Jesus auf dem E-Roller in Oberammergau?

Moderne Inszenierungen haben Zuschauern schon einiges abverlangt. Geht es nach Peta, könnte dies auch 2020 für die Passion in Oberammergau gelten. Die Tierschützer wollen Jesus auf dem E-Roller statt auf dem Esel sehen.

Die Pest: Das Spiel vom Oberammergauer Passionsgelöbnis. (Foto: Arno Declair)

Seit Samstag reisen die Hauptdarsteller der Oberammergau-Passion 2020 mit Spielleiter Christian Stückl durch das Heilige Land. Auf den Spuren Jesu wollen sich die Frauen und Männer einstimmen, auf jene Geschichte, die sie ab Mai dem Gelübde folgend nach zehn Jahren wieder auf die Bühne bringen werden.

Doch während die Gruppe im Auftrag des Herrn spirituell unterwegs ist, war zu Hause der Teufel los. Denn die Organisation „Peta“ forderte die Oberammergauer Verantwortlichen öffentlich auf, künftig auf den Esel beim Einzug in Jerusalem zu verzichten und stattdessen Jesus mit einem E-Roller einfahren zu lassen.

Christian Stückl, der zum vierten Mal das Spiel vom Leiden und Sterben Jesu inszeniert, ist Aufregung gewohnt. Seitdem in Bayern Bürgerbegehren erlaubt sind, gab es in Oberammergau 13; acht davon hatten mit der Passion und dem Passionsspieltheater zu tun. Der Antrag auf ein 14. Bürgerbegehren, weil einige Leute mit dem geplanten Umbau der Bühne nicht einverstanden sind, wurde erst Ende August vom Gemeinderat in einer zweieinhalbstündigen Sondersitzung als nicht zulässig mit Mehrheit abgewiesen.

Unerbetene Regieanweisungen in der Form, wie es nun Peta versucht, dürfte es allerdings noch nie gegeben haben. Dabei versucht sich die „Tierrechtsorganisation“ sogar mit päpstlichem Beistand. Sie verweist auf Franziskus, der die Katholiken weltweit aufgerufen habe, Tiere gut zu behandeln und die Umwelt zu respektieren. Der Ritt eines erwachsenen Mannes auf einem Esel sei nach heutigen Erkenntnissen schlicht „tierschutzwidrig“.

Konkret geht es um „Jesu Einzug nach Jerusalem“. Dieses Ereignis wird in der Kirche immer noch am Palmsonntag regelmäßig gefeiert, wie die Tierschützer anmerken. Wer beim Evangelisten Matthäus nachschlägt, kann dort lesen, dass Jesus zwei Jünger in ein Dorf schickte, wo sie eine Eselin angebunden mit ihrem Fohlen finden sollten. „Bindet sie los, und bringt sie zu mir!“, so seine Anweisung. „Wenn euch jemand zur Rede stellt, dann sagt: Der Herr braucht sie, er lässt sie aber bald zurückbringen.“

Der Rest ist bekannt. Jesus zog unter Hosianna-Rufen und dem Schwenken von Palmwedeln in Jerusalem ein. Das war damals schon eine Provokation. Denn ansonsten leistete sich nur ein Machthaber, aber hoch zu Ross, einen solchen Auftritt.

Das Leben Jesu ist indes ohne Esel gar nicht denkbar. Schon in Bethlehem soll einer bei der Geburt im Stall gestanden haben und auf der Flucht nach Ägypten dann, folgt man den vielen Gemälden und Krippendarstellungen, Mutter und Kind getragen haben. Einen offiziellen Beleg gibt es für die Anwesenheit des Grautiers in der frühen Geschichte des Gottessohnes nicht, aber für Palmsonntag ist sie bei allen vier Evangelisten verbürgt.

Davon scheinen sich die Aktivisten nicht beeindrucken zu lassen. Auch in Oberammergau müsse man Traditionen auf den Prüfstand stellen und sich von den schlechten verabschieden, heißt es. Jesus würde heute, so ist sich Peta-Fachreferent Peter Höffken sicher, bestimmt anders denken und sich mit einem „tier- und umweltfreundlichen Elektromobil“ fortbewegen.

Moment mal – gab es so etwas nicht vor langer Zeit in der katholischen Kirche? Richtig: Seit dem vierten und fünften Jahrhundert war das Interesse der Gläubigen gewachsen, die biblischen Berichte über Leiden, Tod und Auferstehung Jesu chronologisch nachzuvollziehen. So entstand der Brauch, des Einzugs in Jerusalem in Form einer Prozession zu gedenken. Anfänglich wurde ein echter Esel mitgeführt, später ein hölzerner auf Rädern mit einer geschnitzten Christus-Figur als Reiter darauf.

Sollte es hart auf hart kommen, müsste doch im Holzschnitzerdorf Oberammergau eine solche Figur aufzutreiben sein? Ansonsten hält das Bayerische Nationalmuseum in München eine vor und auch im Erzbischöflichen Palais in München begrüßte lange Zeit ein solcher Palmesel die Gäste.

Unterdessen kam Nachricht aus Jerusalem. Ein Sprecher der Passionsspiele sagte dem Bayerischen Rundfunk, dass die Alternative mit E-Scootern nicht denkbar sei. Das passe nicht in den historischen Kontext.

Von Barbara Just (KNA)