Mit Blick auf den starken Anstieg von Austritten aus der katholischen Kirche sieht die Essener Theologin Regina Laudage-Kleeberg vor allem den Missbrauchsskandal als entscheidende Ursache. Bei den Austrittszahlen im Bistum Essen zum Beispiel sei ein deutlicher Anstieg unmittelbar nach der Veröffentlichung der Missbrauchsstudie im September 2018 festzustellen.
Laudage-Kleeberg war Mitautorin einer 2018 veröffentlichten Studie des Bistums Essen über die Gründe von Kirchenaustritten. Dabei war herausgekommen, dass Menschen in der Regel meist erst nach einem fortschreitenden Entfremdungsprozess aus der Kirche austreten. Das seien oft Menschen, die in ihrem Leben keinen bis wenig Kontakt und auch keine emotionale Bindung zur Kirche hatten, so die Theologin.
Laudage-Kleeberg rät dazu, von Ausgetretenen ein Feedback zu ihren Gründen zu erbitten. Im Bistum Essen werde zusätzlich zu dem Schreiben, das Ausgetretene darüber informiere, was der Austritt konkret für sie bedeute, eine Bitte um Rückmeldung versendet. Wenn erst einmal mehr darüber bekannt sei, weswegen Menschen der Kirche den Rücken kehrten, sei der Druck größer, in der Kirche etwas zu verändern.
Die Theologin, die im Bistum Essen auch für die Jugendseelsorge zuständig ist, berichtete weiter, dass viele Jugendliche nicht mehr von den klassischen Angeboten der Kirche angesprochen würden. Ihr Team habe daher einen sehr hohen Anspruch an die Gelegenheiten, bei denen Kirche und Jugend dennoch zusammenfinden: „Kein Kontakt darf schief laufen, etwa bei Jugendgottesdiensten.“ So sollten junge Menschen auch positive Erlebnisse mit der Kirche haben, die dann eine Art „Austrittspolster“ bilden könnten.
Die am Freitag veröffentlichten Zahlen der Kirchen zeigen, dass 2018 mehr als 216.000 Menschen aus der katholischen Kirche ausgetreten sind, was einem Anstieg um 29 Prozent entspricht.