Unternehmen müssen nach Worten von Kardinal Peter Turkson nicht nur Geld verdienen, sondern auch ihren Beitrag für die Gesellschaft zu leisten. Das betonte der vatikanische „Entwicklungsminister“ am Samstagabend in München. Unternehmer seien aufgerufen, würdevoll mit den Menschen und mit der Umwelt umzugehen. Dazu gehöre beispielsweise, die Zulieferungsketten von Produkten transparent zu machen. Auch der Verbraucher könne einen wesentlichen Teil leisten, indem er zu fair gehandelten Waren greife. Denn jeder verfüge letztlich über die „Kraft des Geldbeutels“, betonte der Kurienkardinal.
Der Aufsichtsratsvorsitzende der Münchner Rückversicherungsgesellschaft Munich Re, Nikolaus von Bomhard, sieht Unternehmen heute vor der Herausforderung, die Erwartungen von Aktionären, Kunden, Mitarbeitern und der Öffentlichkeit zu erfüllen. Deren Interessen gingen nicht alle in die gleiche Richtung. Die Aufgabe sei deshalb, dieses Dilemma „gesund zu managen“. Dazu gehöre es auch, Mitarbeiter zu befähigen, nicht nur „nach oben zu gucken“, sondern selbst sensibel zu entscheiden.
Nach Ansicht des Textilunternehmers und Wirtschaftsethikers Thomas Rusche ist Profit als alleiniges Unternehmensziel nicht ausreichend. Ein Unternehmen sei ein Netzwerk von Menschen, mit denen über ethische Überzeugungen gesprochen werden müsse. Nicht nur die Spielzüge seien entscheidend, sondern auch die Spielregeln. Rusche erklärte, mit seinen Zulieferern im Austausch zu stehen. Er könne aber nicht für die völlige Transparenz der Zulieferungskette und damit für ausschließlich fair produzierte Waren garantieren. Das sei praktisch nicht so einfach machbar.
Gefordert sind nach Ansicht des von Rusche auch die Verbraucher. Ihnen müsse klar werden, dass der Verbrauch etwa an Wasser für eine Luxus-Jeans in einem bestimmten Stil enorm sei. Turkson mahnte ebenfalls, nicht nur das Endprodukt zu sehen, sondern darauf zu achten, ob die daran beteiligten Menschen würdevoll behandelt worden seien. Als Beispiel nannte er Mobiltelefone.
Turkson, von Bomhard und Rusche äußerten sich auf einem internationalen Kongress zu „Integraler Ökologie im digitalen Zeitalter“. Veranstalter waren die Päpstliche Stiftung „Centesimus Annus pro Pontifice“, die Hochschule für Philosophie und das Netzwerk „European Liberal Education Alliance“ verschiedener jesuitischer und staatlicher Hochschulen.
In Deutschland wird laut Medienberichten von Jahr zu Jahr mehr Kleidung fabrikneu vernichtet oder verramscht, weil weit mehr Textilien angeboten als verkauft werden. Allein in diesem Jahr werden voraussichtlich 230 Millionen Kleidungsstücke im deutschen Einzel- und Onlinehandel unverkauft bleiben und in Verwertungs- und Müllverbrennungsanlagen oder als Ramschware in Ländern außerhalb der EU landen, wie Recherchen der „Welt am Sonntag“ ergaben.
Diese Hochrechnung basiert auf Marktzahlen der Marktforschungsfirma Euromonitor International, laut der 2019 rund 2,3 Milliarden Kleidungsstücke am deutschen Modemarkt angeboten werden. Bis zu zehn Prozent davon – rund 230 Millionen Stück – blieben im Einzelhandel trotz Preisreduzierungen und Umschichtungen in Outlet-Stores unverkauft, schätzen Branchenexperten.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sprach angesichts der Zahlen von einer „fatalen Entwicklung“. „Kleidung wird mehr und mehr zur Wegwerfware“, so Schulze. „Viele Kleidungsstücke werden nur für eine Saison gekauft, billig produziert und über große Entfernungen nach Deutschland transportiert.“ Die Textilbranche brauche eine „Nachhaltigkeitswende“.
Die Bundesregierung arbeitet an einer Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes, um die Vernichtung neuwertiger Ware zu bekämpfen. Demnach soll Herstellern künftig eine Obhutspflicht gegenüber ihrer Ware auferlegt werden, damit weniger überschüssige Waren produziert werden und Unverkauftes nicht mehr so schnell vernichtet wird. Unter anderem sollen sie ihre Warenbestellungen stärker am tatsächlichen Kundenbedarf ausrichten und große Überhänge vermeiden, so Schulze.
Der Grünen-Bundestagsfraktion geht die Gesetzesüberarbeitung nicht weit genug, da sie auf Freiwilligkeit der Hersteller setze. „Damit wird die Lösung des Problems auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben“, sagte die ehemalige Bundesverbraucherschutzministerin Renate Künast (Grüne).