So war das erste Wochenende ganz ohne öffentliche Gottesdienste
Am ersten Wochenende ganz ohne öffentliche Gottesdienste in ganz Deutschland und in vielen anderen Ländern der Welt haben der Papst und Bischöfe zu Solidarität und Hilfsbereitschaft aufgerufen. Außerdem luden sie zum Gebet ein.
Das gab es noch nie: In ganz Deutschland und in zahlreichen weiteren Ländern hatten die Gläubigen wegen der Corona-Pandemie keine Chance, in der Kirche einen Gottesdienst zu besuchen. Wie haben Papst und Bischöfe reagiert?
Papst Franziskus rief für Mittwoch um 12 Uhr zu einem weltweiten Vaterunser-Gebet gegen die Corona-Pandemie auf. Außerdem kündigte er an, am Freitag um 18 Uhr eine Andacht auf dem leeren Vorplatz des Petersdoms zu feiern. Dabei werde er auch den feierlichen Segen Urbi et orbi spenden, der nur zu besonderen Gelegenheiten üblich ist. Angesichts der Pandemie bestehe dabei die Möglichkeit, einen vollständigen Ablass zu erhalten; darunter versteht die katholische Kirche einen Erlass von Strafen im Jenseits.
Mehr als 50.000 Zuschauer über das Internet
Auch in der Sonntagsmesse, die allein im deutschsprachigen Raum mehr als 50.000 Zuschauer über das Internet hatte, rief Franziskus zum Gebet auf, insbesondere „für die Toten, Männer und Frauen, die ohne Trost allein sterben“. In Deutschland gab es ebenfalls zahlreiche Gottesdienstübertragungen über Internet, Radio und Fernsehen, die auf große Resonanz stießen. ARD und ZDF kündigten zudem an, ihre religiösen Angebote – auch für Juden und Muslime – deutlich auszuweiten.
Die Diskussion unter einigen Theologen, ob solche „Geistermessen“ angemessen seien, nannte der Münchner Kardinal Reinhard Marx „eine eher theoretische Debatte“. Übertragungen seien „eine große Hilfe“. Auch der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki betonte als Antwort auf zahlreiche Anfragen: „Außergewöhnliche Situationen erfordern außergewöhnliche Lösungen.“ Auf keinen Fall dürfe man „durch die Nähe zu unseren Mitmenschen ihre Gesundheit aufs Spiel setzen“. Woelki ergänzte: „Schön ist anders. Aber schön muss im Augenblick hinter vernünftig und verantwortungsvoll zurückstehen.“
Viele Zeichen von Hilfsbereitschaft
Woelki sieht neben wachsender Angst auch mutmachende Entwicklungen in diesen Tagen: „Was mir Angst macht: Dass mit der Entfernung auch die menschliche Distanz wächst; dass es durch Corona kälter wird zwischen uns“, schrieb er auf Twitter: „Was mir Mut macht: Dass viele Menschen gerade in diesen Tagen selbstlos für andere da sind.“
Auch Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck lobte in einer Videobotschaft die vielen Zeichen von Hilfsbereitschaft. Er nannte Jugendliche, die für Alte einkaufen, und Menschen, die anderen Bücher bringen. Er hob die Arbeit von Supermarktkassierern, Ärzten und Pflegern hervor und gedachte der Kranken.
„Keine Strafe Gottes“
Kardinal Marx betonte, die Corona-Pandemie sei keine Strafe Gottes. Eine solche Interpretation würde „zu einem sehr schwierigen und negativen Gottesbild“ führen. Auch der Speyerer katholische Bischof Karl-Heinz Wiesemann warnte davor, die Krise als Strafe zu betrachten. Er wolle „von pseudoreligiösen Verschwörungstheorien nichts wissen“, sagte er. Aber es gebe gewisse fundamentalistische Kreise, die diese Krise als biblischen Beweis ihrer Anschauungen sähen; da müsse man „dagegenhalten“.
Der Freiburger Erzbischof Stephan Burger rief zu umfassender Solidarität auf, um alle besonders gefährdeten Menschen zu schützen. „Wir alle können nun zeigen, dass wir zusammenhalten, dass wir füreinander da sind trotz gebotener Distanz.“ Dabei sei die Zeit nationaler Alleingänge vorbei: „Denkhaltungen wie ‚Ich oder mein Land zuerst‘ haben sich als illusorisch, wenn nicht sogar als gefährlich erwiesen.“
Burger mahnt zu internationaler Solidarität
Eindringlich mahnte Burger, der auch Caritas- und Misereor-Bischof ist, zu internationaler Solidarität. In der aktuellen Corona-Krise dürften die unter Krieg, Armut und Hunger leidenden Menschen weltweit nicht vergessen werden. Der Chef des katholischen Hilfswerks Misereor, Pirmin Spiegel, rief dazu auf, so rasch wie möglich vor allem Kinder und ältere Menschen aus den Flüchtlingslagern in Griechenland herausholen: „Wenn das Virus dort eindringt und sich ausbreitet ist das eine weitere humanitäre Katastrophe.“ Das Coronavirus dürfe nicht als Legitimation dienen, Mauern noch höher zu ziehen.
Berlins Erzbischof Heiner Koch betonte, die Krise mache allen bewusst, „dass unsere Möglichkeiten begrenzt sind und dass uns Grenzen gesetzt sind“. Zugleich bat er darum, sich vor allem um die Alten und Kranken zu kümmern.
„Nähe auf Distanz“
Im ZDF wies der Mainzer Weihbischof Udo Bentz darauf hin, dass die Kirche neue Wege suche, trotz allem den Menschen nah zu sein – „Nähe auf Distanz sozusagen“. Es gebe etwa neue Chaträume für die Seelsorge, alternative Gottesdienstformen und andere kreative Neuerungen. Aber auch das Telefon erlebe eine Renaissance für den direkten Kontakt mit den Priestern.
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Heinrich Bedford-Strohm, sagte, das Coronavirus habe „unser Leben in so kurzer Zeit so radikal verändert, dass die Seele kaum nachzukommen weiß“. Umso wichtiger sei der Glaube an die Zusage Jesu: „Was immer geschieht, du wirst nicht ins Bodenlose fallen.“
„Revolution der Empathie und Achtsamkeit“
Vielleicht könne die Krise sogar zu einer „Revolution der Empathie und Achtsamkeit“ führen, so der Landesbischof: „Menschen, die Mitgefühl zeigen, die füreinander sorgen, die zusammenhalten, die sich auf das besinnen, was wirklich wichtig ist. Menschen, die auch jetzt keinen Unterschied machen zwischen Geflüchteten und Einheimischen.“