fügt der Kirche Schaden zu, sondern begangene Missbrauchstaten, mangelnde Transparenz und Vertuschung in deren Folge.” Als “Päpstliches Geheimnis” werden strenge Geheimhaltungsnormen für bestimmte Rechts- und Verwaltungsvorgänge in der katholischen Kirche bezeichnet. Ihre Verletzung steht unter Strafe. Der Geltungsbereich wurde 1974 neu geregelt.

Heute werden vom “Päpstlichen Geheimnis” vor allem Vorgänge bezüglich der Ernennung neuer Bischöfe sowie die juristischen Verfahren nach Anzeigen des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen geschützt. Auch die geltende Norm aus dem Jahr 2001 mit dem Titel “Sacramentorum sanctitatis tutela” stellt Missbrauchsverfahren in Artikel 30 unter “Päpstliches Geheimnis”. Kritiker des kirchlichen Umgangs mit Missbrauchsfällen hatten wiederholt das Päpstliche Geheimnis als eine Ursache für Vertuschung in Missbrauchsfällen bezeichnet.

kna/rwm